Wandertour durch Paris Durch Schlachthof und Schrebergarten

Paris (RPO). Einmal durch ganz Paris, von Norden nach Süden. Auf einem 20 Kilometer langen Wanderweg können Besucher bekannte Sehenswürdigkeiten und Skurrilitäten abseits der Touristenpfade entdecken.

Wandertour durch Paris
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Porte de la Villette ist Ausgangspunkt des Wanderweges, der Paris von Norden nach Süden durchquert und mit gelb-roten Streifen markiert ist. Die kleinen Aufkleber sind allerdings leicht zu übersehen. Eine Karte gehört deshalb ins Wandergepäck.

Es scheint so, als ob eine der Kugeln eines gigantischen Boule-Spiels davongerollt sei. In ihrer silbernen Oberfläche spiegeln sich die Wolken. Die "Géode", ein halbkugelförmiges Kino im Pariser Parc de la Villette, zählt zu den Bauten, die früher als futuristisch bezeichnet wurden.

Am ehemaligen Schlachthof im Pariser Norden hüpfen heute junge Ballett-Tänzerinnen grazil durch den Übungsraum des Konservatoriums. Im 19. Jahrhundert veranstalteten hier tagtäglich 12.000 Metzger ein blutiges Gemetzel, um die gesamte Hauptstadt mit Fleisch zu versorgen. Die Tiere kamen per Bahn vom nahegelegenen Viehmarkt.

Dörflicher Charme in Belleville

Der Wanderweg führt entlang der alten Bahnstrecke durch ein Viertel mit tristem Stadtrandcharme: Kettenhotels, Mietskasernen, eine Betonkirche, die an einen Atommeiler erinnert. Hübscher wird es ein paar Schritte weiter im Stadtteil Belleville, ein putziges Dorf mit Fachwerkhäuschen, gusseisernen Laternen und blühenden Gärten. Das Leben scheint hier geruhsamer als anderswo in Paris.

Im Park Buttes-Chaumont drehen zu jeder Tageszeit Jogger ihre Runden. Auf einem kleinen Platz üben zwei Dutzend Sportler die fließenden Bewegungen des Tai Chi. Der Park mit Wasserfall und Ententeich zählt zu den größten Grünflächen in der Stadt. Auf einem Hügel trohnt sogar die Kopie eines römischen Vestalinnen-Tempels - der beste Platz für eine erste Wanderpause mit Blick auf Sacré-Coeur und Paris, das der Basilika dem Hügel von Montmartre zu Füßen liegt.

Außerhalb des Parks führt eine lange steile Treppen, die im unscheinbaren Torbogen eines Hauses beginnt, hinauf auf einen weiteren Hügel, den Butte Saint Chaumont. Oben angekommens steht der Wanderer inmitten eines weiteren verschlafenen Kopfsteinpflaster-Dorfes mitten in Paris. Es gibt sogar einen Weinberg und einen kollektiven Schrebergarten mit Eiffelturm-Blick.

Solche Gärten, in denen Kinder und Erwachsene mitten in der Großstadt bunte Blumen und Gemüse anbauen können, werden immer beliebter. Selbst Gartenzwerge und Vogelscheuchen sind willkommen. Wann immer einer der Hobby-Gärtner anwesend ist, steht der Garten Besuchern offen. Und mindestens einmal im Jahr steigt ein Fest, für das ein Teil der Ernte zu Köstlichkeiten verarbeitet wird.

Vom 19. geht es weiter ins 10. Arrondissement, in dem Nord- und Ostbahnhof liegen. Das Straßenbild wird bunt und international. In einer muslimischen Metzgerei hängen an Fleischerhaken tiefrote Rinderteile von der Decke. Aus einer China-Boutique heraus winken Katzenfiguren. Wer immer wieder einmal Fassaden oder Hinterhöfe anschaut, der ist am Mittag nicht weiter gekommen als bis zum Kanal Saint Martin: bei Sonnenschein ein idealer Rastplatz.

Shopping-Abstecher ins Marais

Der Wanderweg kreuzt die drei großen Boulevards, die von der Place de la République nach Osten führen und jeweils einen kurzen Blick auf die Marianne-Statue bieten, dem Start- oder Endpunkt der meisten Demos in Paris. Dahinter beginnt das Marais-Viertel, in dem die Versuchung am größten ist, den markierten Weg zugunsten kleiner Abstecher zu originellen Läden zu verlassen. Ein Spezialist für Hängematten, ein Geschäft nur für Kakteen oder einen Teddybären-Händler - das alles ist in dem Viertel zu finden.

So viel Originalität hat ihren Preis: Der Designerstuhl aus Stahldraht und zwei unbehandelten Holzplatten kostet 2000 Euro. Ein schlichtes Kleidchen für Kleinkinder schlägt mit knapp 60 Euro zu Buche. Schicke Klamottenläden und Friseursalons haben zum Bedauern vieler schon einige der für das Viertel charakteristischen jüdischen Restaurants oder Lebensmittelgeschäfte verdrängt. Im Hôtel Salé befindet sich das berühmte Picasso-Museum, das derzeit wegen Renovierungsarbeiten geschlossen ist.

Picknick-Pause auf der Île Saint-Louis

Die rot-gelbe Markierung führt durch schmale Gassen zum Seine-Ufer hinunter, über den Pont Marie auf die Île Saint-Louis. Es ist die kleinere und ruhigere der beiden Seine-Inseln. Ihre westliche Spitze ist ein Ort der Entspannung, vor allem bei Sonnenuntergang. Im Sommer liegt dort Picknick-Decke an Picknick-Decke.

Auf dem Pont St. Louis, der zur Île de la Cité hinüberführt, sitzt ein alter Mann mit Rauschebart und Schlägermütze und spielt auf einem fahrbaren Mini-Klavier. Der Weg führt von hinten an die Kathedrale Notre Dame heran, macht vorher aber noch einen Schlenker über die Insel. Dort steht beispielsweise das Haus, in dem sich eines der berühmtesten Liebespaare des Mittelalters, der Philosoph Abélard und seine Schülerin Héloïse, getroffen haben soll. In der Nähe markiert ein kleines Schild die Höhe der Flut von 1910.

Die Île de la Cité mit Notre Dame war die Keimzelle von Paris, bevor sich die Stadt auf die Seine-Ufer ausweitete. Die gotische Kathedrale ist bis heute ein wichtiges Zentrum der katholischen Kirche - und zugleich ein Highlight vieler Parisbesucher.

Vom Ende der Nord-Süd-Durchquerung am Parc Monceau ist man an der Kathedrale noch gut zwölf Kilometer entfernt. Aber bei all den Entdeckungen am Wegesrand wäre es schade, die Strecke schneller zu gehen. Und die Steinbänke vor der Fassade von Notre Dame im Abendlicht laden ohnehin dazu ein, die müden Beine ausstrecken und einen erlebnisreichen Tag in Gedanken Revue passieren zu lassen.

Informationen: Fremdenverkehrsamt Paris (http://de.parisinfo.com); Karte Paris à pied aus der Serie TopoGuides von FFRandonnée (www.ffrandonnee.fr).

(tmn/mais)
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