Flutkatastrophe im Ahrtal: Staatsanwaltschaft stellt Ermittlungen gegen ehemaligen Landrat ein
EILMELDUNG
Flutkatastrophe im Ahrtal: Staatsanwaltschaft stellt Ermittlungen gegen ehemaligen Landrat ein

Härtetest Nicht-Raucher Für ein Fußballspiel in die Raucherkneipe

Berlin · Nach drei Monaten als Nichtraucher und laut App insgesamt 1260 nicht gerauchten Zigaretten hat unser Kollege Marcel Romahn den Härtetest gemacht: Fußball gucken in einer Berliner Raucherkneipe.

 Unser Kollege Marcel Romahn ist inzwischen seit zwölf Wochen Nichtraucher.

Unser Kollege Marcel Romahn ist inzwischen seit zwölf Wochen Nichtraucher.

Foto: Ronny Hendrichs

30 Minuten vor Anpfiff: Meine Suche nach einer typischen Berliner Raucherkneipe hat mich nach Kreuzberg geführt. Hier, so einige ortkundige Tippgeber, soll es einen "legendären" Pub geben, wo man nicht nur viele Fußballfans trifft, sondern wo Raucher auch noch unbeschwert über 90 Minuten eine nach der anderen qualmen können. Der perfekte Ort für meine Härteprüfung als Nichtraucher.

20 Minuten vor Anpfiff: Schon der erste Blick in die Kneipe verrät: hier bin ich richtig Gedimmtes Licht, vorne ein Fernseher über der Theke, rechts die große Leinwand, ein Kicker (kaputt) und überall blitzblank geputzte Aschenbecher auf den Tischen — wie früher in Düsseldorf, als die Raucher noch Teil der Indoor-Gesellschaft waren. Ach ja, die guten alten Zeiten.

 Die Milchbar ist eine von Berlins Raucher- und Fußballkneipen.

Die Milchbar ist eine von Berlins Raucher- und Fußballkneipen.

Foto: Marcel Romahn

8 Minuten vor Anpfiff: Es wird voll. Ich habe einen Platz an der Theke ergattert. Und schon ist er da der Moment, vor dem ich mich gefürchtet hatte: Zigarettenqualm steigt mir in die Nase, ein beißender Geruch. Ich scheue mich, frei zu atmen und sehe mich um. Wer ist der Übeläter? Ah, der Wirt und die Kellnerin, bei der ich eben noch meinen Kaffee bestellt hatte. Das scheint der Startschuss für die anderen Gäste zu sein. Plötzlich klicken links und rechts neben mir die Feuerzeuge. Ok, es geht los. Stark sein! Erst mal ein Schluck Kaffee. Zum Bier gehörte für mich in der Kneipe immer die Kippe. Deshalb besser nicht die Sucht heraufbeschwören, denke ich mir, lieber ein ungefährliches Heißgetränk.

Anpfiff: Der Ball rollt, die Konferenzschaltung ist eröffnet. Plötzlich fällt mir auf, dass der Großteil der Leute BVB-Klamotten trägt. Na toll, Nichtraucher und Bayern-Fan — mehr Fremdkörper könnte ich hier nicht sein. Mittlerweile hat jeder an der Theke eine Zigarette im Mund. Das ist zu viel für den Anfang. Ich setzte mich noch schnell um, etwas weiter nach hinten, möglichst nah an die klappernde Lüftungsanlage. Die tut, was sie kann.

3. Minute: Das erste Tor des Spieltages fällt in Wolfsburg. Der Pub analysiert den Treffer. Zwei ältere Herren gestikulieren Richtung Bildschirm, die Kippe fest in der Faust. Der junge Mann mit dem Dortmund-Cappy dreht sich hektisch am Tisch einen Vorrat an Zigaretten. Er scheint ein hartes Spiel zu erwarten.

5. Minute: Mein Kaffee ist schon leer. Auch wenn ich den Ersatzdrogen schon längst entsagt hatte, brauche ich nun doch etwas Erfrischendes, vor allem, um den immer dichter werdenden Nebel zu überleben. Ich bestelle eine große Cola bei der Kellnerin, die gerade die Aschenbecher an der Theke mit Pinsel und Mülltüte ausleert. "Maximal drei Kippen, mehr sollten nie drin sein", erklärt sie. Sehr löblich, aber ob sie das bei dieser Massenpafferei schafft?

 Cola und Kaffee statt Bier. Das hilft auch in der Raucherkneipe standhaft zu bleiben.

Cola und Kaffee statt Bier. Das hilft auch in der Raucherkneipe standhaft zu bleiben.

Foto: Marcel Romahn

7. Minute: Die Bayern tauchen zum ersten Mal auf dem Schirm auf — kollektives Entsetzen, für mich jedoch ein freudiger Moment, in dem ich kurz meine verqualmte Umgebung vergessen und mich nur auf das Spiel konzentrieren kann.

8. Minute: "Tor für den BVB", brüllt der Kommentator aus den Lautsprechern. Die Fans jubeln, einige fallen sich sogar in die Arme und ignorieren ihre Kippen, die im Aschenbecher vor sich hin brennen. Von meinem Platz aus fixiere ich einen der abgelegten Glimmstängel. Ein kleiner Zug wäre jetzt echt nicht schlecht, nur ein ganz kleiner. Nein, stark sein!

25. Minute: Die erste Halbzeit zieht sich wie Kaugummi. Kein Spiel ist wirklich spannend. Ich lasse den Blick durch den Raum schweifen. Außer mir gibt es hier tatsächlich nicht einen einzigen Nichtraucher. Oh Moment, ein junger Mann hat ebenfalls ein blanken Aschenbecher vor sich. Ich bin doch nicht allein. Dann die Ernüchterung: Er raucht E-Zigarette.

32. Minute: Platzverweis im Hertha-Spiel. Einer der Dauerqualmer aus der ersten Reihe steht empört auf, marschiert Richtung Toilette und eröffnet mir damit freie Sicht auf die Theke, die mittlerweile wohl auch zum Aschenbecher geworden ist. Im Schein der kleinen Spots erscheint der Qualm in Form kleiner Lichtsäulen, die sich den ganzen Tresen entlang verteilen. Mit fällt nur ein Begriff dazu ein: Ekel-Kunst.

Halbzeit: Puh, die Hälfte ist geschafft. Das denkt sich wohl auch die Kellnerin, die den Massenansturm auf die Toiletten für einen Aschenbecher-Reinigungsmarathon nutzt. Ich schaue auf die graue Masse, die sich in ihrem Müllbeutel angesammelt hat, und erwische mich beim Kopfschütteln. Viele Raucher verlassen die Kneipe kurz, um frische Luft zu schnappen, und zu rauchen. Immerhin: die Frischluftschübe, die dabei durch die Tür kommen, sind ein Segen.

50. Minute: Plötzlich habe ich Gesellschaft an meinem kleinen Ecktisch. Konrad, dem Schal nach BVB-Fan, und seine amerikanische Freundin Melissa setzen sich zu mir. Auch sie sind nur auf Kurzbesuch in Berlin. Für Konrad gehört das Rauchen zum Fußball dazu. "Zuhause im Sauerland geht das auch nicht mehr", ärgert er sich. Ich freue mich über meine Gesellschaft. Das Gespräch lenkt gut ab.

52. Minute: Die Bayern schießen ihr zweites Tor. Ich kann mich nur kurz freuen, denn meine Augen jucken höllisch. Mein Körper will mir offensichtlich sagen: Mach dass du aus dieser Wolke rauskommst! Ich plaudere mit Melissa, die mir erzählt, dass Raucher in den USA eine verpönte Spezies sind, dass sie sogar mehrere Meter Abstand von der Kneipe halten müssen, bevor sie sich die Kippe anstecken können. "Wie gemein", antworte ich und bekomme Mitleid mit der Raucherin aus Oregon.

72. Minute: Nach 20 langen Minuten endlich wieder ein sportlicher Höhepunkt: Dortmund macht mit dem dritten Treffer den Sack zu. Das Sauerland-Oregon-Pärchen zündet sich eine Siegeszigarette an. Sollen sie ruhig, denke ich. Schließlich akzeptieren sie denn leidenden Nichtraucher neben sich ja auch.

80. Minute: Die Kellnerin hat vor den randvollen Aschenbechern kapituliert. Die meisten Spiele sind entschieden. Einige verlassen den Pub vorzeitig und lassen ihre leeren Schachteln auf den Tischen zurück. Ich rieche an meinen Kapuzenpulli. Bäh!

Abpfiff: So das war's. Aber gleich rausstürmen will ich jetzt auch nicht. Zeit für ein Abschiedsbierchen (ohne Kippe) mit den beiden muss noch sein. Schließlich haben sie mich durch die Hälfte meines Härtetests begleitet und waren eine sympathische Ablenkung. Dann verabschiede ich mich. Draußen wartet die Frischluft.

20 Minuten nach Abpfiff: Ich verlasse die Kneipe und atme erst mal tief ein. Meinen Härtetest habe ich bestanden, auch wenn ich mir nur noch schwer vorstellen kann, das freiwillig wieder jedes Wochenende zu machen. Jetzt bin ich schon fast ein wenig dankbar für die strengeren Rauchergesetze in der Heimat. Aber dass Raucher und Nichtraucher auch in friedlicher Harmonie miteinander auskommen können, haben mir Konrad und Melissa gezeigt. Deshalb: Ein Nichtraucher, der plötzlich alle rauchenden Menschen chronisch verabscheut — wie in Oregon — möchte ich auf keinen Fall werden. Jedem das Seine!

Zugegeben, die Versuchung war da. Aus dem Gröbsten raus ist man als ehemaliger Raucher wohl nie. Aber die ständige Sucht ist weg. Ein gutes Gefühl habe ich aber jetzt noch nicht. Die stinkenden Klamotten müssen schnell in die Waschmaschine.

(mro)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort