Italienischer Supermarkt boykottiert Aufstrich Palmöl in Nutella — wie gesundheitsschädlich ist das?

Düsseldorf · Nutella gehört zu den beliebtesten Brotaufstrichen der Deutschen. Nun kommt die Haselnusscreme in Verruf, denn das darin enthaltene Palmöl soll krebserregend sein. Während die erste Supermarktkette in Italien Nutella aus dem Sortiment nimmt, macht Ferrero sogar Werbung für Palmöl.

Neun witzige Fakten über Nutella
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Foto: dpa

Lippenstifte, Waschmittel, Margarine, Eiscreme und Backwaren - Palmöl ist das in der Lebensmittelherstellung am meisten verwendete pflanzliche Öl und in etwa jedem zweiten Supermarktprodukt enthalten. Zugleich steht das Produkt aber auch seit Jahren in der Kritik. Umweltschützer bemängeln immer wieder, dass für Palmölplantagen Urwälder abgeholzt werden und Orang-Utans ihren Lebensraum verlieren.

Verbraucherschützer und Gesundheitsbehörden, warnen seit Jahren vor gesundheitlichen Risiken. Palmöl soll krebserregend sein. Nun haben verschiedene Unternehmen in Italien reagiert. Nachdem die Europäische Lebensmittelbehörde EFSA im Mai 2016 erneut vor Palmöl warnte, entschied der Lebensmittelhersteller Barilla, kein Palmöl mehr für seine Produkte zu verwenden. Auch Coop, die größte Supermarktkette des Landes, hat 200 Produkte aus dem Sortiment genommen, die Palmöl enthalten.

Der Lebensmittelhersteller Ferrero allerdings dreht den Spieß um und macht sogar Werbung für Palmöl. Denn ihm hat der Süßwarenhersteller aus dem Piemont die cremige, glänzende Textur seines wohl bekanntesten Produkts, der Nuss-Nugat-Creme Nutella, zu verdanken. "Wenn wir Nutella ohne Palmöl herstellen würden, würden wir einen schlechteren Ersatz für das echte Produkt produzieren, das wäre ein Schritt zurück", sagt Ferrero-Einkaufsleiter Vincenzo Tapella zur Nachrichtenagentur Reuters. Das Unternehmen hat in Italien eine breit angelegte Werbekampagne gestartet - mit ganzseitigen Anzeigen in Zeitungen. In Fernsehspots wirbt Tapella zudem dafür, dass das von Ferrero verwendete Palmöl sicher sei, "weil es aus frisch gepressten Früchten gewonnen und bei kontrollierten Temperaturen verarbeitet wird".

Laut EFSA sind Lebensmittel, die Palmöl enthalten, dann krebserzeugend, wenn das Öl in der Produktion auf über 200 Grad erhitzt wurde. "Das machen die Hersteller, um Bitterstoffe aus allen Ölen herauszufiltern", sagt ein Sprecher des Bundesinstituts für Risikobewertung. "Dabei können sich sogenannte 3mcpd-Fettsäureester bilden, und die sind krebserregebd." Das Problem: Ob Ferrero tatsächlich ein Verfahren einsetzt, das niedrigere Temperaturen als 200 Grad erfordert, ist nicht nachzuvollziehen. "Die Hersteller stehen in der Verantwortung dafür zu sorgen, dass ihre Produkte nicht gesundheitsschädlich sind", sagt der Sprecher des BfR. "Gesetzliche Vorgaben oder einen festgelegten Schwellenwert gibt es nicht."

Auch riet das EFSA Verbrauchern nicht dazu, auf Palmöl grundsätzlich zu verzichten. Die Europäische Kommission hat sich des Themas inzwischen angenommen und will bis Ende dieses Jahres eine Richtlinie veröffentlichen, wie Kommissionssprecher Enrico Brivio sagt. Dazu könnte gehören, die Gehalte an potenziell schädlichen Glycidyl-Fettsäureester (GE) zu begrenzen, die bei der Raffination entstehen. Es werde aber kein Verbot von Palmöl geben.

So verarbeitet Ferrero Palmöl

Nach eigenen Angaben nutzt Ferrero ein Verfahren, das Temperaturen unter 200 Grad und einen extrem niedrigen Druck kombiniert, um Kontaminationsstoffe zu minimieren. Dieses Verfahren dauert länger und kostet 20 Prozent mehr als das Verfahren mit hohen Temperaturen, wie Ferrero erklärt. Der Anteil an GE werde damit so stark verringert, dass diese kaum mehr nachgewiesen werden könnten.

Auch andere Lebensmittelkonzerne wie Unilever und Nestle verwenden Palmöl in ihren Produkten, aber kein anderer großer europäischer Nahrungsmittelkonzern fährt so starke Geschütze auf, wenn es darum geht, den Einsatz von Palmöl zu verteidigen. Der Süßwarenhersteller habe "Hunderttausende von Tests" auf unerwünschte Stoffe bei dem von ihm verwendeten Palmöl und den fertigen Produkten gemacht, sagt Ferrero. Die Verteidigungstaktik scheint nicht von ungefähr zu kommen: Im vergangenen Geschäftsjahr bis Ende August 2016 fiel der Umsatz mit Nutella in Italien um rund drei Prozent - in den letzten vier Monaten 2016 zog er wieder um vier Prozent an.

Was Ferrero mit Nutella verdient

Die weltweiten Umsätze mit Nutella blieben von der EFSA-Warnung ungetrübt und legen nach Angaben des Unternehmens um jährlich fünf bis sechs Prozent zu. Insgesamt setzte Ferrero im vergangenen Geschäftsjahr zehn Milliarden Euro um, wozu Nutella zwei Milliarden beitrug. Ferrero fürchtet aber offenbar nicht nur um Textur und Geschmack seines beliebten Aufstrichs. Palmöl ist in Nutella seit der Erfindung in den 1960er-Jahren enthalten. Seit 2013 wird der Aufstrich nur noch mit Palmöl aus rückverfolgbarer nachhaltiger Produktion hergestellt. Ein Wechsel zu einem anderen Pflanzenöl könnte die Italiener teuer zu stehen kommen. Denn Palmöl ist bei Preisen von rund 800 Dollar das günstigste Pflanzenöl verglichen mit Sonnenblumenöl, das 845 Dollar die Tonne, und Rapsöl, das 920 Dollar die Tonne kostet. Ferrero setzt pro Jahr rund 185.000 Tonnen Palmöl ein. Ein Ersatz durch andere Öle könnte das Unternehmen demnach jährlich zwischen 8 und 22 Millionen Dollar zusätzlich kosten.

(ham / reuters)
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