Eier mit Fipronil belastet Unternehmen ruft Fertigsalate zurück

Berlin · Der Skandal um Millionen giftbelastete Eier weitet sich aus. Fast alle Bundesländer sind betroffen. Aldi hat die Eier-Regale geleert. Andere Ketten ziehen zunächst nicht nach. Auch vor Salaten mit verarbeiteten Eiern wird nun gewarnt.

 Ein Eintrag auf der Webseite von lebensmittelwarnung.de

Ein Eintrag auf der Webseite von lebensmittelwarnung.de

Foto: dpa, mg soe

Am Freitagabend wurden erstmals Produkte zurückgerufen, für die Eier verarbeitet wurden: Das Unternehmen Neue Mayo Feinkost aus Lübeck rief sechs Salatprodukte zurück, die mit Fipronil belastet sein könnten. Betroffen von dem Salate-Rückruf sind Berlin, Hamburg, Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein, wie es auf der Seite lebensmittelwarnung.de heißt. Das betroffene Unternehmen habe vorbildlich und verantwortungsbewusst gehandelt und sich selbst gemeldet, betonte Wolf Gehrmann vom Verbraucherschutzministerium in Kiel.

Experten sehen momentan keine großen Gesundheitsrisiken beim Verzehr belasteter Eier. Nach Angaben des niedersächsischen Agrarministers Christian Meyer (Grüne) wurden weit mehr der mit dem Insektengift belasteten Eier in Deutschland verkauft als angenommen: nicht drei, sondern zehn Millionen. Es werde geprüft, ob auch von Hühnerfleisch eine Gesundheitsgefahr ausgehe. Die einzigen Bundesländer ohne gesicherten Nachweis auf Fipronil-Eier waren bis zum Freitagnachmittag Sachsen und das Saarland.

Deutliche Kaufzurückhaltung

Die Verbraucher reagieren auf den Fipronil-Skandal: Bei Eiern sei mittlerweile "eine deutliche Kaufzurückhaltung" der Kunden zu beobachten, hieß es vom Lebensmittelhändler Rewe. Zwei Discounter haben besonders drastisch reagiert: Aldi Nord und Aldi Süd nahmen deutschlandweit sämtliche Eier aus dem Verkauf. In die Regale sollen nur noch Eier kommen, die die giftige Substanz nachweislich nicht enthalten, wie die Unternehmensgruppen am Freitag mitteilten. Es handele sich um eine reine Vorsichtsmaßnahme, "Klarheit und Transparenz" für die Kunden sollen geschaffen werden. Möglicherweise komme es zeitweise zu Engpässen.

Der Deutsche Bauernverband kritisierte den Aldi-Verkaufsstopp als überzogene Reaktion. Angesichts bisheriger Risikobewertungen und Untersuchungen sei er nicht angemessen, teilte der Verband mit. Die Supermarktketten Edeka, Rewe und Lidl sahen keine so weitgehenden Maßnahmen vor. Die Situation werde aber weiter beobachtet, hieß es von Rewe. Ähnlich äußerte sich Edeka. Lidl verzichtet auf einen generellen Verkaufsstopp, will künftig aber ebenfalls nur noch auf Fipronil getestete Eier ankaufen.

Reinigungsmittel Dega-16 unter Verdacht

Vor allem in den Niederlanden war in Legehennenbetrieben das für diesen Zweck verbotene Insektengift Fipronil eingesetzt worden, viele der dort produzierten Eier wurden nach Deutschland verkauft. Die giftige Substanz war nach derzeitigem Stand der Ermittlungen über das Reinigungsmittel Dega-16 in die Ställe gelangt, das normalerweise nur auf ätherischen Ölen wie Menthol und Eukalyptus beruht.

Vermutlich hatte ein belgischer Hersteller Fipronil beigemischt - ein Kontaktgift, das gegen Hautparasiten wie Läuse, Milben und Flöhe wirkt. Es wird zum Beispiel auch bei Hunden und Katzen verwendet. Die Anwendung bei lebensmittelliefernden Tieren ist nicht erlaubt. In hohen Dosen kann Fipronil auch für Menschen gefährlich sein. Wie genau es auf Menschen wirkt, ist nicht bekannt.

In Experimenten mit Ratten schädigte der Stoff das Nervensystem und die Leber, hatte das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR)
erklärt. Vorerst gebe es aber keine Befunde mit einem möglicherweise gesundheitsschädlichen Gehalt an Fipronil pro Kilogramm Ei. Die Messwerte liegen demnach bisher "um einen Faktor zehn unterhalb" des Wertes, bis zu dem eine Gefährdung für Erwachsene wie Kinder als unwahrscheinlich eingestuft wird.

Foodwatch fordert systematische Tests

Die Verbraucherorganisation Foodwatch forderte systematische Tests von Lebensmitteln auf Schädlingsbekämpfungsmittel. Minister Christian Schmidt (CSU) müsse ein entsprechendes Programm zwischen den Ländern koordinieren, sagte Foodwatch-Expertin Lena Blanken.

Der neue Lebensmittel-Skandal komme nicht überraschend - und werde nicht der letzte sein, sagte Leif Miller, Bundesgeschäftsführer des Naturschutzbunds (NABU). Mit ihrer Agrarförderung belohne die EU derzeit vor allem jene, die Masse statt Klasse produzierten. Auch aufgrund des Preisdrucks durch Handel und Verbraucher seien Landwirte gezwungen, möglichst billig zu produzieren. "Daher ist die Versuchung grundsätzlich groß, zu kritischen und mitunter illegalen Mitteln zu greifen und so die Produktion bis zum Maximum auszureizen."

(csi/dpa)
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