Italien Christos neues Wunder

Der Lago d'Iseo ist ein Sommeridyll Oberitaliens. Nun verzaubert Künstler Christo die Landschaft. 16 Tage können Besucher auf schwimmenden Stegen übers Wasser wandeln.

Ganz früh wird das Farbenspiel am schönsten sein. Wenn bei Sulzano die Sonne über die Gipfel lugt, den Iseosee in Molltönen ausmalt und dann der Wind Wellen an die auf dem See schaukelnden Stege schwappen lässt. "Floating Piers" heißt das neue Projekt von Christo. Aus 200.000 Plastikwürfeln zusammengesetzte Stege führen ab dem 18. Juni drei Kilometer übers Wasser des Iseosees, vom Festland in Sulzano hinüber nach Peschiera Maraglio auf Monte Isola und dann weiter zum Inselchen San Paolo. Nicht nur die schwimmenden Brücken, auch einige Straßen der Ortschaften und das Ufer werden auf einer Länge von eineinhalb Kilometern mit dem gelb-orangenen Stoff verhüllt. Unter Italiens Sonne schimmert es wie flüssiges Gold.

In seinem langen Künstlerleben hat der 80-jährige Bulgare zusammen mit seiner 2009 verstorbenen Frau Jeanne-Claude immer wieder scheinbar Unmögliches möglich gemacht, indem er Bauwerke wie den Berliner Reichstag verhüllte und Landschaften in aller Welt mit Kunst im großen Stil verfremdete. Nun lässt er in seinem ersten Mammutprojekt seit mehr als zehn Jahren Besucher übers Wasser gehen - nur bitte ohne Schuhe, damit man den Stoff spüren kann. "Es wird nicht nur schön aussehen. Es wird sich auch ziemlich sexy anfühlen, als ob man auf einem Wasserbett spazieren geht", sagt Christo. Ein vergängliches Wunder: Nach wenig mehr als zwei Wochen werden die Stege wieder abgebaut.

Auf Monte Isola sind Autos tabu: Die 2000 Bewohner der Insel fahren Moped. Wer mit der Fähre nach Peschiera Maraglio übersetzt, flaniert dort durch ein ungeschminktes Dörfchen. Katzen sonnen sich auf Fensterbänken, Wäsche trocknet im Wind, in den Gassen duftet es nach Pastasoße mit getrockneten Sardinen. Auf einem Maultierpfad geht es hoch zur Wallfahrtskirche. Dort ist man mit dem Blick auf See und Berge allein.

Der 25 Kilometer lange Iseosee liegt nahe der Unesco-Welterbestadt Brescia bei der Franciacorta, wo in den Kellern der Güter einige der besten Schaumweine Italiens in der Flasche reifen. Viele Touristen kennen den Iseosee trotzdem nicht. Nun sorgt Christo dafür, dass die Hotels und Pensionen fast ausgebucht sind. Die 13 Millionen Euro, die sein Projekt kosten wird, bezahlt er aus eigener Tasche vom Verkauf seiner Kunstwerke. "Die Idee, mit Stegen auf dem Wasser zu wandeln, hatten wir schon vor über 40 Jahren. Erst wollten wir sie vor Buenos Aires auf dem Rio de la Plata umsetzen. Doch wie so oft bekamen wir keine Genehmigung. Auch ein zweiter Anlauf in der Bucht von Tokio klappte nicht", erzählt Christo. Nun wurde er in Italien fündig.

"Man kann die Floating Piers von den umliegenden Bergen aus sehen. Doch sie sind kein Gemälde zum Anschauen - man erfährt sie besser am eigenen Leib." Wer der Spur des goldgelben Stoffes folgt, wird erst auf festem Untergrund durch die Gassen von Sulzano spazieren, bis plötzlich eine 16 Meter breite Promenade auf den See hinaus führt. "Ich habe es ausprobiert", sagt Christo. "Es fühlt sich an, als balanciere man auf einem Wal."

Die Redaktion wurde von Iseo Holiday und Auto Europe zu der Reise eingeladen.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort