Blaue Briefe für Senioren unter Palmen "Auslandsrentner" sollen nachzahlen

Berlin · Millionen Rentner in Deutschland haben keine Ruhe mehr vor dem Finanzamt. Jetzt reicht der lange Arm des Fiskus sogar bis ins Ausland: Das Finanzamt Neubrandenburg hat bereits 160.000 frühere Gastarbeiter und Senioren angeschrieben, die oft schon seit Jahren weggezogen sind.

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Foto: ddp

Sie alle sollen jetzt Steuern zahlen auf ihre deutsche Rente. Bis zum Jahresende rollt die Welle blauer Briefe noch weiter. Weitere 340.000 RiAs, wie Rentenempfänger im Ausland auch genannt werden, werden dann zur Kasse gebeten.

Für so manchen Auslandsrentner dürfte die Post aus der Heimat ein kleiner Schock sein, sagt Markus Deutsch, Sprecher des Deutschen Steuerberaterverbands in Berlin. Der deutsche Fiskus will, dass sie eine Steuererklärung abgeben und danach Geld von ihnen, oft einige Tausend Euro. Und das nicht nur von wohlhabenden Senioren, die ihren Wohnsitz im Alter in die Karibik, nach Thailand, Frankreich oder in die Toskana verlegt haben.

Betroffen seien beispielsweise auch ehemalige Gastarbeiter, die ihren Lebensabend wieder in der alten Heimat verbringen, etwa Kroatien oder Italien, sagt Deutsch. Selbst auf Kleinstrenten treibt der Fiskus zum Teil happige Steuernachzahlungen ein, schlimmstenfalls viele Jahre zurück.

Hochkomplizierte Materie

"Manche sind über 80 Jahre alt, leben seit Jahren in Uruguay oder Kanada, haben vor 40 Jahren mal in die gesetzliche Rentenkasse eingezahlt, kriegen jetzt 100 Euro raus und sollen sie noch versteuern", berichtet Matthias Winkler, Fachmann für internationales Steuerrecht der Regensburger Kanzlei SH+C. Einige Senioren seien so überfordert und ratlos, dass ihre Kinder die Post aus Neubrandenburg in die Hand nehmen müssten. Das dortige Finanzamt ist allein zuständig für die schätzungsweise 1,6 Millionen deutschen Ruheständler mit Wohnsitz in aller Welt, die eine gesetzliche Rente vom Staat daheim oder etwa Bezüge aus Pensionskassen überwiesen bekommen.

Der Fiskus neige nicht dazu, auf die Steuern von gut 500.000 Auslandssenioren aus mehreren Jahren zu verzichten, sagt Stefan Bruhn, Sprecher des Finanzministeriums von Mecklenburg-Vorpommern. Das komme schließlich der Größenordnung einer Stadt wie Nürnberg oder Leipzig gleich.

Nicht jeder Auslandsrentner sei allerdings automatisch steuerpflichtig und werde aus der Heimat angeschrieben, betont Deutsch. Der blaue Brief kommt in der Regel nur dann, wenn der Rentner in einem Land lebt, das Deutschland den steuerlichen Zugriff auf die in die Ferne überwiesenen Altersbezüge erlaubt. Dazu zählen Österreich, Belgien, Dänemark, Frankreich, Polen und die Niederlande. Auch Kanada gehört seit Dezember 2011 dazu.

Ausnahmen bilden dagegen etwa Spanien und die Schweiz. Mit diesen Ländern bestehen sogenannte Doppelbesteuerungskommen, wonach die deutsche Rente vor Ort steuerpflichtig ist - und nicht in der ehemaligen Heimat.

Die Materie sei so kompliziert, dass selbst die deutsche Finanzverwaltung Fehler mache und "Steuerpflichten feststellt, obwohl das den Doppelbesteuerungsabkommen mit einigen Ländern völlig widerspricht", kritisiert Winkler. Angeschriebene sollten sich Rat vom Fachmann suchen, bevor sie dem Fiskus ungeprüft viel Geld überweisen, rät Deutsch.

Keine Steuervorteile unter Palmen

Warum Rentner überhaupt vom Finanzamt zur Kasse gebeten werden, liegt am Alterseinkünftegesetz. Es gilt seit 2005. Für Ruheständler wird es aber erst jetzt so richtig ernst. Vor allem für Auslandsrentner kann es teuer werden. Sie sitzen wegen einer Sonderregelung in der Steuerfalle: Während Rentner, die zu Hause geblieben sind, unter anderem wenigstens den Grundfreibetrag von 8.004 Euro gegenrechnen können, fällt dieser Vorteil für sie weg. Das bedeutet: Sie müssen auf den steuerpflichtigen Teil ihrer Rente vom ersten Euro an Steuern zahlen, selbst auf sehr niedrige Bezüge. So kann es zu hohen Nachforderungen kommen.

Ein Ausweg aus dem Dilemma kann der Antrag auf unbeschränkte Steuerpflicht sein. Das ist Auslandsrentnern möglich, wenn 90 Prozent ihres Gesamteinkommens der deutschen Einkommensteuer unterliegen. Zugleich müssen eine zusätzliche Rente oder aber Zinsen im Ausland geringer als 8.004 Euro sein. "Das kann in manchen Fällen eine Lösung sein, ist das aber nicht immer", gibt Steuerberater Deutsch zu bedenken. Dass ihnen das deutsche Finanzamt selbst unter Palmen mal so auf die Pelle rückt, "hätten sich viele Senioren nicht im Traum ausgemalt", sagt Deutsch.

(APD)
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