Schreddern, Kupieren und Kastration "Wir Landwirte stehen im Regen"

Düsseldorf · Das Urteil zum Verbot vom Kükenschreddern ist gefallen - das Töten von männlichen Küken bleibt legal. Seit 2016 sollen Landwirte in NRW allerdings auf das Kupieren von Schweinen verzichten. Kastrieren ist noch bis Ende 2018 erlaubt. Ein Landwirt erklärt die Folgen.

 Landwirt Michael Reber hat eine schwere Entscheidung getroffen. Er steigt aus der Schweinezucht aus.

Landwirt Michael Reber hat eine schwere Entscheidung getroffen. Er steigt aus der Schweinezucht aus.

Foto: TopAgrar

Michael Reber ist ein bloggender Bauer. Er kommuniziert mit Verbrauchern und Kollegen über aktuelle landwirtschaftliche Themen bei Facebook und auf seiner Internetseite innovativelandwirtschaft.de.

Dabei wird die Entwicklung der Branche Michael Reber zukünftig nur noch nebensächlich betreffen, denn der Schweinebauer gibt auf. Zu Hochzeiten hatte er 1400 Schweine. Doch das reichte nicht, um seine vierköpfige Familie zu ernähren. Schweren Herzens hat er entschieden: Bis Ende August wird der Stall leer sein.

Herr Reber, ist das Urteil zum Kükenschreddern die richtige Entscheidung?

Reber: Ich persönlich sehe das Kükenschreddern sehr kritisch, Lebewesen nur aufgrund ihres Geschlechts zu töten - mit dem Gedanken tue ich mich schwer, aber ich bin in dem Fall auch nur Verbraucher, kein Fachmann. Dieses Vorgehen ist jedoch auch die Folge von Forderungen aus der Politik: Jahrzehntelang wurde von der Landwirtschaft gefordert, dass sie effizienter werden soll. Dass Nahrungsmittel preisgünstiger werden müssen, damit die Gesellschaft mehr Einkommen für anderen Konsum hat. Jetzt versucht man seit einigen Jahren eine Rolle rückwärts zu machen. Die Landwirte werden dabei immer zuerst an den Pranger gestellt und im Regen stehen gelassen.

Sie wollen bis Ende August der Schweinezucht den Rücken kehren. War es eine leichte Entscheidung?

Reber: Überhaupt nicht. Ich habe den Hof hier in Schwäbisch Hall von meinen Eltern übernommen, davor haben ihn meine Großeltern aufgebaut. Ich dachte, es wird besser, sobald ich es ausgesprochen habe, aber meinen Eltern mitzuteilen, dass das, womit sie den Hof groß gemacht haben, heute wirtschaftlich nicht mehr tragbar ist, war sehr hart.

Warum lohnt sich die Schweinehaltung für Sie nicht mehr?

Reber: Zu Hochzeiten hatten meine Frau und ich 1400 Schweine, heute noch 900. Ferkel und Futterkosten sind gedeckt, aber trotzdem müssen Gehälter der Angestellten und Kredite bezahlt werden. Im Moment machen wir pro Schwein 20 Euro Verlust. Wirtschaftlich ist das schon seit zehn Jahren nicht mehr, mit 1400 Schweinen kann ich nicht mal eine vierköpfige Familie ernähren. Das Getreide könnte ich besser direkt verkaufen, als es an die Schweine zu verfüttern.

Was kostet denn ein Kilo Schweinefleisch?

Reber: Im Moment 1,42 Euro pro Kilo geschlachtetes Fleisch. Seit Anfang des Jahres ist der Preis schon wieder um 20 Cent gesunken. Das geht so nicht mehr. Es muss auch etwas für den Landwirt übrig bleiben. Gerade wenn man auch versucht, in das Tierwohl zu investieren.

Welche Investitionen haben Sie in diesem Bereich getätigt?

Reber: Wir haben vor einigen Jahren den Stall umgebaut, die Schweine haben dadurch zehn Prozent mehr Platz erhalten. Wir haben Abwechslung in der Bucht durch Stroh über Raufen für alle Schweine.

Und auch neue Verordnungen machen den Landwirten das Leben schwer?

Reber: Das Kupierverbot, also das Verbot vom routinemäßigen Kürzen des Ringelschwanzes, ist ein Problem. Denn es gibt bisher keine Lösung, die überall funktioniert, keine praktikable Alternative. Da hätte man schon vor Jahren forschen sollen, aber jetzt plötzlich wird unter Druck nach Lösungen gesucht und die Bauern lässt man mit den dann auftretenden Problemen einfach alleine.

Warum ist das Kupieren denn nötig?

Reber: Sonst beißen sich die Schweine bei Störungen der Gesundheit oder anderen Problemen während der Aufzucht gegenseitig die Schwänze an. Und wenn es zu diesem Kannibalismus kommt, sieht der Stall aus wie ein blutiges Schlachtfeld. Die Landwirte haben bisher die Schwänze der Ferkeln innerhalb der ersten sieben Tage nach der Geburt um ein Drittel kürzen dürfen, wenn der Tierarzt hierfür die Notwendigkeit gesehen hat. Das ist ein kurzer Eingriff, nachdem die Tiere bereits nach wenigen Minuten wieder munter miteinander spielen.

Wer fordert das Verbot?

Reber: Vor allem Tierschützer, aber auch die Politik auf Druck der Tierschützer sowie letztendlich auch der Handel. Uns Landwirten wird vorgeworfen, dass wir die Tiere in der konventionellen Tierhaltung den Haltungsbedingungen anpassen und nicht andersrum. Dabei tritt dieses Phänomen des Kannibalismus auch auf Biohöfen mit Auslauf und mehr Platz auf. Das Problem ist aber nicht die Veränderung, auch Landwirte müssen mit der Zeit gehen und wenn es praktikable Alternativen zum Kupieren gibt, ist das sicherlich ein Fortschritt. Aber die sind im Moment noch nicht in Sicht.

Und wie sieht es bei der Kastration aus?

Reber: Das Fleisch von geschlechtsreifen Ebern, die nicht kastriert wurden, hat einen Geschlechtsgeschmack ähnlich dem von einem alten Hammel. Wenn Sie das braten, kommt Geschlechtsgeruch aus der Pfanne und das ist wirklich ekelhaft. Deshalb werden die Ferkel auch schon in der ersten Woche ihres Lebens kastriert. Aber Aldi beispielsweise kauft ab 2017 nur noch Fleisch von nicht kastrierten Schweinen.

Und das soll jetzt verboten werden?

Reber: Ja, Tierschützer sagen, es gebe keinen vernünftigen Grund, den Tieren diese Schmerzen zuzufügen. Bisher wurde die Kastration unter Schmerzmitteln durchgeführt. Das kostet den Bauern 50 Cent pro Ferkel. Manche fordern, dass es unter Betäubung passieren soll, dann muss ein Tierarzt anwesend sein und das kostet fünf Euro pro Ferkel. Das Kastrieren wird aber wohl bald komplett verboten. Es gibt auch Alternativen, da wird mithilfe von Medikamenten das Hodenwachstum gestoppt.

Was sind die Konsequenzen, wenn sich die Tierhaltung für Landwirte nicht mehr lohnt?

Reber: Dann wird das Fleisch und die Milch bald nur noch aus dem Ausland kommen. Dann haben zwar alle ein gutes Gewissen, aber ob das für das Tierwohl wirklich besser ist, bezweifle ich. Wir Landwirte haben aber einen großen Fehler gemacht: Wir haben 30 bis 40 Jahre nicht mehr kommuniziert, niemanden auf die Höfe gelassen, keine Aufklärung betrieben. Wir haben hingenommen, dass über unseren Kopf hinweg entschieden wurde und nur auf Effizienz hingearbeitet. Das gilt es, wieder zu ändern.

Welche Schuld trifft die Verbraucher an den Entwicklungen in der Landwirtschafts-Branche?

Reber: Schuld in dem Sinne keine. Nur ist das Einkaufsverhalten schizophren! Auf der einen Seite wird mehr Tierwohl gefordert, aber an der Ladentheke wird zum überwiegenden Teil zum billigsten Angebot gegriffen. Mehr Tierwohl kann es nicht zum Nulltarif geben - dafür haben die Bauern kein Geld mehr.

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