Große Geschenke im Nest Wenn Ostern zum Konsumfest wird

Düsseldorf · Nach Weihnachten und Geburtstag ist Ostern der drittwichtigste Geschenke-Termin des Jahres. Besonders fleißig im Beschenken von Kindern mit Spielzeug und Schokolade sind Großeltern und andere Verwandte: Sie hören oft auch dann nicht auf, wenn man sie darum bittet.

 Schokoladen-Osterhasen in einer Confiserie in Brandenburg (Symbolbild).

Schokoladen-Osterhasen in einer Confiserie in Brandenburg (Symbolbild).

Foto: dpa

Die drei Kinder haben noch nicht alles ausgepackt, doch der Tisch quillt schon über: lauter Kartons, Plastikverpackungen und zerknülltes Geschenkpapier. Die Familie hat sich um den Esstisch versammelt. Die Eltern betrachten die Szenerie, schütteln den Kopf. "Es ist, was wir draus machen", sagt der Schwager. Die Familie feiert weder Weihnachten noch Massengeburtstag. Es ist Ostern im Jahr 2016.

Ein Jahr später soll alles anders werden: nur noch Schokohasen und Eierverstecken im Garten. Das haben die Erwachsenen der Familie so vereinbart. Allein Oma besteht darauf: Es gibt Geschenke zu Ostern, und die Kleinste bekommt ein neues — weiteres — Kuscheltier. Punkt.

In vielen Familien in Deutschland geht es ähnlich zu wie in dieser. Ostern mutiert zum neuen Konsumfest. Gab es früher Schokoeier, einen Vollmilch-Hasen und allenfalls eine Kleinigkeit, fordern viele Kinder heute Geschenke regelrecht ein — befeuert durch die Werbung, die suggeriert, an Ostern werde etwas geschenkt. In den Nestern landen 3D-Puzzle, ferngesteuerte Autos, Monster-High-Puppen oder auch mal ein Fahrrad.

Am umsatzstärksten sind die zwei Wochen vor dem Fest

Nach Angaben des Bundesverbands des Spielwaren-Einzelhandels (BVS) in Köln verzeichnet der Spielwarenhandel im Ostermonat über 30 Millionen Euro mehr Umsatz. Das meiste Geld für Spielzeuggeschenke geben die Deutschen demnach in den zwei Wochen vor sowie in der Woche nach den Feiertagen aus. Dabei zahlen sie im Schnitt zwischen 10 und 40 Euro pro Geschenk. "Damit ist Ostern nach Weihnachten und Geburtstag der drittwichtigste Geschenke-Anlass", sagt BVS-Geschäftsführer Willy Fischel. Laut dem Deutschen Verband der Spielwarenindustrie (DVSI) in Nürnberg machen die Osterverkäufe an den 14 Tagen vor dem Fest mit rund 150 Millionen Euro bereits seit mehreren Jahren 5 Prozent des Jahresumsatzes aus.

Dabei hängt die Schenklaune auch von äußeren Faktoren ab: Je früher Ostern kalendarisch liegt und je schlechter das Wetter ist, desto mehr werden Brettspiele, Klötzchen und andere klassische Spielsachen für daheim gekauft. Je später die Feiertage und je mehr die Sonne scheint, desto gefragter sind auch größere Outdoor-Produkte wie Laufräder, Rutschautos oder Roller.

Lieber Zeit mit der Familie verbringen

Den zunehmenden Konsumrausch an Ostern bestätigt auch die Familienberaterin Aimée Bastian aus Düsseldorf. "Einerseits werden Bedürfnisse geweckt durch Werbung, Medien, Zeitschriften. Andererseits versuchen viele Eltern verständlicherweise, durch das Schenken fehlende Zeit zu kompensieren." Viele Mütter und Väter sind heute beruflich stark eingespannt, gemeinsame Momente mit der Familie oft rar. Das schlechte Gewissen verleitet den einen oder anderen dazu, mittels Geschenken etwas vermeintlich wieder gutzumachen.

"Die Frage ist, welche Gesellschaft wollen wir und worauf will ich mein Kind vorbereiten?", sagt Bastian, die selber Mutter von Zwillingen ist. Je mehr man schenke, umso mehr gewöhne man seine Kinder an das Konsumieren. "Aber dass Konsum nicht glücklich macht, wissen wir. Eigentlich wünschen wir uns Liebe, Zuwendung, Anerkennung." Das Schenken an sich gebe aber auch den Schenkenden ein gutes Gefühl: "Man macht das auch für sich selber. Beim Kaufen fühlt man sich gut, und dann noch einmal beim Schenken", sagt Bastian.

Schöner und sinnvoller sei es, den Kindern Zeit zu widmen: "Zum Beispiel Ostereier im Wald verstecken." Doch was, wenn die Kinder argumentieren, alle anderen bekämen auch etwas geschenkt? "Da kann man Grenzen setzen, indem man ganz bewusst aus dem Vergleich aussteigt", rät Bastian, die auch Kinder- und Jugendcoach ist. "Sagen Sie: 'Wir verbringen Zeit miteinander, und was andere Familien machen, ist uns egal‘."

Kinder lernten auf diese Weise Selbstbewusstsein: "Ihnen wird dadurch vermittelt: Ich bin jemand, auch wenn ich nicht konsumiere." Kleine Kinder merkten ohnehin noch nicht, wenn man nichts schenke. Mit den Größeren könne man reden und ihnen den Nachhaltigkeitsgedanken erklären - zum Beispiel, dass man unnötigen Müll vermeiden kann. "Das geht schon ab fünf Jahren, wenn man das in einfachen Worten ausdrückt", sagt Bastian.

Die Verwandtschaft in die Schranken weisen

Schwieriger gestaltet sich so manches Gespräch mit der Verwandtschaft: Viele Omas, Opas und Tanten kaufen Spielsachen, obwohl das Kind mehr als genug davon hat. Familiencoach Bastian rät: "Sagen Sie 'Nein‘ - freundlich, aber entschieden." Damit die Botschaft ankommt, empfiehlt die Expertin folgende Strategie: Erst wertschätzen, dann ein klares Nein, anschließend ein Lösungsangebot. "Sagen Sie zum Beispiel: 'Liebe Mama, ich finde das sehr nett, dass du dich so engagierst und den Kindern etwas schenken willst." Dann das klare Nein. "Und anschließend machen Sie einen Vorschlag, also etwa, stattdessen lieber einen Kuchen zu backen und damit vorbeizukommen. Mit den Enkeln Eis essen zu gehen. Oder mit ihnen in den Zoo zu fahren."

Von den Erinnerungen an ein gemeinsames Erlebnis haben letztlich alle mehr als vom x-ten Spielzeugauto, das in der Ecke liegt.

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