Tierquälerei in Wollbetrieben Was Sie im Winter tragen sollten - und was nicht

Düsseldorf · Wollpulli, Daunenjacke und Lederstiefel - mit dem nahenden Herbst beginnen die Ersten, sich mit warmer Kleidung einzudecken. Doch für viele der Produkte müssen Tiere grausame Qualen erleiden. Lesen Sie, was nach Recherchen von Tierschützern hinter den Kulissen der Wollbetriebe wirklich passiert.

 In einem australischen Wollbetrieb, schlägt ein Arbeiter mit der Faust auf ein Schaf ein.

In einem australischen Wollbetrieb, schlägt ein Arbeiter mit der Faust auf ein Schaf ein.

Foto: Peta e.V.

Dass in vielen Mast- und Zuchtbetrieben grausame Zustände herrschen, haben verschiedene TV-Dokumentationen offen gelegt. Vielerorts werden die Tiere getreten, hin- und hergeworfen oder durch grobe Handgriffe getötet.

Branchenabhängig sind diese Zustände jedoch nicht. Auch in der Produktion von Winterbekleidung etwa von Wollpullis mit Angoraanteil und Daunenjacken sind große Missstände vorzufinden, das haben weltweite Recherchen der Tierschutzorganisation Peta gezeigt:

Angora - Wenn der Pulli besonders flauschig ist, liegt das oftmals an einem Anteil von Angorawolle. Die stammt von dem gleichnamigen Kaninchen. "In den Schurstellen weltweit herrschen jedoch furchtbare Bedingungen", sagt Frank Schmidt, Kampagnen-Leiter bei Peta. "Die Angorakaninchen werden wie früher die Hühner in Boxen so klein wie in Legebatterien gehalten. Meist sind das Drahtkäfige ohne Buddelmöglichkeit und ohne richtigen sozialen Kontakt, der für die Tiere aber zum Instinktverhalten gehört."

Realitäten wie diese fand Schmidt in verschiedenen chinesischen Wollbetrieben - derzeit stammt rund 90 Porzent der Angorawolle aus dem asiatischen Land. "Letztlich werden die Tiere auf ein Brett gespannt und lebendig ohne Betäubung gerupft. Sie kreischen dabei laut vor Schmerzen." Der mit dieser Prozedur verbundene Stress ist so groß, dass viele der Angorakaninchen ihn nicht aushalten. Sie sterben anschließend an Herzversagen oder auch an den Folgen der Unterkühlung.

Ein Angorakaninchen liegt auf eine Art Streckbank gespannt, während der Schur.

Ein Angorakaninchen liegt auf eine Art Streckbank gespannt, während der Schur.

Foto: Peta e.V.

Auch die Textilindustrie hat inzwischen auf solche Berichte über die Zustände bei der Gewinnung von Angora-Wolle reagiert. H&M kündigte Ende 2013 an, Angora-Produkte aus dem Sortiment zu nehmen. Der Gesamtverband Textil und Mode Textil erklärte dagegen, in Deutschland geschehe die Gewinnung von Angora-Wolle auf schonende Weise. Tierschützer halten dagegen, der Großteil der in Deutschland verkauften Angora-Produkte stamme nicht aus deutscher Herstellung.

Daune - Auch die Gänsedaune, besonders beliebt als Füllmaterial für Jacken und Bettdecken, wird laut Tierschützern vielen Tieren am lebendigen Leib und ohne Betäubung ausgerissen. "Obwohl es eigentlich verboten ist, das zu tun", sagt Schmidt. "Aber die Hersteller können nicht nachvollziehen, welche Praktiken an den Zuchtbetrieben herrschen, und verwenden deswegen dennoch häufig Daunen, die lebend gerupft wurden." Üblich sei es bei vielen Betrieben, die Gänse insgesamt drei mal zu rupfen. Zwei Mal vor der Schlachtung, ein drittes Mal danach. Zwar sollen spezielle Siegel die Tiere vor dem Lebend-Rupf schützen, wegen der fehlenden Transparenz kann dies jedoch nicht sichergestellt werden. Entsprechende Praktiken fand Schmidt bei Recherchen beispielsweise in Polen, Ungarn und China.

Die Stiftung Warentest hat sich Ende 2013 bei einem Test von Daunendecken auch mit der Tierschutz-Frage beschäftigt. Das Ergebnis: Kein einziger der elf untersuchten Anbieter konnte oder wollte belegen, dass die Tiere nicht lebend gerupft werden. Auch die Anbieter, die dem Verbraucher ausdrücklich bescheinigen, dass die verwendeten Daunen und Federn nicht von lebenden Tieren stammen, lieferten den Testern keinen entsprechenden Nachweis.

Leder - Die Lederherstellung ist die einzige, die auch konkrete negative Konsequenzen für den Menschen hat. Wie Peta aufdeckte, werden beispielsweise in Bangladesch täglich tausende Kühe und Ochsen geschlachtet, und deren Häute gegerbt. "Für diese Arbeit werden in vielen Fällen Kinder eingesetzt", sagt Schmidt. Da beim Gerben von Leder auch starke Chemikalien wie Chrom eingesetzt werden, ist die Arbeit extrem schädlich für ihre Gesundheit. "Für den Verbraucher in Deutschland sind diese Vorgänge aber quasi überhaupt nicht nachvollziehbar."

Auch Initiativen wie "Aktiv gegen Kinderarbeit" weisen auf die Gefahren der Lederproduktion hin. Kinderarbeit sei in diesem Industriezweig in Bangladesch, Pakistan und Indien (aus diesen Ländern stammen viele in Deutschland verkaufte Produkte) besonders weit verbreitet. Kinder seien zum Beispiel häufig für das Auspacken von Fässern mit Chemikalien zur Behandlung des Leders zuständig.

Schafswolle - Ähnliche Zustände wie bei den Angorakaninchen sind auch in Schurstellen für Schafswolle zu finden. "Die Schafe werden getreten, fixiert, und dann maschinell geschoren. Das allein ist schon Stress genug für die Tiere", so der Kampagnen-Leiter von Peta, "doch die Tiere werden beim Scheren oft schwer verletzt, sind aber ohne Betäubung und werden nachträglich nicht behandelt." In der Folge würden viele Tiere an den Folgen der schwer entzündeten und eitrigen Verletzungen verenden. Zustände wie diese konnten die Peta-Mitarbeiter bei 19 Schurbetrieben in Australien aufdecken.

Alternativen - Doch der Kauf solcher Produkte ist eigentlich längst nicht mehr notwendig, wie Frank Schmidt erklärt: "Inzwischen gibt es viel vegane Mode. Sogar Bergsteiger können mit sogenannten Polar-Tec-Fasern problemlos auf tierische Wolle verzichten, ohne frieren zu müssen." Auch Viskose, die auf der Basis von Holz hergestellt, und dann chemisch weiterverarbeitet wird, eignet sich sehr gut. "Was viele Verbraucher vielleicht auch unterschätzen, ist die ökologische Komponente. Da für die Kunstfaser keine Wiesen abgegrast werden, keine Böden versauern und keine Treibhausgase entstehen, hat sie ein wesentlich besseres ökologisches Gesamtergebnis, und das auch dann, wenn in manchen Produktionsvorgängen etwas Erdöl verwendet wird", so Schmidt.

Wer auf den Labeln nach den richtigen Fasern Ausschau halten will, sollte folgende Begriffe kennen:

(ham)
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