Azoren Feinste Allgäu-Idylle im Atlantik

Die größte Azoreninsel São Miguel ist ein Wanderparadies - und vermittelt angesichts unzähliger Kühe auf sattgrünen Wiesen auch Allgäu-Atmosphäre. Passend dazu wird ein ergreifender Fado im Kuhstall serviert. Und "Kommissar Rex" spielt auch eine Rolle.

So schön sind die Azoren
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Über dem Ort Vila Franca do Campo, der früheren Hauptstadt der größten Azoren-Insel São Miguel, thront die Kapelle Nossa Senhora da Paz. Das Besondere ist aber nicht das Kirchlein selbst, sondern die sich über zehn Terrassen erstreckende gewaltige Treppengalerie, die hinaufführt und als Kreuzweg konzipiert ist - ein bisschen Kondition ist da schon nötig.

Für die kleine Mühe beim Aufstieg entlohnt oben ein prächtiger Blick über die Südküste der Insel - und sorgt beim Betrachter zudem für Erstaunen. Denn während beim Blick in die Ferne der tiefblaue Atlantik ins Auge fällt, schließt sich hinter der Kapelle ein ganz anderes Panorama auf: weitläufige und sanft geschwungene sattgrüne Wiesen mit unzähligen friedlich grasenden Kühen darauf. Ein klassisches Allgäu-Idyll also - und doch auch für diese mitten im Atlantik gelegene Insel charakteristisch, die rund 1400 Kilometer vom europäischen Festland entfernt liegt und sich über 64 Kilometer in der Länge und 16 Kilometer in der Breite erstreckt.

"São Miguel lebt vor allem von der Milchwirtschaft", klärt Diogo Santos auf. Der 33-Jährige ist auf São Miguel geboren, zeigt heute hauptberuflich Touristen die Schönheiten "seiner" Insel. Insgesamt leben gut 260.000 Menschen auf den neun Inseln der Azoren - knapp 140.000 davon auf São Miguel. Und rund 250.000 Kühe grasen auf den neun Inseln. Auf jeden Einwohner kommt rein statistisch betrachtet ungefähr also auch eine Kuh.

Auch auf diesem Gebiet kennt sich Santos gut aus - der Azoreaner hat Landwirtschaft studiert. Angesichts der Tatsache, dass er unmittelbar nach seiner Schulzeit lediglich ein Jahr lang in Deutschland lebte, spricht er ein bemerkenswert gutes Deutsch - und wartet dafür mit einer verblüffenden Erklärung auf: "Die Fernsehserie ,Kommissar Rex' ist hier äußerst populär. Auch ich gucke sie immer gerne."

Faszinierende Kraterseen
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Faszinierende Kraterseen

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Azoreaner schauen also mit großer Begeisterung einem fiktiven Wiener Polizeihund bei der Arbeit zu. Und da die Serie vom portugiesischen Fernsehen nicht synchronisiert wurde, sondern im Original mit Untertiteln ausgestrahlt wird, hat sich Santos über all die Jahre deutschtechnisch sehr fit gehalten - sehr zur Freude der Reisegruppe.

Diese führt Santos natürlich auch ins Gebiet der im Westen der Insel gelegenen Sete Cidades (sieben Städte). Das ist der berühmte riesige Vulkankessel (sechs Vulkane hat die Insel ingesamt) mit seinem nicht minder berühmten Postkartenmotiv auf den Lagoa Verde (Grüner See) und Lagoa Azul (Blauer See), die per Bogenbrücke verbunden sind und um die sich zahlreiche Sagen und Mythen ranken.

Der Aussichtspunkt Vista do Rei (Königsblick) ist aber nicht ganz so königlich - zum einen ist er überlaufen, zum anderen ist von dort der farbliche Unterschied der beiden Seen nicht zu sehen - zumindest nicht bei den Lichtverhältnissen an diesem Tag. Weit aufregender gerät da eine Erkundung der direkt am Vista do Rei gelegenen riesigen Hotel-Ruine - Gruselfaktor inklusive. Die Ruine zeugt von ambitionierten Plänen der jüngeren Vergangenheit, die sich als viel zu ambitioniert erwiesen haben.

Und auch nicht so abenteuerlustigen Zeitgenossen sei mit Nachdruck ein anderer Miradouro (Aussichtspunkt) an den Sete Cidades ans Herz gelegt: der Lagoa do Canario, der See des Kanarienvogels. Die Aussichtsplattform dazu heißt praktischerweise genauso wie der See und der Weg, der zum Aussichtspunkt führt.

Den erreicht man vom Parkplatz aus mittels eines gut viertelstündigen Fußwegs, bei dem etliche Höhenmeter gemacht werden. Belohnt wird der Wanderer mit einem atemberaubenden Blick über den Vulkankessel - unter anderem auch mit Aussicht auf die auf unterschiedlichen Höhen gelegenen Lagoa do Canario, Lagoa de Santiago und Lagoa Rasa (Seichter See). Fazit: eindeutig der schönere Königsblick.

Entlang des steilen Kraterrands führt ein Wanderweg zum Ort Sete Cidades hinunter - ein Wanderparadies ist São Miguel ohnehin. Generell geht es auf der Insel entschleunigt zu. "Man hat hier keine Eile", versichert Santos. Das gilt auch für das Hauptstädtchen Ponta Delgada samt seinen bemerkenswert schmucken Kreisverkehr-Inseln und dem überschaubaren Flughafen, der João Paulo II heißt - Papst Johannes Paul II. hatte die Insel 1991 besucht.

Der berühmteste Sohn der Insel dürfte aber Fußballspieler Pauleta sein. Der heute 43-Jährige war mit 47 Toren lange Zeit Rekordtorschütze der portugiesischen Nationalmannschaft - bis Cristiano Ronaldo ihn überflügelte (seit der EM in Frankreich 122). Generell erhitzt Fußball auch auf São Miguel die Gemüter. Davon zeugt zum Beispiel die Friseurstube von Raposo in der Markthalle von Ponta Delgada. Dort sitzen an diesem Vormittag lauter Männer, von denen etliche dort nur Platz genommen haben, um intensiv über das Spitzenspiel des Vorabends zwischen Benfica Lissabon und FC Porto zu fachsimpeln - ihre Frauen erledigen in der Zwischenzeit den Einkauf. Markenzeichen von Raposo ist seine am Schaufenster liegende Gitarre, zu der der Maestro gerne auch während der Arbeit greift. Just in diesem Moment fühlt er sich aber nicht inspiriert - König Fußball ist schuld.

Zur Klampfe greift dafür Paolo auf der Quinta das Raiadas, einem gut 200 Jahre alten Bauernhaus an der Südwestküste der Insel in Ginetes. João gesellt sich dazu. Der kommt gerade vom Holzhacken. In Gummistiefeln und mit viel Inbrunst singt er traurige Lieder, begleitet von Paolo auf der Gitarre - ein beeindruckender Fado im Kuhstall.

Die Redaktion wurde von Rhomberg Reisen zu der Reise eingeladen.

(RP)
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