Hauptstadt der "grünen Insel" Dublin lockt mit moderner Kunst

Düsseldorf · Die "Dublin Contemporary", "Culture Night" oder "Open House" sind derzeit die Attraktionen in Irlands Hauptstadt. Zehntausende Besucher strömen dadurch auf die "Grüne Insel". Viele Künstler lassen sich von der Wirtschaftskrise inspirieren – ausgerechnet.

Buntes Leben in Dublin
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Die "Dublin Contemporary", "Culture Night" oder "Open House" sind derzeit die Attraktionen in Irlands Hauptstadt. Zehntausende Besucher strömen dadurch auf die "Grüne Insel". Viele Künstler lassen sich von der Wirtschaftskrise inspirieren — ausgerechnet.

Dublin Will St. Ledger hat einen Traum. "Wie wäre es, wenn wir mit Kunst etwas verändern könnten?", fragt der irische Straßenkünstler auf der "Dublin Cool Tour". "Wenn wir die Krise als Chance begriffen? Kultur kann man eben nicht outsourcen."

Sein Kollege Conor Harrington nickt. Er hat ein spannendes und symbolhaftes Graffiti-Bild auf eine Hauswand in Dublins Amüsierviertel Temple Bar gebannt: Die Knochen eines irischen Riesenhirschs hat er mit einer knatschbunten Variante des "lebendigen" Tieres übermalt. Die Knochen sind ein unsichtbares Memento, das man als aktuellen Kommentar zum Zustand der irischen Gesellschaft begreifen kann.

Denn im Augenblick geht eine Protestwelle durch alle Schichten der Öffentlichkeit, die sich von ihren Politikern im Stich gelassen fühlt. Milliarden für die marode Anglo-Irish Bank, schmerzhafte Kürzungen von Gehältern, Renten und Kultursubventionen — man kennt das inzwischen in Europa.

"Konsumverzicht ist cool"

Die Dubliner Künstler geben auf die Krise ihre eigene Antwort: kreativ die kulturelle Erneuerung wagen. "Konsumverzicht ist cool", meint Michael McDermott von der alternativen Stadtführung "lecool", und stellt die Künstlerin Jonnet Middleton vor, die geschworen hat, den Rest ihres Lebens keine neue Kleidung zu kaufen, sondern die vorhandenen Ressourcen ihres Schranks zu nutzen — und ihre Botschaft unters Volk zu bringen. Die Stationen von McDermotts Führung ändern sich täglich, ebenso die Programmpunkte: angesagte Performances, Galerien, Läden, Stadtviertel-Initiativen, Lebenskünstler.

Die rund zweistündige Tour führt etwa ins vielbeachtete Tattoo-Studio Dublin Ink, zum Waldorf-Barbier oder in den "toten Zoo", Dublins wunderbar altmodisches Naturkundemuseum, in dem ausgestopfte irische Moorhühner und präparierte irische Korallen von Schülern gezeichnet werden.

Eine positive Botschaft — Kunst kann dein Leben verändern — transportiert "Dublin Contemporary", die Internationale Kunstausstellung, die derzeit Premiere feiert. Ihre Macher haben mit einem Minibudget eine riesige, auf mehrere Standorte verteilte Kunstschau auf die Beine gestellt. "Terrible Beauty — Art, Crisis, Change and the Office of Non-Compliance" lautet das Thema, übersetzt etwa "schreckliche Schönheit" — ein Zitat des irischen Literaturnobelpreisträgers William Butler Yeats —, "Kunst, Krise, Veränderung und die Pflicht zum Zuwiderhandeln".

Dublin Contemporary ist eine sehr sinnliche Ausstellung, eine Momentaufnahme der zeitgenössischen Situation in Europa. Wenige große Namen, abgesehen vielleicht von Thomas Hirschhorn, Monica Bonvicini oder Jannis Kounellis. "Wir wollen auch Familien mit Kindern und Menschen ansprechen, die bislang keinen Zugang zu zeitgenössischer Kunst haben", sagt Sprecherin Daniela Sabatini. Zentral bei diesem Gedanken: Kunst zum Anfassen. Wie der "Baum des Überflusses" des kubanischen Künstlers Carlos Garaicoa, an dem die befestigten Pence-Stücke täglich von Besuchern umdekoriert werden — Geldfluss einmal anders.

"Grüner Sarg" und "Blow Up 91"

Dan Perjovschi aus Bukarest zeichnet direkt auf die Wände von Museen, Thomas Hirschhorns "Grüner Sarg" ist eine Mega-Installation um Ritus, Tod und Liebe. Das postapokalyptische "Blow Up 91" von Kysa Johnson könnte ein Kommentar zur Immobilienkrise in ihrer US-Heimat oder zu den Ghost Estates, den verlassenen Neubausiedlungen in Irland, sein. In der Hugh Lane Gallery lädt der nordirische Foto- und Videokünstler Willie Doherty zu "Disturbance" ein — eine wahre Entdeckung.

Kultur satt bieten auch die kostenlosen Veranstaltungen der "Culture Night" und des "Open House". Dramuletts, Performances und Führungen ziehen Zehntausende an. Besitzer der georgianischen Häuser in der North Great George´s Street laden zu einem Besuch ein, Architekten erklären die Konzepte wegweisender Bauwerke.

Das eher experimentelle Ulster Bank Dublin Theatre Festival vereint vielfältige Produktionen. "Wir müssen unser Publikum erziehen", sagen Dublins Kulturschaffende. Denn viele Touristen geben die irrsinnige Summe von 14,40 Euro aus, um im Guinness Storehouse Bierreklame zu sehen, während sie Gemälde großer Künstler kostenlos in der National Gallery besichtigen könnten.

(RP/chk)
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