Urlaub auf Usedom Mondäner Glanz der Kaiserzeit

Nirgendwo ist Bäderarchitektur prachtvoller und eleganter als in Heringsdorf auf Usedom. Und das "Nizza der Ostsee" ist zu jeder Jahreszeit eine Reise wert.

 Etwa drei Dutzend Bäderarchitektur-Juwele sind allein in Heringsdorf zu bestaunen. Darunter bildschöne Häuser wie "Villa Augusta", "Villa Oasis", "Villa Ikarus" oder der Altrosa-Jugendstil-Traum "Villa Hintze" mit reich verzierter Fassade.

Etwa drei Dutzend Bäderarchitektur-Juwele sind allein in Heringsdorf zu bestaunen. Darunter bildschöne Häuser wie "Villa Augusta", "Villa Oasis", "Villa Ikarus" oder der Altrosa-Jugendstil-Traum "Villa Hintze" mit reich verzierter Fassade.

Foto: Ekkehart Eichler

"Spektakulär und von allerlei Klatsch begleitet waren natürlich die Teevisiten Seiner Majestät bei Frau Konsulin Staudt zwischen 1909 und 1912. Die Anwesenheit Wilhelm II. lockte dann stets eine unerträgliche Menschenmenge an die Promenade und über der Villa flatterte die kaiserliche Standarte. Nur einmal konnte Frau Konsulin den Kaiser nicht empfangen; sie war mit ihrem Pferd gestürzt und hatte sich das Bein gebrochen."

Geschichten wie diese kennt Gästeführerin Eva John zuhauf. Geschichten aus einer längst vergangenen Epoche. Geschichten von Reichtum und Repräsentation. Geschichten über eine Lebensform, die ebenso fasziniert wie die Architektur, in der sie sich manifestierte. Dieser Lebensstil ist unwiederbringlich dahin; viele Villen der Aristokraten, Industriellen und Finanzmagnaten aber blieben erhalten und sehen heute wieder genauso schnieke aus wie zur Kaisers Zeiten - neben dem kilometerlangen Puderzuckerstrand der größte Schatz der Usedomer Kaiserbäder Ahlbeck, Heringsdorf und Bansin.

Allen voran Heringsdorf: Im mondänsten Seebad des Dreigestirns schimmern allein an der Strandpromenade ein halbes Dutzend solcher Ikonen. Umgeben von großzügigen Gartenanlagen. Auf dem Grundstück neben der majestätischen Teekränzchen-Villa des Großkaufmanns Wilhelm Staudt etwa ließ sich Benoit Oppenheim seinen Traum von Sommerresidenz an den Ostseesand setzen - einen strahlendweißen Putzbau nach antikem Vorbild mit hohem Portikus und Freitreppe.

Auch für Hans von Bleichröder - ebenfalls millionenschwerer Bankier aus Berlin - gehörte eine Villa in Heringsdorf zum Muss in puncto Genuss und gesellschaftlichem Status. Das Resultat: die gleichnamige neobarocke Residenz, heute ein nobles Logis für Urlaubsgäste, die sich fühlen wollen wie Mini-Monarchen. Ein weiteres Prachtstück: die ockerfarbene Villa Oechsler aus dem Jahr 1883 mit sündhaft teuren Portikus-Säulen aus schwedischen Porphyr. Den Dreiecksgiebel ziert ein Bild mit badenden Grazien. "Das allein dürfte ein Vermögen gekostet haben", vermutet die Gästeführerin. "Es stammt aus einer venezianischen Mosaikfabrik, in der jedes einzelne Steinchen mit Goldgrund unterlegt wurde - ein Glanz, wie ihn sonst nur Könige und Kirchen beanspruchten."

Das sind Deutschlands schönste Strände
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Foto: shutterstock/ papillondream

Im "Nizza der Ostsee" setzte man von Anfang an auf Exklusivität. Der Boom begann 1872, nachdem die Stettiner Brüder Hugo und Adalbert Delbrück ihre "Aktiengesellschaft Seebad Heringsdorf" gegründet und knapp 800 Morgen Land in bester Lage erworben hatten. Das Kapital dafür brachten sie durch Anteilscheine über jeweils 5000 Taler zusammen, die weg gingen wie warme Semmeln. Die vornehmen Berliner Neusiedler wiederum verlangten nach einer Infrastruktur, die allerhöchsten Ansprüchen genügen musste. Schnell kamen deshalb ein Wasserwerk hinzu, exklusive Kur- und Badeanlagen, Sportplätze, Seebrücke, Pferderennbahn. Ab 1894 sorgte die Eisenbahn für weiteren enormen Schub. Die Fahrt von Berlin dauerte jetzt nicht einmal mehr drei Stunden, mit Postkutsche und Dampfer hatte man zuvor zwei Tage gebraucht.

Amrum – unendliche Weite auf kleinem Eiland
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Foto: Kai Quedens

Auf ihren frisch erworbenen Grundstücken ließen die Prominenten ihren architektonischen Wünschen und Vorlieben freien Lauf und griffen dabei auf Bau- und Stilelemente aus Renaissance, Barock, Klassizismus, Gründerzeit und Jugendstil zurück. Das Ergebnis: die sogenannte Bäderarchitektur. Ein irres Sammelsurium aus Friesen und Gesimsen, Dachreitern und Fialen, Reliefs, Pilastern, Risaliten mit dreieckigen Giebeln und auffälligen Erkern, barocken Putten und steinernen Ranken, eleganten Freitreppen und großen Jugendstilfenstern. "Bäderarchitektur ist also keinesfalls eine spezielle Kunst- oder Stilgattung", resümiert Eva John. "Gerade im Mix der Stile und Epochen liegen das Besondere und der Reiz dieser Baudenkmale."

(RP)
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