Ratgeber Für wen sich eine private Unfallversicherung lohnt

Hamburg/Berlin · Private Unfallversicherungen erfreuen sich unter den Deutschen großer Beliebtheit – und das, obwohl nur wenige Unfälle wirklich bleibende Schäden hinterlassen. Wir geben einen Überblick, wann sich eine solche Police lohnt.

 Eine Person trägt eine Fuß-Orthese (Symbolfoto).

Eine Person trägt eine Fuß-Orthese (Symbolfoto).

Foto: dpa-tmn/Christin Klose

Ein Fehltritt auf der Leiter, ein eisglatter Gehweg im Winter: Wenn es richtig blöd läuft, kann eine kleine Unachtsamkeit das Leben verändern. Selbst vermeintlich harmlose Unfälle können bleibende Schäden hinterlassen. Wer sich vor den finanziellen Folgen schützen möchte, kann eine private Unfallversicherung abschließen.

Die Angst der Deutschen vor so einem Unfall scheint recht groß zu sein. Rund 25 Millionen Verträge gibt es laut Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV). Dabei stufen Verbraucherschützer eine Unfallversicherung nicht gerade als sonderlich wichtig ein. „Die Unfallversicherung ist eine grundsätzlich nachrangige Versicherung“, sagt Claudia Frenz, Pressereferentin beim Bund der Versicherten.

„Vorab sollte man deshalb solche Absicherungen prüfen, die wichtiger sind, wie zum Beispiel die Absicherung der Arbeitskraft oder die Privathaftpflichtversicherung.“

Die Statistiken stützen ihre Aussage: Während jeder Vierte einmal im Leben berufsunfähig wird, sind lediglich ein Prozent aller Schwerbehinderungen durch einen Unfall verursacht worden. Das zeigen Zahlen der Deutschen Aktuarvereinigung und des Statistischen Bundesamts.

Private Vorsorge kann Lücke zu gesetzlicher Hilfe schließen

Wer bereits die wichtigsten Policen abgeschlossen hat und sich noch weiter absichern möchte, kann aber über eine private Unfallversicherung nachdenken. Sie schließt eine Lücke: „Die meisten Unfälle geschehen in der Freizeit, beim Sport oder im Haushalt. Die gesetzliche Unfallversicherung jedoch leistet bei Unfällen in der Freizeit nicht“, so Frenz. Gesetzlich unfallversichert ist jeder Arbeitnehmer am Arbeitsplatz oder auf dem Weg dorthin. Gleiches gilt für Schüler.

„Ein Vertrag kann sinnvoll sein für Personen, die keine Berufsunfähigkeitsversicherung abschließen können. Dann ist wenigstens das Unfallrisiko abgedeckt“, ergänzt Kirsten Schiekiera, Expertin für Versicherung und Recht bei der Stiftung Warentest.

Für Senioren gibt es außerdem spezielle Verträge mit sogenannten Assistance-Leistungen. Die Versicherung organisiert nach einem Unfall Hilfe im Haushalt, Fahrdienste oder Pflege. Das kann helfen, wenn Angehörige keine Unterstützung leisten können.

Versicherungssumme setzt sich aus mehreren Faktoren zusammen

Die eigentliche Leistung einer privaten Unfallversicherung ist aber meist die Auszahlung der Versicherungssumme. „Damit lässt sich zum Beispiel das Haus barrierefrei umbauen, ein behindertengerechtes Auto anschaffen oder das Geld kann den Verdienstausfall für einige Zeit abfedern“, sagt Schiekiera.

Damit der Anbieter leistet, muss ein Unfall eine Invalidität verursacht haben. Das bedeutet, dass ein körperlicher oder geistiger Schaden mindestens drei Jahre bestehen bleibt und keine Besserung zu erwarten ist. Wer zum Beispiel durch einen Unfall ein Bein verliert, hat Anspruch auf Zahlung. War der Grund des Verlusts eine Krankheit, gibt es dagegen kein Geld.

Wie viel genau die Versicherung zahlt, hängt vom gewählten Vertrag ab. Und da wird es kompliziert. Die Summe wird aus einem Zusammenspiel unterschiedlicher Faktoren berechnet: der Versicherungssumme, der Gliedertaxe, der Progression und des Progressionsverlaufs.

Mit der Gliedertaxe bestimmt das Unternehmen, wie hoch die Invalidität ist, wenn ein gewisser Körperteil verloren geht oder nicht mehr funktionsfähig ist. Eine große Zehe bedeutet zum Beispiel fünf Prozent Invalidität, ein Arm unterhalb des Ellenbogengelenks 60 Prozent. So steht es in den Musterbedingungen des GDV, die einzelnen Versicherer können aber andere Werte festlegen.

Die Progression gibt an, um wie viel der Anbieter die Versicherungssumme je nach Fall erhöht. Beträgt sie 500, zahlt die Versicherung bis zum Fünffachen der vereinbarten Summe aus. Die Progressionskurve zeigt, wie sich dieser Wert abhängig von der Invalidität entwickelt.

Risikosportarten sind häufig nicht mitversichert

„Durch die verschiedenen Faktoren kann die Leistung sehr unterschiedlich ausfallen, selbst wenn zwei Kunden dieselbe Versicherungssumme vereinbart haben“, sagt Schiekiera. Das macht einen Tarifvergleich nicht einfach. Entscheidend ist, dass die Summe gerade bei schweren Behinderungen ausreichend ist. Die Stiftung Warentest empfiehlt deshalb, dass eine private Unfallversicherung bei einer vollständigen Invalidität mindestens 500.000 Euro an Leistung bieten sollte.

Wer sich für einen Vertrag interessiert, sollte sich mit den Vertragsbedingungen genau auseinandersetzen. Denn mögliche Ausschlüsse im Kleingedruckten können im Einzelfall dazu führen, dass die Versicherung nicht zahlt. „Oft werden zum Beispiel Risikosportarten wie Motorradfahren oder Skifahren von einer späteren Leistung ausgeschlossen“, sagt Schiekiera. Darum sollte man darauf achten, dass der Tarif zum Leben und zu den Hobbys passt.

Wer sich einen Vergleich auf eigene Faust nicht zutraut, sollte sich beraten lassen. „Auch weil schon das Beantworten der Gesundheitsfragen, die in der Regel bei der Antragstellung erfolgt, zu Fragen oder Nachfragen führen kann“, so Frenz. „Eine falsche oder unvollständige Beantwortung kann dann später im Leistungsfall zu Leistungskürzungen führen.“

(hebu/dpa)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort