Kurt von Storch im Interview "Deutsche Anleger sollten mehr auf Sachwerte setzen"

Düseldorf · Kurt von Storch ist Vorstand der Vermögensverwaltung Flossbach von Storch. Im Interview mit unserer Redaktion spricht er über Mini-Zinsen, Immobilien, die Nöte der Anleger und echte Werte.

 Kurt von Storch sprach mit unserer Redaktion.

Kurt von Storch sprach mit unserer Redaktion.

Foto: Hans-Juergen Bauer

Herr von Storch, für Anleihen und Festgeld gibt es nur Mini-Zinsen, Immobilen sind immer teurer geworden, der Dax als Barometer der Börse liegt so hoch wie noch nie , auch Lebensversicherungen bringen immer niedrigere Zinsen — was sollen Anleger mit ihrem Geld machen?

Storch Wir bewegen uns in unerforschtem Terrain: Die Zinsen sind auf globaler Ebene niedrig und sie werden es auch noch lange bleiben. Dies bedeutet für viele Privatanleger und für Versicherungen und Fonds eine Art Anlagenotstand: Mit traditionellen Zinspapieren lässt sich nicht einmal das Vermögen erhalten. Nur kluge Verteilung der Ersparnisse kann es sichern.

Was ist der Grundfehler der Anleger?

Storch Zu sehr nur auf Steuersparen achten, zu wenig auf echte Rendite und echte Wertschöpfung. Darum wurden von vielen Freiberuflern oder auch Unternehmern dutzende Milliarden Euro in offenen Immobilienfonds oder in Schiffsbeteiligungen versenkt.

Ihr Rat?

Storch Deutsche Anleger sollten mehr auf Sachwerte setzen. Das bedeutet aus unserer Sicht primär, dass sie neben Rentenpapieren und Wandelanleihen auch Aktien besitzen sollten. Sogar bei unserem Musterdepot für defensive Anleger gehen wir von einem Aktienanteil von einem Drittel aus, bei wachstumsorientierten Anlegern sogar rund zwei Drittel.

Die Börsen sind aber unsicher.

Storch Die Börsen waren und sind volatil — es kann also jederzeit auch einmal nach unten gehen. Aber insgesamt sind Aktien nicht überbewertet und müssten sich weiter nach oben bewegen: Das Kurs-Gewinn-Verhältnis deutscher Aktien steht bei 13, im historischen Schnitt lag es aber bei 15. Der Dax könnte also noch deutlich steigen, bevor er über dem historischen Schnitt liegt. Insgesamt wird einiges zusätzliches Kapital in den nächsten Jahren in die Börsen fließen.

Der Dax hat sich seit Anfang 2012 um rund 50 Prozent erhöht und liegt mit einem Punktestand von 9400 so hoch wie nie.

Storch Das ist ein Rekord, der in Wahrheit keiner ist. Denn der Dax ist als sogenannter Performance-Index konstruiert: Bereits ausgezahlte Dividenden fließen in die Berechnung ein, obwohl sie ja mit dem jetzigen Aktienkurs der Konzerne nichts zu tun haben. Rechnet man aber nur die Kurse als Punkte des Dax um, notiert er bei 4800 Punkten — ein Viertel weniger als im Jahr 2000, obwohl die aktuellen Unternehmensgewinne 63 Prozent höher als damals liegen.

Manche Anlageberater empfehlen, in die Börse nur mit kostengünstigen ETFs (Exchange Traded Funds) einzusteigen — dann bildet man mit einem Dax-ETF einfach die Entwicklung des Dax-30 ab statt einen teuren Fonds zu nutzen.

Storch Auch wir als Vermögensverwalter kaufen ETFs, wenn wir einen genau definierten Markt nachbilden wollen — also beispielsweise den japanischen Topix-Index. Insofern sind ETFs auch für Privatanleger interessant. Allerdings spricht gerade bei größeren Vermögen viel für eine aktive Verwaltung: Erstens muss eine Gesamtstrategie festgelegt und umgesetzt werden. Zweitens muss entschieden werden, welche Märkte man überhaupt für attraktiv hält.

Und drittens?

Storch Kann es den Wert eines Depots selbstverständlich erhöhen, wenn ein Fondsmanager, ein Vermögensverwalter oder auch der Anleger selbst bestimmte Unternehmen wie Nestlé, Coca-Cola, Unilever oder Roche ins Depot nimmt. Diese Unternehmen haben über viele Jahrzehnte bewiesen, dass sie von der wachsenden Weltwirtschaft überdurchschnittlich profitieren.

Was halten Sie von der T-Aktie?

Storch Wir sind bei politisch beeinflussten Branchen vorsichtig. Die harte Regulierung hat die Telefon-Branche stark getroffen, jetzt gehen die Versorger wegen der Energiewende in die Knie. Da sind uns Konsumgüterfirmen wie L'Oréal oder Coca-Cola lieber.

Warum empfehlen Sie Gold als Krisenschutz?

Storch Fünf oder zehn Prozent des Vermögens sollten in Edelmetalle fließen. Erstens gibt dies Sicherheit, falls irgendwann wieder eine völlig unerwartete Katastrophe die Welt erschüttert. Zweitens sind Edelmetalle ein Schutz gegen Inflation: Solange praktisch alle Notenbanken der Welt die Märkte mit billigem Geld fluten, um so indirekt die Staatsschulden zu senken, droht leider eine neue Preisspirale.

Bisher ist davon nichts zu merken — die Inflation liegt bei 1,3 Prozent.

Storch Der Test kommt, wenn die Weltwirtschaft wieder mehr in Schwung kommt: Werden die US-Notenbank, die EZB oder die Bank of England dann wirklich Geld wieder teurer machen? Oder helfen sie weiter den überschuldeten Staaten, ihre Kredite billig zu finanzieren? Weil wir aktuell in keinem Staat den Mut zu einem wirksamen Abbau der Staatsverschuldung sehen, befürchten wir das Schlimmste. Die jetzigen Politiker hinterlassen den nächsten Generationen jedenfalls einen finanziellen Saustall.

Haben Sie als Verwalter großer Vermögen Verständnis dafür, wenn viele Normalverdiener aus Sorge vor Inflation in Immobilien flüchten?

Storch Ja, natürlich — gerade Gutverdiener haben ja oft ein Haus als Basis ihres Vermögens. Denn es gibt für alle Bevölkerungsgruppen gute Gründe für eine eigene Immobilie: Sehr oft bringt die eingesparte Miete dem Eigentümer eine höhere Rendite, als wenn er das gleiche Geld zu den aktuellen Minizinsen auf die Bank bringt. Steigen tatsächlich die Preise auf breiter Front, wird der Preis eines eigenen Hauses oder einer Wohnung auch eher mit hochgehen, sofern die Lage stimmt. Das ist auch ein Schutz gegen Inflation.

Gibt es auch Argumente gegen Immobilien?

Stock Eine Grundregel unserer Anlagestrategie lautet: Nicht alle Eier in einen Korb, das Risiko verteilen. Wer praktisch sein ganzes Vermögen in ein Haus steckt, folgt dieser Regel nicht. Es ist also klug, bei der Altersvorsorge nach Möglichkeit etwas breiter vorzugehen — beispielsweise über Aktienfonds, die man anspart.

Kann man sich mit einer Immobilie auch verheben?

Storch Ja. Käufer sollten auf keinen Fall zu hohe Kredite aufnehmen Spätestens, wenn die Zinsen irgendwann wieder steigen, kann einen das bei der Umschuldung strangulieren. Außerdem sollte man sich relativ sicher sein, nicht bald wieder verkaufen zu müssen: Die Nebenkosten eines Kaufs liegen inklusive Notar und Grunderwerbssteuer bei fast zehn Prozent. Um dieses Geld wieder reinzuholen, müsste der Preis trotz hohen Marktniveaus um noch einmal zehn Prozent steigen.

Haben wir eine Immobilien-Blase?

Storch Bei privat genutzten Objekten sehe ich eine Überhitzung nur in bestimmten Spitzenlagen in wenigen Großstädten wie München, Düsseldorf und Hamburg — aber gemessen an den Preisen in London oder Paris sind deutsche Immobilien trotzdem alle relativ günstig.

(RP)
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