Analyse zu den Altersbezügen Jeder Zweite in Frührente

Düsseldorf · 47,5 Prozent der Arbeitnehmer nehmen Abschläge in Kauf und gehen vorzeitig in Rente. Vor elf Jahren waren es erst 14 Prozent. Vor allem mehr Frauen entscheiden sich heute für den Vorruhestand.

Rente mit 67 - die wichtigsten Fragen
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Berlin Neue Zahlen der Rentenversicherung haben Sozialverbände und Gewerkschaften alarmiert, die Bundesregierung dagegen gab sich gelassen: Fast jeder zweite Arbeitnehmer ist nach den Daten der Rentenkasse im vergangenen Jahr vorzeitig in Rente gegangen und hat dafür zum Teil erhebliche Abschläge bei den Altersbezügen in Kauf genommen. Von den insgesamt knapp 674 000 Versicherten, die 2010 erstmals Rente bezogen haben, nahmen fast 320 000 oder 47,5 Prozent Abschläge hin, weil sie nicht bis zum 65. Lebensjahr gearbeitet haben. Fünf Jahre zuvor waren es noch 41,2, im Jahr 2000 nur 14,5 Prozent gewesen.

Bei den Frührentnern des Jahres 2010 fallen die Altersbezüge im Schnitt um monatlich 113 Euro geringer aus als bei vollem Bezug der Rente. Die Frühpensionäre verkürzten ihre Erwerbstätigkeit im Schnitt um drei Jahre und zwei Monate. Zunehmend Frauen wählten diesen Weg: Während die Zahl der Frühverrentungen bei den Männern seit 2005 um etwa 40 000 auf knapp 227 000 im Jahr 2010 zurückgegangen ist, stieg sie bei den Frauen um knapp 60 000 auf fast 270 000.

Bei einer insgesamt älter werdenden Gesellschaft und mehr erwerbstätigen Frauen sei es nur natürlich, dass auch die Zahl der Frühverrentungen zunehme, erklärte das Bundessozialministerium. Die Zunahme seit 2006 sei zudem "alleine auf die Entwicklung bei den Frauen zurückzuführen", sagte ein Ministeriumssprecher.

Die Rentenversicherung erklärte sich das gewachsene Interesse der Frauen am vorzeitigen Ruhestand so: Viele verheiratete Frauen seien ein paar Jahre jünger als ihre Männer, sie wollten ihren Ruhestand gemeinsam mit ihrem Partner verbringen. Einbußen bei der Rente könnten Ehepaare häufig hinnehmen, weil sie privat vorgesorgt hätten oder noch eine Betriebsrente bezögen. Ohnehin lagen die durchschnittlichen Bezüge der Neurentnerinnen auch 2010 mit 616 Euro deutlich unter denen der Männer mit 862 Euro.

Die Anhebung des Rentenalters bei den Frauen von früher 60 auf später 63 Jahre sei erst ab 2005 voll wirksam geworden, sagte eine Sprecherin der Rentenversicherung. Frauen, die 1952 oder danach geboren sind, müssen seitdem bis zum Alter von 63 Jahren arbeiten. Viele, die sich das leisten könnten, wollten aber weiter ab dem 60. Lebensjahr in Rente gehen.

Der Trend zur Frühverrentung werde weiter deutlich zunehmen, weil ab 2012 schrittweise die Rente mit 67 komme, warnten die Sozialverbände. Viele Ältere gingen zudem unfreiwillig in den Ruhestand, weil sie keine Chance mehr auf einen Arbeitsplatz hätten.

Die Verbände, Gewerkschaften und die SPD forderten die Bundesregierung daher auf, die Rente mit 67 zu stoppen. Die Regierung lehnte dies ab. Die Erwerbsquote der 60- bis 64-Jährigen sei bereits deutlich gestiegen, sagte der Ministeriumssprecher. Wegen des Fachkräftemangels werde der Trend zur Beschäftigung der Älteren weiter zunehmen.

SPD, Grüne und FDP verlangten flexiblere Regelungen beim Renteneintritt. Ältere Arbeitnehmer sollten anfangs eine Teilrente beziehen und den anderen Teil durch eine sozialversicherungspflichtige Teilzeitbeschäftigung hinzuverdienen dürfen. "Wir müssen uns von der Vorstellung lösen, dass Rentner nicht mehr arbeiten sollen", sagte der rentenpolitische Sprecher der Grünen, Wolfgang Strengmann-Kuhn. "Viele ältere Menschen wollen gerne länger arbeiten, zumindest in Teilzeit. Jopie Heesters ist dafür das beste Beispiel!"

(RP/chk)
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