Edle Rezepte mit Unkraut Haute Cuisine in Ostwestfalen-Lippe

Bielefeld · Teutoburger Wald, die Emsquelle und das Hermannsdenkmal - das alles ist Ostwestfalen-Lippe. Aber es gibt dort noch einiges mehr. Eine Vereinigung von Spitzenköchen etwa, die auf Hausmannskost steht.

Kulinarik in Ostwestfalen-Lippe
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Jeder Hobbygärtner bekommt eine Krise, wenn er größere Mengen Giersch, Vogelmiere oder Franzosenkraut im Garten entdeckt. Ernst-Heiner Hüser freut sich, wenn das vermeintliche Unkraut in seinen Beeten wuchert. Der Sternekoch aus Ostwestfalen nutzt alles Grüne in seiner Wildkräuterküche - selbst Unkraut. "Man kann das alles verarbeiten", erklärt er seinen Besuchern, die mit ungläubigem Blick vor ihm stehen - und eilt ins Beet, um ein paar Blätter der verschiedenen Sauerampfer-Sorten zu pflücken, französischen Estragon und andere Köstlichkeiten.

Hüser hat sein Handwerk vor Jahrzehnten in einem Berliner Luxushotel gelernt und dann in einem Zwei-Sterne-Restaurant in Frankreich gekocht. Inzwischen hat er im Museumshof Senne in Bielefeld zwei Restaurants: die "Auberge le Concarneau" und das "Historische Gasthaus Buschkamp". Für das erste kredenzt er feine französische Spezialitäten, im zweiten serviert er Bodenständiges. Klassische Gerichte aus der ostwestfälischen Küche, angepasst an die heutige Zeit, gelegentlich mit Anleihen aus der Molekularküche.

Kastenpickert mit Leberwurst und Pflaumenmus gibt es da, Hausmacher Sülze mit zwei pikanten Soßen und Bratkartoffeln oder Dicke Bohnen mit gebratenem Schweinebauch - und natürlich Hüsers Ernte aus dem Garten. Löwenzahn-Tiramisu zum Beispiel. Dazu werden die Blätter des Löwenzahn in Milch eingelegt. "Diese aromatisierte Milch wird dann unter den Mascarpone gerührt, dadurch ergibt sich der einzigartige Geschmack", sagt Hüser. Mehr gibt er von der Rezeptur nicht preis, nur soviel: Die Löwenzahnblüten sind wertvoll - daher macht er aus dem Teil, den er für die Tiramisu nicht gebraucht hat, noch ein Chutney.

Hüser ist nicht der einzige hervorragende Küchenchef zwischen Bielefeld und Detmold, der sich der heimischen Küche verschrieben hat - und sie so aufpeppt, dass auch verwöhnte Gaumen ihren Spaß daran haben. Die Köche haben sich zum Verein Westfälisch Genießen zusammengeschlossen, um die regionale Küche von ihrem etwas angestaubten Image zu befreien. Innereien finden sich selbstverständlich auf den Speisekarten, ebenso saisonale Gemüse und solche, die lange vergessen waren: Stielmus zum Beispiel.

Das bereitet Bernhard Kampmann in seinem "Schlichte Hof" in Quelle zu, einem Stadtteil von Bielefeld. "Das kocht man hier traditionell durcheinander, mit kleinen Kartoffelwürfeln und einer Bechamelsauce", erläutert der Koch, der seine Kenntnisse in den USA und auch auf verschiedenen Kreuzfahrtschiffen erweitert hat. Er kocht gerne außergewöhnlich und serviert seine westfälischen Spezialitäten in einem Fachwerkhaus, das 1492 gebaut wurde. Die Gäste sitzen im alten Pferdestall oder auf dem Heuschober. Die Balken sind freigelegt - und der fast zwei Meter große Chef selbst muss mitunter den Kopf einziehen, um sich keine Beule zu holen.

Auch Franz Spieker in Hövelhof-Riege interpretiert die eher schwere und nahrhafte Küche auf seine Weise: So gibt es in seinem Gasthof Westfälische Tapas. Ein Holzbrett, darauf verschiedene herzhafte Kleinigkeiten. Vom lokalen Ziegenkäse im Brickteig über Lachsforelle auf Ingwerspitzkohl bis zum Pfifferlingcremesüppchen. Gekrönt wird das Ganze von einer Leberwurstpraline. Haute Cuisine à la OWL.

Und damit die zahlreichen Köstlichkeiten sich nicht auf die Hüften legen, gibt es in der Umgebung jede Menge Möglichkeiten, Kalorien zu verbrauchen. Auf den vielen Radwegen, auf den Höhen des Teutoburger Waldes, hinauf zum Hermannsdenkmal, das mit 53,46 Metern als höchste Statue in Deutschland gilt, bei Ausflügen nach Bielefeld, Paderborn, Bad Lippspringe oder in die alte Residenzstadt Detmold.

Wer es richtig anstrengend mag, muss schnell sein - und das in vielerlei Hinsicht. Am letzten Sonntag im April starten 7000 Läufer zum Hermannslauf. Was als Jux-Veranstaltung begann, hat sich inzwischen zum Kult-Event gemausert. 31 Kilometer, über Höhen und Tiefen des Teutos, wie die Einheimischen sagen. Peter Rüther ist einer von ihnen. Er hat den Lauf, der am weithin sichtbaren Denkmal für Hermann den Etrusker hoch über Detmold startet und in der Nähe von Bielefeld endet, 2014 in weniger als drei Stunden geschafft. "Der Gewinner brauchte nur eine Stunde und 50 Minuten", sagt der Biologe, der von Berufs wegen jeden Baum und jeden Strauch entlang des Hermannswegs kennt.

Weil es kein Preisgeld gibt, gehen nur Hobbyläufer an den Start, betont Rüther. Die 7000 Plätze sind innerhalb kürzester Zeit weg. "Man muss sich im Internet anmelden. In diesem Jahr waren nach zehn Minuten alle Startplätze vergeben." Wer es etwas langsamer angehen will, kann auf Wanderwegen im Naturpark Teutoburger Wald/Eggegebirge klein und im eigenen Tempo anfangen - und dabei so manche Besonderheit entdecken: die Externsteine, eine steil aus dem Boden ragende Felsgruppe, oder den Vulkan Desenberg zum Beispiel.

Radfahrer können sich ebenfalls austoben. Der Emsradweg führt auf 375 Kilometern von der Senne bis an die Nordsee - von der Quelle bis zur Mündung des Flusses in Emden. Überall entlang des Weges sind die sandigen Böden zu sehen, die so typisch für diese Landschaft sind - und Koch Hüser zu Beginn seiner Gärtnerkarriere vor ein großes Problem stellten: "Der Boden ist kaum für den Anbau von Gemüse und Kräutern geeignet." Daher mussten sich die Landwirte von jeher etwas einfallen lassen, um den Boden fruchtbarer zu machen. Hüser hörte von einer Idee aus Südamerika. Terra preta gibt es dort, schwarze Erde. Sie stammt ursprünglich aus dem Amazonasbecken, ist feinkrümelig und vor allem nährstoffreich. Also produziert Hüser sie jetzt auch in seinem Garten - damit Kräuter und Unkraut gedeihen.

(dpa)
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