Entscheidung in Frankreich Supermärkte dürfen Lebensmittel nicht mehr wegwerfen

Paris/Düsseldorf · Die französische Nationalversammlung verpflichtet Supermärkte, verfallene Lebensmittel künftig an Hilfsorganisationen abzugeben. Schon jetzt machen viele Läden das auf freiwilliger Basis – auch in Deutschland.

Die französische Nationalversammlung verpflichtet Supermärkte, verfallene Lebensmittel künftig an Hilfsorganisationen abzugeben. Schon jetzt machen viele Läden das auf freiwilliger Basis — auch in Deutschland.

Jeden Abend vor Ladenschluss werfen die Angestellten des Supermarkts Carrefour im Pariser Vorort Boulogne-Billancourt abgelaufene Lebensmittel in Müllcontainer, die vor dem Ausgang stehen. Dort warten Bedürftige, die die Abfälle nach Essbarem durchsuchen. Wenn es nach der französischen Nationalversammlung geht, soll es das bald nicht mehr geben. Die Abgeordneten verabschiedeten einstimmig einen Gesetzeszusatz, der den Lebensmittelläden das Wegwerfen verbietet. "Es ist ein Skandal, Lebensmittel wegzuwerfen, wenn andere Hunger leiden", sagt der sozialistische Abgeordnete Guillaume Garot, von dem die Gesetzesinitiative ausging.

20 bis 30 Kilo Lebensmittel landen pro Person jedes Jahr in Frankreich im Abfall — sieben davon originalverpackt. Geschockt ist Garot von der Praxis einiger Supermärkte, ihre verfallenen Lebensmittel mit Chlorwasser zu überschütten, um sie zu vernichten. Das ist künftig verboten. Ebenso verpflichtet das neue Gesetz Märkte mit einer Fläche von über 400 Quadratmetern, bis 1. Juli 2016 ein Abkommen mit einer Hilfsorganisation zu treffen, die die aussortierten Lebensmittel verteilt. Was nicht mehr essbar ist, wird zu Tiernahrung oder Kompost verarbeitet. "Diese Regelung stärkt die Partnerschaft, die seit langem zwischen uns und den Supermärkten besteht", teilen die Banques alimentaires mit, die mit den deutschen Tafeln vergleichbar sind.

Große Ketten kooperieren mit den Tafeln

Schon jetzt kommen in Frankreich 35 Prozent der von der Organisation verteilten Lebensmittel aus Supermärkten, die ihre nicht mehr frischen Waren freiwillig abgeben — wie es auch in Deutschland üblich ist. Dort kooperieren große Ketten wie die Rewe Group, Aldi und Real mit den Tafeln. "Über 90 Prozent unserer bundesweit über 300 Märkte beliefern die Tafeln", sagt Alja-Claire Dufhues, Sprecherin der Real SB-Warenhaus GmbH. Bereits seit 1996 kooperiert Rewe laut einem Unternehmenssprecher mit 900 Tafel-Initiativen, Penny seit 2007. Allzu viel falle jedoch nicht ab: "Mittlerweile verkaufen die Märkte und Discounter im Jahresschnitt 99 Prozent ihrer Lebensmittel. Modernste Prognosesysteme — teilweise unter Berücksichtigung der Wettervorhersage — und automatisierte Bestellverfahren ermöglichen eine sehr gute und bedarfsgerechte Versorgung der Märkte mit Ware."

In Frankreich ist die Nachfrage nach Lebensmittelspenden groß, denn mit der Rekordarbeitslosigkeit wächst die Zahl der Bedürftigen. Ihnen soll das Gesetz helfen. "Auch wenn viele Supermärkte sich zur Zusammenarbeit mit Hilfsorganisationen verpflichtet haben, machen es nicht alle regelmäßig", heißt es in einem Bericht. Die Supermärkte sind nicht begeistert von dem Aufwand, der auf sie zukommt. "Es ist gut, die Verschwendung zu verbieten, aber das Sammeln der Lebensmittel muss auch organisiert werden", so Michel-Edouard Leclerc von der Supermarktkette Leclerc.

Probleme bei der Lagerung

Der Einzelhandelsverband FCD verweist darauf, dass kleine Läden Probleme bekommen, etwa bei der Lagerung der abgelaufenen Lebensmittel. Außerdem seien die Supermärkte ohnehin nur für fünf Prozent der weggeworfenen Nahrung verantwortlich. Die größte Verschwendung passiere in den Haushalten. In Deutschland werden laut einer Studie der Universität Stuttgart im Handel jährlich etwa 550.000 Tonnen weggeworfen. Zum Vergleich: In deutschen Haushalten fallen pro Jahr etwa 6,67 Millionen Tonnen an. In der Summe der Supermarktabfälle seien organische Abfälle wie Pflanzen und Blumen enthalten. "Die auf deutschen Großmärkten tatsächlich entsorgte Lebensmittelmenge dürfte eher geringer sein", heißt es in der Studie.

Die Tafel Deutschland begrüßt das Gesetz. "Hierzulande funktioniert es auch ohne Gesetz", sagt Jochen Brühl, Vorsitzender des Bundesverbandes. "Hier greifen die Rädchen der Logistik zusammen. Das ist ein gut funktionierendes, ausgeklügeltes und erprobtes System." Die französischen Organisationen müssen die zusätzlichen Spenden künftig richtig transportieren, lagern und verwalten. "Ohne eine reibungslos funktionierende Logistik ist es wahrscheinlich, dass die Einrichtungen schnell an ihre Grenzen stoßen", sagt Brühl. Die "Restaurants des Herzens" in Frankreich fordern: "Die neue Regelung darf nicht zu zusätzlichem Druck für die Hilfsorganisationen werden." Mit gutem Beispiel ging Carrefour voran: Die Supermarktkette stellte den Banques alimentaires 200 Kühllaster für den Transport der Lebensmittel zur Verfügung.

(RP)
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