Auf Kosten der Kunden Bundesregierung kommt Lebensversicherern entgegen

Berlin · Anbieter sollen die Bewertungsreserven ab einem Stichtag im Frühjahr nicht mehr wie bisher an ihre Versicherten auszahlen müssen.

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Foto: graf

Die große Koalition plant ein Hilfspaket für Lebensversicherer. Lesen Sie dazu die wichtigsten Fragen und Antworten.

Was ist konkret geplant?

Die Lebensversicherungsunternehmen sollen künftig stille Reserven, die sich aus Wertpapieranlagen ergeben, nicht mehr zur Hälfte anteilig an Kunden ausschütten müssen, deren Verträge in diesem Jahr auslaufen oder gekündigt werden. Den Kunden entgehen so bei größeren Policen bis zu 15 000 Euro an Sonderzahlungen. Insgesamt könnten die Altkunden über zwei Milliarden Euro im laufenden Jahr verlieren. Zwei Millionen Kunden müssen in diesem und auch im kommenden Jahr mit Einbußen rechnen. Die Regierung wird den Lebensversicherern gleichzeitig allerdings verbieten, die einbehaltenen Bewertungsreserven für höhere Dividenden an ihre Aktionäre oder Vertriebsaktionen zu nutzen.

Darüber hinaus will die Koalition aber auch den Versicherern Opfer abverlangen. So soll die maximale Garantieverzinsung abgesenkt werden. Dadurch werden Lebensversicherungen für Neukunden unattraktiver. Zudem soll es eine Obergrenze für Provisionen geben. Im Gespräch sind drei bis 3,5 Prozent der vom Kunden bei Abschluss einer Police gezahlten Beträge.

Was genau sind Bewertungsreserven?

Bewertungsreserven entstehen in den Büchern der Unternehmen, weil die Marktpreise von Wertpapieren heute oft viel höher sind als ihr Buch- oder Anschaffungswert. Mitte 2013 hatten die Lebensversicherer bereits Bewertungsreserven von 62 Milliarden Euro in den Büchern. Der Grund dafür sind die derzeit sehr niedrigen Zinsen. Die Gesellschaften legen langfristig an und haben deshalb viele Anleihen mit vergleichsweise hohen Zinsen in ihrem Bestand, die sie vor fünf bis zehn Jahren gekauft haben und die heute — wegen der aktuell niedrigen Zinsen — deutlich mehr wert sind. Die Versicherer rufen seit langem nach dieser Neuregelung. Wenn sie käme, wäre das auch ein Erfolg der guten Lobbyarbeit der Branche.

Wie begründet die Koalition die Neuregelung bei den Reserven?

Geplant ist, die bisher vorgeschriebene hälftige Ausschüttung der Bewertungsreserven an die Kunden ab einem bestimmten Stichtag aufzugeben. Der Stichtag soll auf den Tag der Verabschiedung des Gesetzentwurfs im Kabinett fallen, das wird voraussichtlich im März oder April sein. Begründet wird dies damit, dass Alt- und Neukunden nicht unterschiedlich behandelt werden sollen. Nach geltendem Recht seien die Altkunden deutlich gegenüber den Neukunden im Vorteil, weil sie hohe Sonderzahlungen erhielten, lautet die Argumentation.

Wie lautet die Kritik von Verbraucherschützern und Grünen?

Verbraucherschützer glauben, die Neuregelung helfe vor allem den Versicherungsunternehmen selbst und nicht den Kunden. Auch der Grünen-Finanzpolitiker Gerhard Schick erklärte: "Die Niedrigzinsphase taugt als Begründung für die Gesetzgebung nicht, wenn viele Unternehmen gut dastehen und nur wenige wegen zu hoher Zinsversprechen Probleme haben." Wenn überhaupt, könne es Kürzungen bei den Bewertungsreserven "nur geben, wenn sichergestellt ist, dass deren Einbehalten wirklich dem Versichertenkollektiv zugutekommt und nicht den Unternehmen zur Ankurbelung ihre Neugeschäfts dient", sagte Schick. "Außerdem gehört dann auch die gesamte Gewinn- und Überschussbeteiligung zugunsten der Kunden auf den Prüfstand. Die bisher unfaire Aufteilung der Erträge muss zugunsten der Kunden korrigiert werden".

(mar)
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