Versteckte Schönheit Bunter Staub im Wind - auch Nadelgehölze blühen
Bonn (rpo). Die Früchte von Tanne, Fichte oder Kiefer kennt jeder: die Zapfen. Aber wussten Sie, dass auch Nadelgehölze blühen? Am ehesten dürften die Blütezeit noch Allergiker zu spüren bekommen, wenn sie unter den Pollen zu leiden haben. Alle anderen müssen auf kleine Wölkchen achten, die durch die Lüfte wehen.
Gedichte preisen Kirschen- und Pfirsichblüten, schwärmen von Rosen und Flieder. Die Blüte von Nadelbäumen findet dagegen keine Erwähnung, selbst in Baumschulkatalogen nicht. Doch Allergiker spüren, dass die Nadelgehölze blühen, wenn sie unter den Pollen von Kiefern oder Tannen leiden.
Ludwig Ganghofer beschreibt die Tannenblüte in seinem Roman "Waldrausch" als kleine, rostfarbene Wölkchen, die im Frühling durch den Wald fliegen. Botaniker bezeichnen Nadelbäume deshalb auch als Windblütler. So wie bei Gräsern, Birken oder der Hasel trägt ein Lufthauch den Pollen von einem Exemplar zum anderen. Er entsteht in den männlichen Blüten, die ihn in reicher Fülle in die Luft entlassen - auch wenn es nicht immer die von Ganghofer beschriebenen Wölkchen sind.
Die vielleicht schönste männliche Nadelholzblüte lässt sich bei den Eiben (Taxus baccata) beobachten. Wie löchrige Bällchen sitzen die Blüten im März oder April auf den Zweigen. Schon bei leichter Berührung weht es gelb aus ihnen hervor - ein schier unerschöpflicher Vorrat an Pollen. Weibliche Blüten scheint es gar nicht zu geben. Erst bei genauem Hinsehen entdeckt sie der Beobachter als winzige grüne Kügelchen unter den Zweigen.
Verschiedenartigkeit
Andere Nadelgehölze besitzen größere weibliche Blüten. Aber immer sind sie anders geformt als die männlichen. Für geübte Beobachter liegt in dieser Verschiedenartigkeit ein besonderer Reiz. Kräftig rötlich und zapfenförmig sitzen etwa die weiblichen Blüten der Lärche (Larix europaeus) zu Beginn des Austriebs an den Zweigen. Das männliche Gegenstück ist etwas kleiner und gelb.
Durch ihre Erdbeerfarbe fallen die männlichen Blüten der Rotfichte (Picea abies) im Mai auf. Grünlich bis rot sind die weiblichen Blüten. Purpurrot und dicht gedrängt sitzen dagegen im April die männlichen Blüten unter den Zweigspitzen der Nordmannstanne (Abies nordmanniana). In den Wipfeln befinden sich die weiblichen Blüten als zarte grüne Kerzen. Die räumliche Trennung senkt das Risiko, dass sich die Tanne mit eigenem Pollen befruchtet.
Bei Zedern (Cedrus atlantica) deutet die schmutzig-gelbe Puderschicht, die den Boden unter dem Gewächs im September bedeckt, auf die Blüte hin. Die späte Blütezeit rührt daher, dass der kühlfeuchte Herbst und Winter in der Heimat der Zeder, dem Atlasgebirge, die Fruchtentwicklung verlangsamt.
Schutz vor Sonne
So lebhaft die Farben der Blütenstände auch sein können, der Grund dafür ist nicht die Attraktivität für Insektenaugen. Schließlich erledigt der Wind die Bestäubung. Stattdessen dienen die Pigmenteinlagerungen als Schutz vor intensiver Sonneneinstrahlung und rauer Witterung. Nektar für Bienen halten die Blüten sowieso nicht bereit.
Dennoch gibt es Tannenhonig, der wegen seines leicht harzigen Aromas geschätzt wird. Nicht ganz freiwillig liefern die Nadelbäume den dafür nötigen süßen Saft. Läuse saugen an Nadeln und Trieben und scheiden Zucker aus, den die Bienen einsammeln. Vor allem wenn gegen Ende des Frühjahrs die Blüten weniger werden, wird der klebrige Stoff auf den Tannenzweigen für sie zur wichtigen Nahrungsquelle.
Während die Bienen den Zucker ernten, entwickeln sich aus den weiblichen Blüten bereits die Früchte. Immer deutlicher wird nun die endgültige Zapfenform erkennbar: die etwa zwölf Zentimeter großen Walzenzapfen der Weißtanne (Abies alba), die vier bis acht Zentimeter langen, kegelförmigen der Schwarzkiefer (Pinus nigra) oder die nur ein bis zwei Zentimeter kleinen Zapfen der Lebensbäume (Thuja).
Große Pinienzapfen
Zu den größten Früchten gehören mit 15 Zentimetern Länge und 10 Zentimetern Breite die glatten, glänzenden Pinienzapfen (Pinus pinea). Im Supermarkt sind sie manchmal zu finden, weil in den Zapfen die Pinienkerne stecken. Weil diese als Samen einfach aus den Zapfenschuppen herausfallen und nur einen kleinen Flügel zur Verbreitung besitzen, zählt die Pinie wie Kiefer, Tanne oder Lärche zu den Nacktsamern. Entwicklungsgeschichtlich sind die Nacktsamer älter als die so genannten Bedecktsamer. Deren Nachkommen entwickeln sich geschützt in einem Fruchtknoten, aus dem zum Beispiel das Fruchtfleisch und die Schale der Kirsche entstehen.
Auf den ersten Blick scheint sich der Wacholder (Juniperus) mit seinen blauen Beeren in die Gruppe der Bedecktsamer einzureihen. Genau betrachtet sind es aber keine Beeren, sondern Beerenzapfen. Sie tragen nur saftige und fleischige Zapfenschuppen, statt der sonst üblichen holzigen. Völlig aus der Reihe tanzen die Früchte der Eiben (Taxus): Wie rote Beeren mit einem Kern sehen sie aus. In Wahrheit sind die Früchte aber einsamige Zapfen, die mit ihrem roten Samenmantel (Arillus) Vögel anlocken sollen.