Analyse Der teure Traum vom Eigenheim

Berlin · Eine Studie zeigt, dass die Baukosten in Deutschland seit 2000 um rund 40 Prozent gestiegen sind. Nicht nur in Städten, auch in ländlichen Gebieten wird der Hausbau so trotz niedriger Zinsen immer häufiger unerschwinglich.

Der teure Traum vom Eigenheim
Foto: shutterstock/ Andrei Shumskiy

Zwei Drittel der Jugendlichen in Deutschland haben das Lebensziel, in Zukunft eine eigene Wohnung oder gar ein eigenes Haus zu besitzen. Das ergab jüngst eine Umfrage. Für viele von ihnen wird das aber ein Traum sein, der eher früher als später platzen wird. Das lässt eine andere Studie vermuten. So hat ein Bündnis aus Wohnungsbau- und Immobilienverbänden sowie dem Deutschen Mieterbund errechnet, dass die Baukosten für ein Muster-Mehrfamilienhaus allein in den vergangenen 14 Jahren in Deutschland um satte 40 Prozent gestiegen sind - von 2209 Euro pro Quadratmeter im Jahr 2000 auf heute 3080 Euro.

Legt man vergleichend die Entwicklung der Verbraucherpreise an, sind diese im selben Zeitraum um lediglich 25 Prozent gestiegen, von den Einkommen ganz zu schweigen. Das erklärten die Verbände gestern in Berlin und überreichten ihre Analyse Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD), die im vergangenen Jahr eine Kommission für bezahlbares Wohnen ins Leben gerufen hatte.

Die Interessenvertreter kritisieren in ihrem Papier, dass vor allem der Staat für die Kostenexplosion und damit für eine wachsende Wohnungsnot verantwortlich sei. Aus der Studie, für die auch 370 Wohnungsunternehmen befragt wurden, geht demnach hervor, dass die Hälfte der Kostensteigerungen auf allgemeine Erhöhungen der Baukosten zurückzuführen sei. Zur anderen Hälfte sei der 40-Prozent-Anstieg bei einem Mehrfamilienhaus aber "staatlich gemacht", hieß es vom Bündnis.

Schuld an dieser Entwicklung sind demnach steuer- und planungsrechtliche sowie baurechtliche Vorgaben etwa zur Barrierefreiheit, zum Brand- und Schallschutz, höhere Ansprüche an die Energieeffizienz, Auflagen der Kommunen und die mittlerweile deutlich höheren Preise für Bauland. So hatte etwa das Land NRW erst zum Jahreswechsel die Grunderwerbsteuer von fünf auf 6,5 Prozent erhöht - neben Schleswig-Holstein der höchste Wert bundesweit.

Im Ergebnis führe das zu einem Bau-Frust, der nur durch die historisch niedrigen Zinsen etwas abgepuffert werde, sagen die Verbände. Unter dem Strich entstehe aber eine immer größere Versorgungslücke vor allem beim bezahlbaren Wohnraum.

Und tatsächlich sind die nun vorgelegten Zahlen alarmierend: Heute fehlen den Berechnungen zufolge eine halbe Million erschwingliche Wohnungen in Deutschland. Was bedeutet erschwinglich? Das Bündnis gibt für Durchschnittverdiener einen Richtwert von sieben bis acht Euro Kaltmiete je Quadratmeter an. Angesichts der gestiegenen Baukosten könnten Mehrfamilienhäuser aber nur noch dann wirtschaftlich sinnvoll gebaut werden, wenn danach Kaltmieten von mindestens zehn Euro je Quadratmeter verlangt würden, heißt es in der Studie.

Die Verbände appellieren nun an die Politik, selbstverständlich vor allem aus Eigeninteresse, für bessere Baubedingungen zu sorgen. Denn bundesweit betrachtet steige die Nachfrage schneller, als neu gebaut werde. Demnach müssten pro Jahr mindestens 300.000 Wohnungen fertiggestellt werden, um den Bedarf zu decken. Tatsächlich wurden 2014 aber lediglich etwas mehr als 200.000 Wohnungen gebaut, und auch für 2015 rechnet das Bündnis mit einer gravierenden Lücke. Und das, obwohl in diese Berechnung noch nicht einmal die gestiegenen Flüchtlingszahlen eingegangen sind.

"Da müssen Sie locker noch mal 100 000 fehlende Wohnungen drauflegen", meint Lukas Siebenkotten, Chef des Deutschen Mieterbundes. Er warnt zudem vor dem immer kleineren Bestand von Sozialwohnungen in Deutschland. "Rund 70.000 Wohnungen fallen jährlich aus den Sozialbindungen", sagte Siebenkotten. Pro Jahr würden aber nur bis zu 15 000 neue Sozialmietwohnungen gebaut. "Der Schrumpfungsprozess wird also weitergehen", warnte der oberste Mieterschützer in Deutschland.

Nun wäre es falsch, die Wohnungssituation im gesamten Bundesgebiet über einen Kamm zu scheren. Die beschriebenen Probleme gelten insbesondere für Städte wie Düsseldorf, München, Hamburg und Berlin, für Universitätsstädte und andere Ballungsräume. Dort sorgen hohe Nachfrage und knappes Angebot für steigende Preise. Andererseits gibt es in vielen eher ländlichen Regionen Deutschlands ein Problem mit Leerstand und sinkenden Verkehrswerten von Grundstücken und Bestandsimmobilien. Oftmals können Menschen dort ihre Häuser nur mit Verlust verkaufen oder sehen von Investitionen in die Immobilie ab, weil die Erben ohnehin kein Interesse mehr an dem Objekt haben.

Die durch staatliche Einflüsse gestiegenen Baukosten hingegen betreffen auch Bauherren abseits beliebter Metropolen. Und vor allem private Häuslebauer, so das Verbändebündnis, seien gebeutelt genug. Schließlich müsse man beim Bauen mehr als 100.000 Seiten an Normen und Verordnungen kennen und beachten. Die Verbände verlangen daher vom Bund günstigere steuerliche Abschreibungsmöglichkeiten, von den Ländern Förderprogramme für Ballungsgebiete und Wachstumsregionen. Und die Kommunen sollten günstiges Bauland bereitstellen sowie die "Auflagen-Flut stoppen".

Gerd Landsberg, Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes, zeigt hingegen auf Bund und EU. "Die Kostentreiber für den Wohnungsbau sind nicht in den Kommunen zu suchen", sagte er unserer Redaktion. Die Hauptursache liege in stets neuen und überbordenden europäischen und nationalen Vorschriften, die eine nachhaltige Wohnungspolitik "ausbremsen".

So habe 2013 allein die Energieeinsparverordnung mit neuen Standards zu einer Steigerung der Baukosten um acht Prozent und der Nettokaltmieten um etwa fünf Prozent im Vergleich zur Vorgängerregelung geführt, sagte Landsberg.

(jd)
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