Reform der Rundfunkgebühr GEZ-Amnestie für "Schwarzseher"

Düsseldorf · Die Rundfunkgebühr steht vor einer Reform - ab Anfang 2013 muss für eine Wohnung nur noch ein Beitrag gezahlt werden. Bisherige "Schwarzseher", die nie an die GEZ gezahlt haben, müssen keine Nachzahlungen fürchten.

Fragen und Antworten zur Rundfunkgebühr
Infos

Fragen und Antworten zur Rundfunkgebühr

Infos
Foto: dpa, dan soe sab

Deutschland leistet sich das teuerste öffentlich-rechtliche Rundfunksystem der Welt. Finanziert wird es überwiegend mit Milliardenbeträgen privater Rundfunkteilnehmer. Doch das Gebührensystem ist brüchig geworden. Zum 1. Januar 2013 haben die Bundesländer deshalb eine Finanzierungsreform beschlossen. Dabei bleibt der monatliche Rundfunkbeitrag von 17,98 Euro zunächst unangetastet. Was sich ändert, ist die Berechnungsgrundlage. Wir geben Antworten auf die wichtigsten Fragen.

Was steckt hinter der Finanzierungsreform?

Die Verantwortungsträger des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sind zu der Überzeugung gekommen, dass die bisherige Berechnungsgrundlage der Rundfunkgebühr "nicht mehr zeitgemäß" ist. Sie haben eine langsame Abkehr vom klassischen Radio- und Fernsehgerät hin zu innovativen multifunktionalen Endgeräten zur Kenntnis nehmen müssen. Sie werten diese Erosion des gebührenpflichtigen Gerätebestands als Alarmzeichen für die Existenz des öffentlich-rechtlichen Rundfunks.

Die zum 1. Januar 2013 beschlossene Reform der Rundfunkfinanzierung soll die Berechnungsgrundlage verbreitert werden. Offiziell heißt es, die Finanzierungsreform solle "aufkommensneutral" ausgehen. Insgeheim versprechen sich die Verantwortlichen natürlich Mehreinnahmen. Immerhin erwartet Dr. Stefan Wolf, Geschäftsführer der Gebühreneinzugszentrale (GEZ), dass der "Weg in eine sichere Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks geebnet ist."

Was ändert sich gegenüber der Rundfunkgebühr?

Als Erstes gibt es neue Namen. Die bisherige Rundfunkgebühr heißt jetzt Rundfunkbeitrag. Und aus der Gebühreneinzugszentrale (GEZ) wird der ARD-ZDF-Deutschlandradio-Beitragssservice. Entscheidend aber ist die Umstellung des Gebührenmodells. Während bisher die Zahl der vorhandenen Rundfunkgeräte die Grundlage bildete, gilt jetzt die Formel: Eine Wohnung, ein Beitrag.

Der Rundfunkbeitrag muss also pro Wohnung nur einmal gezahlt werden, unabhängig davon, wie viele Personen dort leben oder wie viele Rundfunkgeräte vorhanden sind. Auch die privaten Autos aller Bewohner sind mit abgedeckt. Für eine Zweitwohnung ist extra zu zahlen. Und dazu die gute Botschaft: Der Rundfunkbeitrag bleibt bis einschließlich 2014 stabil bei 17,98 Euro pro Monat.

Wie werden "Schwarzseher" behandelt?

Wer sich bisher widerrechtlich der Gebührenpflicht entzogen hat ("Schwarzseher"), ist verpflichtet, sich bis zum 1. Januar 2013 bei der GEZ anzumelden. Das Anmeldeformular findet sich unter www.gez.de. Gebührensünder müssen nicht befürchten, dass in ihrer Vergangenheit herumgeschnüffelt wird. Nachträgliche Forderungen wegen Gebührenrückständen werden nicht geltend gemacht. Für bisherige "Schwarzseher" gilt also de facto eine Amnestie. Im privaten Bereich wird auch der Beauftragtendienst der GEZ, im Volksmund "Schnüffler" genannt, eingestellt.

Wer ist von der Reform betroffen?

Finanziell ändert sich für die meisten Bürgerinnen und Bürger nichts. Mehr als 90 Prozent zahlen genauso viel wie heute oder sogar weniger. Sie werden zum Jahreswechsel ohne Formalitäten auf den Rundfunkbeitrag umgestellt. Diejenigen, für die das neue Beitragsmodell Veränderungen mit sich bringt, erhalten auf dem Postweg eine Benachrichtigung.

Das gilt zum Beispiel für Behinderte mit RF-Eintrag im Schwerbehindertenausweis. Sie müssen sich künftig an der Rundfunkfinanzierung mit dem ermäßigten Beitrag von monatlich 5,99 Euro beteiligen. Sofern die Betroffenen auch staatliche Sozialleistungen (Grundsicherung, Sozialhilfe, Arbeitslosengeld II) empfangen, können sie sich auf Antrag aber wieder von der Beitragspflicht befreien lassen.Dem Antrag ist der Nachweis der betreffenden Behörde beizufügen.

Entlastungen bringt das neue Beitragsmodell für Personen, die zur Untermiete wohnen oder in einer Wohngemeinschaft leben und bisher Rundfunkgebühr gezahlt haben. Da nach dem neuen Modell nur ein Rundfunkbeitrag pro Wohnung zu entrichten, können sich die Betroffenen mit ihrer Teilnehmernummer und dem Namen des künftigen Beitragszahlers abmelden bei GEZ Gebührenzentrale, 50439 Köln.

Wer kann sich von der Beitragspflicht befreien lassen?

Wer bestimmte Voraussetzungen erfüllt, kann sich von der Rundfunkbeitragspflicht befreien lassen oder Ermäßigung beantragen. Zum Ende des Jahres 2011 waren rund 3,19 Millionen private Rundfunkteilnehmer von der Gebührenpflicht befreit.

Stärkste Gruppe (1.615.413 Teilnehmer) waren Empfänger von Sozialhilfe und Arbeitslosengeld II. Die neuen Antragsformulare gibt es ab November 2012 unter www.rundfunkbeitrag.de , bei Städten und Gemeinden sowie den zuständigen Behörden. Der ausgefüllte Antrag mit dem entsprechenden Nachweis sollte bis zum 20. Dezember eingereicht werden, damit die Befreiung oder Ermäßigung ab Januar 2013 wirksam wird. Anspruch auf Beitragsbefreiung haben:

Anspruch auf den reduzierten Beitrag von 5,99 Euro pro Monat haben Schwerbehinderte mit RF-Eintrag.

Was zählt als Abbestellungsgrund?

Nach den neuen Regeln ist der Rundfunkbeitrag an das "Innehaben" einer Wohnung gekoppelt, wie es altdeutsch heißt. Entfällt diese Voraussetzung erlischt auch die Beitragspflicht. Gründe der Wohnungsaufgabe können sein:

Formal muss für eine wirksame Abmeldung der schriftliche Nachweis erbracht werden,
dass keine Wohnung mehr unterhalten wird.

Wer bestimmt die Höhe des Rundfunkbeitrags?

Rundfunk ist in Deutschland Ländersache. Er fällt unter die Kulturhoheit der 16 Bundesländer. Die Landesparlamente beschließen in einem einheitlichen Rundfunkbeitragsstaatsvertrag die Beitragshöhe. Im Vorfeld spielt die "Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs", kurz KEF genannt, eine wichtige Rolle. Dieses staatliche Gremium aus Vertretern aller Bundesländer verhandelt mit den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten für mehrere Jahre die Finanzierung und gibt eine eigene Empfehlung an die Landesregierungen.

Wie hoch sind woanders die Rundfunkgebühren?

Deutschland gibt zwar insgesamt das meiste Geld zur Finanzierung eines des öffentlichen Rundfunksystems aus, gemessen an den Rundfunkgebühren von 215,76 Euro jährlich zählt die Bundesrepublik aber nicht zur Spitze. Schweizer Bürger müssen umgerechnet 382 Euro zahlen, die Österreicher 276 Euro.

In Italien dagegen beträgt die Rundfunkgebühr nur 108,96 Euro pro Jahr, in Albanien uns lächerlich erscheinende 6 Euro (50 Cent pro Monat). Bei unseren Nachbarn Belgien, Niederlande, Luxemburg, auch in Spanien und Portugal, erhält der öffentliche Rundfunk staatliche Zuschüsse aus Steuermitteln. In Griechenland und Zypern ist die Rundfunkgebühr im Strompreis enthalten.

Was sagen die Datenschützer?

Wo zig Millionen personenbezogene Daten gespeichert und bewegt werden, ist Datenschutz automatisch ein wichtiges Thema. Neue Fragen tauchen auf, wenn die Gebührenbehörde demnächst unter dem Stichwort "Wohnung" zusätzliche Daten über die Mitbewohner erhält und mit den kommunalen Melderegistern abgleicht. Thilo Weichert, der Datenschutzbeauftragte des Landes Schleswig-Holstein hat in einem "Bild"-Interview bereits deutliche Vorbehalte angemeldet: "Es geht der Behörde nicht darum, dass die Beiträge gezahlt werden. Vielmehr werden auf Vorrat Daten gehamstert, um in künftig noch nicht absehbaren Fällen Beitragspflichtige fassen zu können. Was die Kölner Gebührenritter in Zukunft von den Haushalten wissen wollen, ist mit einem zeitgemäßen Datenschutz nicht zu vereinbaren."

Welche Aussicht haben Klagen?

Alle bisherigen Versuche, die Rundfunkgebühr mit juristischen Mitteln zu Fall zu bringen, sind gescheitert. In mehreren Grundsatzentscheidungen hat das Bundesverfassungsgericht das öffentlich-rechtliche Rundfunksystem in Deutschland einschließlich seines Finanzierungsmodells bestätigt und den Rundfunkanstalten eine Bestands- und Entwicklungsgarantie bescheinigt.

Aktuell ist eine Klage beim Bayerischen Verfassungsgerichtshof anhängig. Der Passauer Rechtsgelehrte Ermano Geuer klagt gegen die Rechtmäßigkeit des neuen Rundfunkänderungsstaatsvertrages.

Seine Hauptargumente hat er in einem Zeitungsinterviews formuliert: "Das Gesetz widerspricht dem Gleichheitsgrundsatz, wonach Gleiches gleich und Ungleiches ungleich zu behandeln ist. Den Rundfunkbeitrag soll jeder Haushalt zahlen — egal, ob er einen Fernseher hat oder nicht. Dadurch wird Ungleiches gleich behandelt. Außerdem gibt es ein kompetenzrechtliches Problem. Weil der Rundfunkbeitrag kein Beitrag ist, sondern eine Steuer. Im Unterschied zur Steuer ist ein Beitrag an eine Gegenleistung geknüpft. Das ist beim Rundfunkbeitrag aber nicht der Fall. Jeder muss ihn zahlen, egal ob er die Leistung in Anspruch nimmt oder nicht. Deshalb ist der Rundfunkbeitrag eine Steuer. Die Länder haben aber nicht das recht dazu, eine Steuer zu beschließen."

(anch/rm/jco/felt)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort