Interview "Es ist gut, muslimische Länder zu bereisen"

Terror ist eine große Herausforderung für den Tourismus - weil er Urlauber verunsichert, beliebte Reiseländer destabilisiert und Vorurteile gegen Muslime und den Islam schürt, sagt der Präsident des Deutschen Reiseverbands (DRV), Norbert Fiebig.

 Der Tempel von Abu Simbel in Ägypten.

Der Tempel von Abu Simbel in Ägypten.

Foto: Philipp Laage

Was bedeutet der Terror für den Tourismus?

Fiebig Wir haben gesehen, dass der Terrorismus immer näher an uns heranrückt. Was jetzt in Paris passiert ist, hat nichts mehr mit dem gezielten Angriff auf Touristen zu tun, um die Wirtschaft und damit die Gesellschaft eines Landes zu destabilisieren - wie das in Tunesien der Fall war. Die Anschläge von Paris waren wahllos. Wir werden mit dieser höheren Gefährdung leben müssen, auch in unserem eigenen Land. Unseren Lebensstil nicht zu verändern, ist die einzige Antwort darauf.

Was heißt das für die Planung meiner nächsten Urlaubsreise?

Fiebig Ich glaube nicht daran, dass sich der Terror langfristig auf das Reisen auswirken wird. Es wird aber Verlagerungen bei der Wahl der Reiseziele geben. Gänzlich vom Reisen abschrecken lassen sich die Deutschen nicht. Wenn wir jetzt nicht mehr in den Urlaub fahren, tun wir genau das, was die Terroristen wollen.

Aber sind Länder wie Tunesien oder Ägypten jetzt nicht zu gefährlich geworden? Dort können neue Anschläge passieren.

Fiebig Eine neue Bewertung der Sicherheitslage durch das Auswärtige Amt liegt derzeit nicht vor. Das Auswärtige Amt verfügt über eine Fülle von Informationen, unter anderem auch der Sicherheitsdienste. Es ist die einzige Stelle, die eine neutrale Bewertung der Sicherheitslage für Deutsche im Ausland geben kann. An dieser Bewertung orientieren sich die Reiseveranstalter.

Sharm el Sheikh - Ägyptens beliebtester Urlaubsort
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Foto: Studio Flash / Shutterstock.com

Aber es kann einem deutschen Urlauber schon Angst machen, wenn er - wie zuletzt in Ägypten - im Land bleibt, während etwa britische Gäste wegen Terrorgefahr ausgeflogen werden...

Fiebig Ich würde nicht von Angst, sondern von Irritation sprechen. Die Analysen und Entscheidungen der Auswärtigen Ämter in Europa zu Risiken und Gefahren sind nicht immer gleich. Das ist einem Urlauber in der Tat schwer zu erklären. Es wäre sicher einfacher, wenn es ähnliche oder gleiche Empfehlungen der großen Ländern geben würde.

Können Sie verstehen, wenn ein Urlauber sagt: Tunesien und Ägypten sind für mich jetzt erst mal gestorben?

Fiebig Der Kunde muss und darf selbstverständlich selbst entscheiden, wohin er reist. Wenn er ein schlechtes Gefühl hat, weil er sich nicht sicher fühlt, fährt er woanders hin.

Jordanien - Wüste, Kreuzfahrer und das versprochene Land
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Foto: shutterstock/ Ralf Siemieniec

Haben Sie Angst, dass die Urlauber den islamischen Ländern jetzt den Rücken kehren?

Fiebig Ja, das kann sein. Ich hoffe aber, dass wir diese Entwicklung nicht sehen werden. Wir tun den islamisch geprägten Ländern damit Unrecht. Uns ist nicht damit gedient, wenn diese Gesellschaften instabil werden, weil der Tourismus ausbleibt. Wenn die Menschen dort Arbeit haben, dann ist das Terrorrisiko geringer. Der Tourismus ist auch eine Form von Entwicklungshilfe.

Wie lassen sich Ihrer Meinung nach Vorbehalte gegenüber Fremden abbauen?

Fiebig Persönliche Erfahrung hilft, Vorurteile zu vermeiden. Wenn ich mir beispielsweise Ägypten anschaue, dort auf den Markt gehe und den Menschen in ihrem Alltag begegne, außerdem noch einen erfahrenen Reiseleiter habe, der mich mit Land, Leuten und Kultur vertraut macht, dann merke ich: Das hat nichts mit dem Schreckensbild eines islamistischen Terroristen zu tun. Von daher ist es gut, wenn muslimische Länder bereist werden.

PHILIPP LAAGE FÜHRTE DAS INTERVIEW.

(RP)
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