Urlaub auf dem Pferderücken Die Uckermark ist für Reiter ideal

Oberuckersee · In der Stille der Natur klingt das Wiehern der Pferde von den Weiden, Störche klappern auf dem Nest. Um die Uckermark zu erleben, muss der Reisende sie nehmen, wie sie ist: langsam. "Man braucht ein Auge für diese Landschaft", sagt Ralf Ruhnau, "und das richtige Tempo." Er erlebt es oft, wenn er Gäste in seinem Pferdehof aufnimmt, dass sie erst mal zu den Feldern laufen, nach kurzer Zeit zurückkommen und nichts gesehen haben. Nicht einmal die Scharen von Wildgänsen, die sich hier fast täglich versammeln.

 Ralf Ruhnau hängt an der Uckermark genauso wie an seinen Pferden: Der Pferdehofbesitzer und Ex-Berliner reitet bevorzugt auf seinem weißen Hengst Carino.

Ralf Ruhnau hängt an der Uckermark genauso wie an seinen Pferden: Der Pferdehofbesitzer und Ex-Berliner reitet bevorzugt auf seinem weißen Hengst Carino.

Foto: dpa-tmn, dpa-tmn

Von der Anlage auf einem Hügel blickt man über 20 Hektar Weideland. Dahinter erhebt sich die hügelige Landschaft mit den eingebetteten Uckerseen. Auf dem Reitplatz des Hofes herrscht emsiger Betrieb. "Macht ein paar Schritt - Trab Übergänge", lautet das Kommando des Reitlehrers. Andrea steht am Stall und bürstet das Fell ihrer Betty. Gleich geht es zum Springen, raunt sie ihrem Pferd zu und streichelt die Mähne. Ruhnau nimmt seinen weißen Hengst Carino.

Ein schönes Tier mit glänzendem Fell und dunklen Augen, deren Lidstriche so scharf sind wie die Kanten eines Blatt Papiers. Vor mir steht Orlando, ein polnisches Warmblut mit sanften braunen Augen. "Unsere Tagesetappe wird so um die 20 Kilometer lang sein. Es geht zurück in die Natur", sagt Ruhnau und fährt noch einmal mit dem Finger über die zerknitterte Landkarte. Gleich hinterm Reiterhof führt ein Sandweg in die Weite des Biosphärenreservat Schorfheide-Chorin.

Hier soll es uralte Eichen, mehr als 3000 Moore, 240 Seen und viele seltene Pflanzen und Tiere geben. Die Sonne scheint an diesem frühen Nachmittag, und ein goldener Glanz liegt über dem Landstrich. Orlando ist froh, dem Schulbetrieb entronnen zu sein und läuft zügig hinter dem zwölfjährigen Carino hinterher. Die Hufe klappern über Kopfsteinpflaster des Dorfes Potzlow Abbau. Vor über 100 Jahren zogen Pferde in dieser Gegend Getreidewagen in die Speicher des Rittergutes der Familie Strehlow. Heute wohnen hier 25 Uckermärker. Familien, die ein Stück Feld selbst bestellen und Tomaten, Lauch und Zwiebeln ziehen.

Eine Bäuerin mit bunt gemusterter Kittelschürze hat einen Eimer mit Futter in der Hand. Sie murmelt einen Gruß zu uns herüber. Es ist ein einfaches Leben hier. Es gibt keinen Fußballverein, keinen Jugendclub, abends fährt nicht mal ein Bus. Eine Idylle? Vielleicht die Häuser aus Backstein, oder die wackligen hölzernen Zäune. Vielleicht, wenn die Mädchen auf dem Pferd des Nachbarn reiten dürfen. Auf dem Giebel eines Bauernhauses nistet ein Storchenpaar. Es hat sich gut mit den Menschen arrangiert, typisch für die Uckermark.

Auf einmal sehe ich nur noch Grün: mal Grasgrün, dann Kieferngrün, Buchenblattgrün, Tannennadelgrün und Lindgrün. Würde Ruhnau nicht hier und da ein Kommando geben, drohte ein Chlorophyllrausch. Irgendwann hebt er den linken Arm und fragt: "Wollen wir langsam traben?" Die Stille Brandenburgs wird lediglich von den dumpfen Hufschlägen auf dem Sandboden des unbefestigten Feldweges gebrochen.

Und vom Gezirpe des Zilpzalps oder einem Singen, das ich einer Nachtigall zuordnen würde. Aber nein, es ist der Gesang des Sprossers, erklärt Ruhnau. Sogar Vogelkunde gibt es während des Ausritts. "Da ein Milan", zeigt Ruhnau in Richtung blauer Himmel. Sein Blick durch das Fernglas bestätigt es. Sogar ein Rotmilan. Man erkennt ihn an dem langen rostroten, tief gegabelten Schwanz.

Der ehemalige Berliner, der 1992 ein zerfallenes Gehöft und die Landschaft hier im Norden für sich entdeckte, ließ den Pferdehof errichten. Mittlerweile gehören 50 Pferde, vom Pony bis zum Turnierpferd, zum Gestüt. Großer Beliebtheit erfreuen sich tagelange Reittouren von einem See zum anderen. Man durchquert verträumte Dörfer, reitet über schnurgerade, von altem Baumbestand gesäumte Landstraßen und taucht in dunkle Waldgebiete ein.

Etwa 30 Reiterhöfe gibt es in der Uckermark. Einige davon bieten solche Touren an und ermöglichen jedem Gast, sich wie im Pferdeparadies zu fühlen. Auch wer sein eigenes Pferd mitbringen möchte, ist gerne gesehen. Sogar Reiten mit GPS-Geräten ist möglich - die Zeit ist auf dem Reiterhof nicht stehen geblieben.

Leise springt Wild aus dem Gebüsch. Wir nähern uns dem Pinnowsee. Carino und sein Reiter sind die ersten im Wasser. Orlando zögert noch. Es raschelt. Es sind die Schilfgürtel, die sich im Wind hin- und herwiegen, erkläre ich ihm. Versteht er mich, oder lockt doch der See, der schon die Karpfen für den Kaiser Wilhelm II. lieferte? Über unseren Kopf spannt sich der Himmel. Keine Straße, kein Hochspannungsmast, kein Mensch ist in Sicht.

Nur das Quaken der Sumpfschildkröte ist zu hören. Später, die Zeit haben wir fast vergessen, wollen wir galoppieren. Da sieht Ruhnau in der Ferne zwei Punkte, die größer werden und langsam auf uns zu kommen. Er zückt sein Fernglas: "Das sind Wanderer, die mit zwei Eseln unterwegs sind", sagt er. "Klar, bei den ersten Sonnenstrahlen gehen die wieder auf Wanderschaft."

Es ist eben das Schöne in der Uckermark, dass hier so viel Platz ist. Weit, wirklich weit ist dieses Land: 3000 Quadratkilometer groß, mit nur 140 000 Einwohnern. Es vermittelt das Gefühl, so viel Platz sei sonst nirgends. "Das waren 25 Kilometer Waldeinsamkeit", frohlockt mein Begleiter zum Schluss des Ausritts, "wo findest du das noch?"

(dpa)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort