Krebserregend und allergiefördernd Dieses Gift steckt in Lederwaren

Düsseldorf · Die durch Fehler beim Gerben entstehende Chemikalie Chrom VI löst Allergien aus und gilt als stark krebserregend. In einigen Lederprodukten werden die Grenzwerte dennoch überschritten. Verbraucher können sich kaum schützen.

Dieses Gift steckt in Lederwaren - Krebserregend und allergiefördernd
Foto: Shutterstock.com/ Venus Angel

Mit einem wöchentlichen Bericht warnt die Europäische Kommission vor Giftstoffen in Verbraucherprodukten. Auch Lederwaren sind häufig in der Liste zu finden. Der Grund: Chrom VI. Die Chemikalie entsteht bei Gerbprozessen, wenn Hersteller nicht mit sachgemäßer Technik arbeiten. Außerdem kann sich Chrom VI nach der Produktion im fertigen Lederprodukt, beispielsweise durch Fußschweiß, bilden. Nach Angaben des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) kann die Chemikalie durch Einatmen Krebs verursachen und bei Hautkontakt eine lebenslange Allergie auslösen. Diese äußert sich "an der Haut üblicherweise in Rötungen, Quaddeln und nässenden Stellen beziehungsweise in einem Ekzem", sagt Jürgen Thier-Kundke vom BfR.

Nicht nur Verbraucher sind durch die Chrom-VI-Verbindungen gefährdet. Auch Arbeiter in Billiglohnländern wie China, Indien oder Bangladesch sind dem gesundheitsgefährdenden Stoff ausgesetzt. Sie stehen in Chromlaugen und atmen die giftigen Dämpfe ein. Die Gerber leiden vermehrt unter Beschwerden im Magen-Darm-Trakt, an Bluthochdruck, Gelbsucht und Hautkrankheiten.

Alarmierend ist beispielsweise die Situation in Dhaka, der Hauptstadt Bangladeschs. Laut einer in einem WHO-Bericht vorgestellten Studie der Gesellschaft für Umwelt und menschliche Entwicklung in Bangladesch werden 90 Prozent der Gerber in Dhaka nicht einmal 50 Jahre alt. Rund ein Viertel dieser Arbeiter ist jünger als elf Jahre. Auch die Umwelt wird massiv belastet. Die in Dhaka ansässigen 240 Gerbereien verschmutzen das Grundwasser täglich mit sechs Millionen Liter Abwasser und zehn Tonnen Feststoffmüll.

Im April dieses Jahres musste der Onlinehändler Zalando rund 1500 Paar Lederschuhe wegen erhöhter Chrom-VI-Werte vom Markt nehmen. Seitdem hat das Unternehmen seine Standards erhöht. "Wir führen zusätzliche Tests durch", sagt Boris Radke, Sprecher des Unternehmens. "Zudem sind wir dabei, die Betriebe in den Produktionsländern zu überprüfen." Dazu schickt das Unternehmen eigene Kontrolleure in die Produktionsbetriebe.

Immer wieder Warnungen zu Kinderschuhen und Armbanduhren

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Der Onlinehändler ist nicht das einzige Unternehmen, dessen Schuhe mit der gesundheitsschädlichen Substanz verunreinigt sind. Die Stiftung Warentest stieß 2013 auf Kinderschuhe, Armbanduhren und Arbeitshandschuhe gängiger Marken (beispielsweise Deichmann), die den in Deutschland seit 2010 festgelegten zulässigen Grenzwert von drei Milligramm pro Kilogramm überschritten. Zudem macht das oben erwähnte, von der Europäischen Kommission eingerichtete Schnellwarnsystem "Rapex" (Rapid Exchange of Information System) fast jede Woche auf Lederprodukte aufmerksam, die zu hohe Mengen der giftigen Substanz aufweisen. In den vergangenen Wochen standen Arbeits- und Motorradhandschuhe, ein Damenschuh-Modell von Deichmann sowie Babyschuhe der Marke Sterntaler auf der roten Liste. Sterntaler hat bereits Maßnahmen ergriffen: "Wir haben alle betroffenen Schuhe vom Markt genommen und verbrannt", sagt Geschäftsführer Christoph Lahnstein. Außerdem verzichtet die Marke jetzt vollständig auf die Verwendung von Leder in ihren Produkten.

Auch Deichmann hat auf die Tests reagiert: "Grundsätzlich nehmen wir Schuhe sofort aus dem Verkauf, sobald wir eigene Hinweise oder Hinweise der Behörden haben, dass die Ware nicht in Ordnung sein könnte", sagt Sprecherin Sonja Schröder-Galla. Grundsätzlich würden alle Artikel des Hauses mehrfach auf Schadstoffe geprüft, seit August 2013 würden die Produkte zudem vermehrt auf Chrom-VI-Rückstände getestet. "Chrom VI kann in sämtlichen Schritten der Produktion entstehen", sagt Schröder-Galla. Das mache es ungeheuer kompliziert, herauszufinden, an welcher Stelle die Chemikalie in das Produkt gekommen sei. Damit wird es auch für Verbraucher schwierig, chrombelastete Produkte zu erkennen. Eine Alternative zu herkömmlichen Lederwaren kann pflanzlich gegerbtes Leder sein. Dieses ist allerdings noch ein Nischenprodukt. Erste unabhängige Prüfsiegel (IVN und ECARF) können als Orientierung dienen, chromfrei gegerbte Lederwaren zu erkennen.

Mit dem jüngst gestarteten Bündnis für mehr Nachhaltigkeit in der Textilbranche versucht zwar auch der Bund, soziale, ökologische und ökonomische Verbesserungen zu erreichen - Chrom VI steht aber nicht auf der Agenda. Das von Entwicklungsminister Gerd Müller initiierte Bündnis setzt zunächst vor allem auf die Verbesserung der Arbeits- und Lohnbedingungen in den betroffenen Ländern. Das kann aber nur ein erster Schritt sein.

(RP)
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