Strömungen, Wirbel, Kälte So gefährlich ist die Ostsee

Lübeck · Starke Winde machen die Ostsee derzeit für Badende zu gefährlichem Terrain. Mehrere Menschen kamen in diesem Monat bereits in den Wellen ums Leben. Doch auch das Baden in Flüssen und Seen in NRW ist tückisch, so die DLRG.

Strömungen, Wirbel, Kälte: So gefährlich ist die Ostsee
Foto: dpa, reh cul

Blauer Himmel, Sonnenschein, 20 Grad warmes Wasser - am Timmendorfer Strand herrscht scheinbar ideales Badewetter. Doch an vielen Stränden der Ostsee wehen die roten Flaggen über den Wachtürmen der Deutschen Lebensrettungsgesellschaft (DLRG). Auch auf Usedom herrscht Badeverbot. Denn seit Tagen peitscht starker Ostwind das Meer gegen den Strand und macht die See zur gefährlichen Falle. "Bis zum Wochenende soll es so windig bleiben, so lange ist das Baden verboten", sagt ein Rettungsschwimmer der Wachstation Timmendorfer Strand. Michael Kau aus Euskirchen macht dort gerade Urlaub. Er reagiert verständnisvoll: "Meine Jungs können zwar schwimmen, aber bei dem Wind ist das wirklich gefährlich." Andere Badegäste sind weniger einsichtig. "Die Wellen gehen zurück, daher gehen einige wieder ins Wasser", so der Rettungsschwimmer.

Nicht nur das Meer, auch andere Gewässer bergen tückische Gefahren - für den Badenden unsichtbar unter der Wasseroberfläche. Fließende Gewässer wie Rhein und Ruhr seien besonders problematisch und zum Baden ganz und gar nicht geeignet, so Michael Grohe von der DLRG Nordrhein: "Der Rhein ist vergleichbar mit einer Autobahn: Wir haben gewerblichen Schiffsverkehr mit Güterschiffen, die eine hohe Motorleistung haben. Dadurch entstehen Strömungen und Strudel, die noch zwei Kilometer weiter zu spüren sind."

Badeseen und Baggerlöcher seien nicht weniger gefährlich, die Gefahr sei aber eine andere. Steil abfallende Ufer und Pflanzen, die man nicht sehen kann, könnten in Seen zu Unfällen führen, sagt Grohe. In Baggerlöchern gäbe es oft Abbruchkanten. "An der einen Stelle kann man noch stehen, einen Meter weiter ist es plötzlich zu tief dafür." Zudem können in den künstlich angelegten Gewässern zurückgelassene Maschinenteile liegen, die für Badende gefährlich werden. Wer etwas unter der Wasserfläche berührt, mit dem er nicht rechnet, oder wer plötzlich den Boden unter den Füßen verliert, könne schnell in Panik geraten - eine gefährliche Situation, auch in Flüssen.

Trotz aller Warnhinweise bleiben zu viele Menschen leichtsinnig: Jedes Jahr ertrinken Hunderte Menschen. 2013 waren es 446 - davon 50 in NRW. 2012 waren es mit 383 deutlich weniger. Der Monat mit den meisten Badeunfällen ist statistisch gesehen der Juli: Im vergangenen Jahr kamen 125 Menschen ums Leben. Dabei sind es nicht Kinder und Jugendliche, die besonders häufig ertrinken. Ihnen werden wichtige Verhaltensregeln fürs Schwimmen in der Schule beigebracht. "Erwachsene hingegen denken manchmal, die Regeln seien für Anfänger - nicht für sie", sagt Michael Grohe. Dabei können auch gesunde Erwachsene schnell in Gefahr geraten. Etwa wenn sie nach dem Sonnenbaden ins Wasser laufen, ohne sich ans Nass zu gewöhnen. "Die Wasseroberfläche ist warm, doch in den unteren Schichten des Gewässers ist es viel kälter", sagt Grohe. Der Körper kann darauf mit Schnappatmung reagieren - in schweren Fällen könne dies zur Bewusstlosigkeit führen.

Am Timmendorfer Strand wie auch an Seen und Flüssen in NRW verändert sich der Boden ständig durch Winde - im Rhein etwa durch die Sogwirkung von Schiffen. Dadurch entstehen Unterströmungen. In der Ostsee ändert sich durch die Strömung auch die Lage von Sandbänken, was wiederum die Strömungsverhältnisse verändert, erklärt Philipp Knaack von der DLRG am Timmendorfer Strand. Für ihn und seine Kollegen ist die Situation derzeit auch nicht schön: "Statt unseren Rat anzunehmen, beschimpfen uns viele Gäste, Jugendliche ebenso wie Rentner."

Michael Grohe rät, generell nur an bewachten Badeseen schwimmen zu gehen, um nicht in Lebensgefahr zu geraten. Der Rhein sei keine Alternative. "Eltern lassen ihre Kinder auch nicht am Standstreifen der Autobahn spielen." Rechtliche Konsequenzen müssen Badende, die bei roter Fahne ins Wasser gehen, nicht fürchten. Die Gemeinden könnten aber Badeverbote erlassen, sagte Rechtsanwalt Frank Hardtke. Das Baden wäre in diesen Fällen eine Ordnungswidrigkeit und könne mit einem Bußgeld geahndet werden. Die DLRG sieht darin keine Lösung.

(RP)
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