Der König der Wüsten-Winde

Die Falken-Jagd ist nicht nur ein beliebtes Hobby der Beduinen und Scheiche in Katar. Sie ist ebenso fest verwurzelt in der arabischen Kultur. Für einen guten Jagdfalken zahlen die Kataris mitunter einen sechsstelligen Betrag.

Die Sonne steht schon tief über Sanddünen und Meer, als die Geländewagen die einsame Straße verlassen. Im Höllentempo rasen sie durch den heißen Sand ins weite Nichts der Wüste. Dann verstummen die Motoren der mächtigen SUVs. In ihren weißen Thawbs steigen die eleganten Kataris aus den Wagen. Es ist später Nachmittag in Katar. Und abseits der imposanten Skyline von Doha treffen sich die Falkner in der Weite der Wüste mit ihrem Raubvogel zur traditionellen Jagd.

Mohammed öffnet die Türen seines weißen Landcruisers. Auf dem Rücksitz wartet sein Falke Lazam schon ungeduldig. Er zieht einen braunen Lederhandschuh über und setzt sich den Raubvogel auf den Arm. Dann greift Mohammed nach einer der Tauben im Drahtkäfig und wirft sie mit einem Schwung in die Luft. Wenige Sekunden später zieht er die Haube vom Kopf seines Vogels. Kurz orientiert sich Lazam. Die weiß umrandeten schwarzen Augen inspizieren die Umgebung. Dann schnellt der Kopf des Raubvogels ruckartig nach vorn. Er hat die Taube am Himmel entdeckt, fixiert seine Beute, breitet die grau-braunen Flügel aus, schwingt sich pfeilschnell in die Lüfte und verfolgt in rasanter Geschwindigkeit die Beute am Himmel.

Das kleine Emirat Katar liegt im Osten der arabischen Halbinsel. Nur 180 mal 80 Kilometer misst das Land, dass wie ein Finger an der Grenze zu Saudi Arabien ins Meer ragt. Und wie Wüste, Meer und Moscheen, Pferde- und Kamelrennen gehört auch die Falkenjagd zu Katar. Die Jagd mit den Raubvögeln ist nicht nur ein beliebtes Hobby der Beduinen und Scheiche und fest verwurzelt in arabischer Kultur, sondern auch eine große Passion der Männer im wohlhabenden Wüstenstaat.

Die Kataris sind eng verbunden mit ihrem Falken. Die Vögel leben auch keineswegs in Käfigen außerhalb des Hauses, sondern sitzen meist mit ihrer Haube über dem Kopf auf ihrem Falkenblog im heimischen Wohnzimmer. So unterschiedlich wie Terrier und Labrador sind auch die verschiedenen Falken. Vom gutmütigen ruhigen Jagdgefährten bis zum aggressiven Kämpfer gibt es für jeden Falkner und jeden Geldbeutel den passenden Partner. Ab etwa 2000 Euro ist ein einfacher Falke in den Läden auf dem Bazar in der Altstadt von Doha zu erwerben. Für gute Jagdfalken zahlen die Kataris gern das Zehn- oder sogar Hundertfache. Geld spielt keine Rolle im Land mit dem höchsten Pro-Kopf-Einkommen der Welt.

Obwohl die Jagd mit dem Falken eine Jahrtausende lange Geschichte hat, ist die Technik bis heute die gleiche. Voraussetzung für die erfolgreiche Jagd ist das perfekte Zusammenspiel von Mensch und Vogel. Dafür bedarf es neben Leidenschaft und Liebe regelmäßiges Training. Jagdsaison ist von September bis Februar. Danach sind die Falken in der Mauser und es ist mit Temperaturen bis über 50 Grad zu heiß im Wüstenstaat. Während der Saison trainieren die meisten Falkner mit ihren Vögeln im Morgengrauen und noch einmal bei Sonnenuntergang. Zur Ausrüstung des Falkners gehört ein fester Handschuh auf dem der Falke sitzt und mit einer Langfessel gehalten wird, eine lederne Haube, die das Tier vor Ablenkung schützt, ein Federspiel als Beute und natürlich der Jagdfalke.

Mohammed hat seinen Falken auf den Namen Lazam getauft - der Erfolgreiche! Er ist stolz auf seinen Vogel, der ein besonders schneller und kämpferischer Jäger ist. Auch heute hat seine Beute keine Chance. Die kleine graue Taube fliegt hektische Kurven am wolkenlosen Himmel, flattert hoch über dem heißen Wüstensand um ihr Leben. In rasanter Geschwindigkeit und eleganten Bögen verfolgt der gefiederte Jäger unter den Augen der Zuschauer seine Beute. Dann greift er die Taube mit seinen scharfen Krallen und reißt sie im Sturzflug mit sich zu Boden. Mohammed springt ins Auto und steuert den Wagen zu Falke und Beute. Er greift die tote Taube, öffnet ihren Körper und gibt dem Falken das Herz als Belohnung. Falkenjagd ist nichts für sensible Tierfreunde.

Bei der Landung ist Lazam eine Feder gebrochen. Eine nicht seltene Jagdverletzung. Aber für die kostbaren und liebevoll umsorgten Jagdfalken gibt es in Katar sogar eine Spezialklinik: das "Souq Waqif Falcon Hospital" in der Altstadt von Doha. Ob Knochenbrüche, Muskelrisse oder Federprothesen, von komplizierter Operation bis zur Krallen- und Schnabelpflege, ob stationär oder ambulant - das Team von Fachveterinären behandelt täglich rund um die Uhr etwa 200 Falken mit den verschiedensten Krankheiten und Verletzungen. Im reichsten der Emirate gehört auch die ärztliche Versorgung der Falken zum staatlichen Gesundheitssystem. Die Behandlung ist zwar nicht ganz umsonst, aber kaum eine medizinische Maßnahme kostet mehr als umgerechnet 20 Euro. Mit der Subventionierung möchte die Regierung Tradition und Kultur erhalten und jedem Falkner die Möglichkeit bieten sich der modernen Medizin anzuschließen.

Wie besorgte Mütter mit ihren Kindern stehen die Falkner mit ihren Raubvögeln auf der Faust am Empfangstresen. Mohammed berichtet kurz von den Beschwerden seines Jagdpartners, dann nehmen die beiden im eleganten Wartebereich der Hightech-Klinik Platz. Lazam mit der obligatorischen Haube über dem Kopf auf einem Block, Mohammed auf dem Ledersofa. Wenig später untersucht einer der Spezialisten unter dem kritischen Blick des Falkners den Raubvogel.

Lazam braucht eine Federprothese. Beim sogenannten Schiften geht es um die Reparatur der Schwanzfedern und Handschwingen des Vogels. Meist wird dabei das künstliche Implantat in den hohlen Federkiel eingeschoben, um mit diesem die Feder wieder zu reparieren. Nach dem Schiften sollte der Patient wieder voll flugfähig sein. Die Reparatur sollte im Idealfall bis zur nächsten Mauser halten. Schnell findet der Falkendoktor in einer der vielen Schubladen eine Ersatzfeder, die in Farbe, Länge und Breite zu Lazams glänzend braun-grauen Federkleid passt.

Zufrieden verlässt Mohammed das Hospital. Heute Abend beim Tee mit den Männern hat er viel zu erzählen. Morgen früh wird er dann wieder in die Wüste hinaus fahren. Mit seinem Falken und den anderen Männern. Und wieder wird Lazam beim Aufgang der Sonne pfeilschnell durch die Lüfte sausen.

Die Redaktion wurde vom Fremdenverkehrsamt Katar und Tui zu der Reise eingeladen.

(RP)
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