Urlaub in Österreich Das Geheimnis der Apfelmänner

Im steirischen Dorf Puch sind Äpfel viel mehr als nur Obst. Hier wird die Paradiesfrucht als Gabe Gottes verehrt und zum Geschenk für Genießer veredelt.

 Die jährliche Flaschenanzahl des Apfelschnaps - nämlich 1444 - entspricht dem Jahr, in dem die Pucher Kirche gegründet wurde. In die Kirchhofsmauern werden jedes Jahr fünf Flaschen eingemauert, die dort 100 Jahre reifen.

Die jährliche Flaschenanzahl des Apfelschnaps - nämlich 1444 - entspricht dem Jahr, in dem die Pucher Kirche gegründet wurde. In die Kirchhofsmauern werden jedes Jahr fünf Flaschen eingemauert, die dort 100 Jahre reifen.

Foto: Ekkehart Eichler

Fackeln flackern in der Dunkelheit. Ein Rabe hockt auf dürrem Ast vor gespenstischem Mond. Dann treten Männer in mittelalterlichen Kapuzenkutten ins Licht und prozessieren feierlich vorüber - 15 an der Zahl. Angeführt vom Abellio, der seinen Namen vom keltischen Apfelgott hat. Passend dazu führen sie einen wahren König mit sich - den mit Abstand besten Apfelschnaps weit und breit.

So oder so ähnlich geht es jedes Jahr im Spätherbst im Dorf Puch in der Steiermark zu, wenn der "geistreiche" Geheimbund den aktuellen Jahrgang des "Abakus" präsentiert. Jedes Jahr an einem anderen Ort - mal ein Schloss, mal eine Grotte, mal ein Dampfbummelzug. Und je nach verwendeter Apfelsorte mit etwas anderem Geschmack - mal McIntosh, mal Gala, mal Gravensteiner. Und immer mit einem neuen Abellio als Chef, der aus den Reihen der Apfelmeister gewählt wird.

Immer wieder gleich hingegen sind Qualität und Ritual. Einmal im Jahr gehen die Apfelmänner in Klausur und sperren sich drei Tage lang in einem Keller ein. Dort destillieren sie unter Geheimhaltung aus reifen und perfekt verarbeiteten Äpfeln ihren außergewöhnlichen Edelbrand. Um Weihnachten wird dieser dann zur Segnung in die Pucher Kirche gebracht und anschließend ins "Haus des Apfels" getragen, wo er in Glasballons mindestens ein Jahr reift.

"Ein Abakus entsteht bereits in den Köpfen der Mitglieder", erklärt Kirchenwirt Johann Hofer, als Hotelier der einzige "Zivilist" in der Bruderschaft von Apfelbauern und Schnapsbrennern, "und er hat seinen Ursprung im Obstgarten". Von der Blüte bis zur Ernte nämlich beobachten die Pucher Apfelmänner sorgfältig die Entwicklung der Bäume und Früchte und wählen schließlich die jeweils herausragende Sorte aus. Abgestimmt wird mit hellen und dunklen Kugeln, wie sie am Abakus zu finden sind, der uralten Rechenmaschine.

Nach strengem Reglement destillieren sie alljährlich exakt 1444 Flaschen - das sind 1000 Liter Schnaps, für die es wiederum 20.000 Kilogramm erstklassiges Obst braucht. Die Flaschenanzahl entspricht dem Jahr, in dem die Pucher Kirche gegründet wurde und auch der Preis nahm ursprünglich darauf Bezug: Zu Vor-Euro-Zeiten kostete die Flasche 1444 Schilling, heute sind das angepasste, aber immer noch stolze 104,44 Euro.

An und in die Kirchhofsmauer haben die Apfelmänner zudem eine Kultstätte gebaut. Dort mauern sie von jedem Jahrgang fünf Flaschen ein - die müssen hier 100 Jahre reifen. Alles in allem eine Menge Brimborium. Doch es geht nicht um die Show, beteuert Hofer, dafür seien die Apfelmänner viel zu ernsthaft bei der Sache. Und die Arbeit am Abakus ist extrem zeitaufwendig und intensiv. Jedes Mitglied müsse die zwölf Bruderschafts-Regeln strikt befolgen, die auch den Umgang mit der Natur festschreiben: "Die Apfelmänner müssen zum Beispiel einmal im Jahr pflügen - nicht mit dem Traktor, sondern mit Ross und Hand -, um sich ihren Respekt vor der einst mühsamen Arbeit des Bauern zu bewahren."

Für eine Reise nach Puch gibt es einige gute Gründe, der mit Abstand wichtigste aber hat mit jenem göttlichen Vitaminspender zu tun, der bekanntermaßen schon in der Bibel zu unsterblichem Ruhm gelangte - als allzu süße Frucht der Verführung zur Sünde. In Puch hingegen ist der Apfel ein unumstrittener Glücksbringer und Seligmacher, und das schon seit den Zeiten der Kelten. Apfelbäume und Apfelplantagen bedecken die sanften Hügel soweit das Auge reicht. Kein Wunder also, dass sich eine der schönsten Themenstraßen Österreichs durch dieses Paradies windet - die 25 Kilometer lange Steirische Apfelstraße. Mit Puch als unangefochtenem Zentrum.

Für alles, was man aus Äpfeln zaubern kann, finden Leckermäuler in und um Puch eine schier unerschöpfliche Schatzkammer - zum Beispiel in der Manufaktur von Tino und Jaqueline Pölzer. Sie verarbeiten regionaltypische Äpfel von Streuobstwiesen zu erstklassigem Essig - 22 Bio-Sorten insgesamt, die bis auf die Apfel-Honig-Varianten alle vegan sind und hochgeschätzt bei Kundschaft aus aller Welt.

Die Redaktion wurde von ADAC Reisen zu der Reise eingeladen.

(RP)
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