Elisabethpfad Auf den Spuren der Reformation in Hessen

Homberg · Mit der Reformation verbindet man Martin Luther, Wittenberg und die Wartburg. Doch auch in Hessen gab es jemanden, der Gefallen an Luthers Thesen fand: Philipp der Großmütige. Ausgerechnet ein katholischer Wanderweg führt zu seinen wichtigsten Wirkungsstätten.

Unterwegs auf dem Elisabethpfad
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Zu viele Klöster in Hessen, befand Philipp der Großmütige. Was also tun? Der Landgraf ließ sich 1526 vom Reichstag in Speyer bestätigen, dass er das Recht hatte, über Glauben und Seelenheil seiner Untertanen zu befinden - und zwar nach seinem Gutdünken und nicht wie bisher von des Papstes und des Kaisers Gnaden. Also gründete Philipp die hessische Landeskirche und enteignete bald darauf die meisten Klöster im Lande. Ort der Kirchengründung wurde Homberg an der Efze im grünen Nordhessen.

Homberg lag günstig im Schnittpunkt zweier Handelsstraßen und hatte eine schöne gotische Hallenkirche als Tagungsort. Philipp fand auch Gefallen an Martin Luthers Thesen: Er war gegen Ablasshandel, Prunksucht und Selbstherrlichkeit des Klerus und für die Orientierung am Gewissen und die Alphabetisierung des Volkes. So wurde Hessen ein Pionierland der Reformation. Heute führt ausgerechnet ein katholischer Wanderweg, der Elisabethpfad, zu ihren bedeutendsten Stätten: Homberg, Ziegenhain und Marburg.

Insgesamt gibt es drei Elisabethpfade - alle führen an das Grab der Heiligen Elisabeth nach Marburg. Ausgangspunkte sind Köln, Frankfurt/Main und Eisenach. Von Eisenach nach Marburg sind es 193 Kilometer. Einer der ersten Stopps unterwegs in Hessen ist Homberg.

Stolz nennt Homberg sich "Reformationsstadt". Eine Bronzestatute des Landesfürsten Philipp steht mitten auf dem lebhaften Marktplatz der Fachwerkstadt. Stadtführer Berthold Röse tritt sogar im Hochsommer im schwarzsamtenen Gelehrtengewand auf. "Das ist aber eher ein Fantasiekostüm", sagt er. Historischer sei da schon die Kleidung, in der Philipp lebensgroß auf dem Marktplatz sitzt.

Weiter geht es nach Ziegenhain. Wie Homberg hat auch das 4000-Seelen-Dorf im Mittelalter und zur Neuzeit glänzende Zeiten gesehen. Doch heute glänzt in Ziegenhain nur noch die touristische Kulisse eines historischen Ortes in der sanfthügeligen Flusslandschaft, eingebettet zwischen Vogelsberg und Knüllgebirge.

Gleißend scheint die Sonne über dem Paradeplatz der Festung. Niemand ist zu sehen, als wäre ein Set für einen Historienfilm gerade verlassen worden. Das Museum im Fachwerkhaus öffnet erst um 14.00 Uhr. Auch die originelle Weinbar in den trutzigen Gemäuern gegenüber ist verschlossen. Nur das historische Gasthaus hat geöffnete Türen.

Verschlossen ist auch die mittelalterliche Wasserfestung. Aus gutem Grund: Sie wurde schon im 18. Jahrhundert zum Gefängnis erweitert und ist heute eine wichtige nordhessische Justizvollzugsanstalt (JVA). Hinter ihren Mauern wurde in den Wirren der religiösen Auseinandersetzungen um die Taufe im 16. Jahrhundert die Konfirmation erfunden. Philipp hatte da seine Finger im Spiel.

Der Ort der Handlung, das ehemalige Fürstenzimmer, liegt zwar in der abgeschotteten JVA. Doch immerhin gibt es den Raum noch, in dem die Protestanten der ersten Stunde die neue, "Ziegenhainer Kirchenzucht" genannte Ordnung beschlossen. Doch Luther war gegen das umfangreiche Regelwerk, und es trat nicht in Kraft. Nur die Konfirmation überlebte sein Machtwort. Seitdem bestätigen die Jugendlichen darin ihre Taufe, nachdem sie im Glauben unterrichtet wurden. Nicht nur dadurch wurde Hessen eines der wichtigsten ersten Reformationsländer.

Im Marburger Schloss, etwa 100 Meter über dem hügeligen Stadtkern, erinnert ein Ölgemälde aus dem Jahr 1896 an eine weitere wichtige Begebenheit: Philipp ließ 1529 hier in seiner Residenz Luther mit Huldrych Zwingli und anderen Reformatoren heftig darüber streiten, ob und wie Jesus Christus beim Abendmahl gegenwärtig sei. Es war das einzige Mal, dass die führenden Männer aus Sachsen, Südwestdeutschland und der Schweiz persönlich miteinander diskutierten - der junge Landesherr mittendrin mit keckem Hütchen.

Die Reformatoren konnten sich jedoch nicht einigen, ob die Hostie nun Leib Christi ist oder ihn nur symbolisiert; die Reformationsbewegung spaltete sich deshalb bald in verschiedene evangelische Kirchen. In Hessen taten die meisten enteigneten Klöster bald mildtätige Dienste als Armenhospitäler. Ins Dominikanerkloster von Marburg zog die erste evangelische Hochschule, die Philipps-Universität, ein.

Noch heute ist hier eine der Universitäts-Fakultäten untergebracht. Ein paar Schritte weiter steht die erste rein gotische Kirche auf deutschem Boden, die Elisabethkirche, der Endpunkt des Elisabethpfades. Philipp hatte sie natürlich rasch evangelisch gemacht.

Inzwischen war der hessische Landgraf als politischer Anführer der Reformation so bedeutend geworden, dass Luther ihm im Jahr 1539 zähneknirschend die Erlaubnis gab, sich eine Zweitfrau zu nehmen. Denn der Reformator konnte dem triebstarken und gewitzten Landesfürsten keine Bibelstelle nennen, die es einem Christen verboten hätte, mehrere Ehefrauen zu haben.

Luther persönlich soll allerdings kaum sechs Tage in Marburg gewesen sein. Wo er übernachtete, ist nicht bekannt. Nur dass er sich frisch machte in dem Haus, das sich heute als Luthers Herberge schmückt, gilt als historisch gesichert. Durch eine Rechnung erwiesen ist allerdings, dass der Reformator auf dem Weg nach Marburg im Kloster Spieskappel unweit von Ziegenhain übernachtete. Vom Kloster ist nur noch die Basilika erhalten - sie liegt ebenfalls am Elisabethpfad.

(dpa)
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