Slow Skiing auf der Schatzalp Über Davos darf die Zeit stillstehen

Davos · Auf der Schatzalp oberhalb von Davos geht es gemächlich zu - sowohl unter den Skifahrern auf den übersichtlichen elf Pistenkilometern als auch im Hotel, das einst ein Luxussanatorium war. Hektik gibt es nicht auf dem "Zauberberg", dafür jede Menge Sonnenschein.

Davos: Slow Skiing auf der Schatzalp
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Foto: dpa, zeh koa

Karsten Kunze hat die Ruhe weg. Freundlich grüßt er jeden Skifahrer und jeden Wanderer, der den Weg vom Hotel "Schatzalp" durch den Wald zu seinem Lift findet. Ein Zweier-Sessellift, keine Luxus-Polster, keine Haube, keine Sitzheizung. Für die knapp 300 Höhenmeter zur Bergstation braucht das Relikt aus alten Zeiten gut sieben Minuten. Oder ein bisschen länger, wenn Kunze für Fußgänger den Lift anhält oder ihn für die langsameren Skifahrer noch eine Idee langsamer fahren lässt.

Aber das macht nichts auf der Schatzalp, in dem kleinen Skigebiet, das oberhalb von Davos bis zum Strelapass reicht. Hier hat man es nicht eilig. "Wir haben das Areal als Slow Mountain, langsamen Berg, ausgewiesen", sagt Pius App, der Besitzer des Berges. Das gilt für die elf Pistenkilometer, die sich hinter dem einstigen Sanatorium talwärts winden. Das gilt auch für die Schlittenstrecke, die vom Hotel in die höchste Stadt Europas, nach Davos, führt. Und das gilt für das heutige Hotel "Schatzalp", in dem noch vieles aus der Zeit der vergangenen Jahrhundertwende erhalten ist.

Kein Fernseher, dafür ein schöner Blick über Davos

"Hierher kommen die Leute, wenn sie wirklich entspannen wollen", sagt App. Die Zimmer haben keinen Fernseher, dafür einen großartigen Blick auf Davos und in die umliegende Bündner Bergwelt. Auf den großen Terrassen, alle nach Süden ausgerichtet, stehen bis heute die Davoser Liegestühle aus Rattan, auf denen vor 100 Jahren die siechenden Tuberkulosekranken viele Stunden des Tages verbrachten und die klare Luft der Berge einatmeten. "Diese Liegestühle hat man zwar nicht in Davos erfunden", sagt der Lokalhistoriker Klaus Bergamin. "Aber man hat sie schnell eingemeindet."

"Die klare Luft war ja früher das Einzige, das man den Tuberkulosekranken verordnen konnte", erinnert sich der 75-Jährige, der als Jugendlicher selbst die Lungenkrankheit hatte, die bis zur Erfindung des Antibiotikums kaum heilbar war. Weil so viele Leute erkrankten, bauten der Tuberkulosearzt Lucius Spengler und Willem Jan Holsboers Ende des 19. Jahrhunderts ein Luxussanatorium auf der Schatzalp. "Hierher kamen die Reichen aus ganz Europa, die unter dieser furchtbaren Krankheit litten", sagt Bergamin. Sie hatten ein straffes Programm: Fünfmal am Tag im herrlichen Jugendstil-Speisesaal essen, Spaziergänge und zweimal zweieinhalb Stunden auf der Terrasse liegen. Bei Wind und Wetter, bei Sonnenschein und Nebel.

Noch heute schätzen die Gäste die großen Balkone und die Möglichkeit, sich dort ungestört in die Sonne zu legen. In der "Snow Bar", im Erdgeschoss des dreistöckigen, 103 Meter langen Gebäudes, sitzt man hingegen eher, wenn man die Sonne in Gesellschaft genießen will. Denn hier kehren die Ski- und Schlittenfahrer ein.

Urlaub im ehemaligen Sanatorium aus dem "Zauberberg"

Am Silvesterabend des Jahres 1900 ging das Sanatorium in Betrieb, nach gut 50 Jahren war es überflüssig geworden - Tuberkulose konnte nun mithilfe von Tabletten geheilt werden. Aus dem Sanatorium, das Thomas Mann mehrfach in seinem Roman "Zauberberg" erwähnt, wurde ein Hotel. Doch das war um die Jahrtausendwende so heruntergewirtschaftet, dass es kurz vor dem Ruin stand. Pius App, Informatiker, Ingenieur und Inhaber eines Patents für fälschungssichere Bank-Unterschriften, hat das gesamte Gebiet, 470.000 Quadratmeter, mit einem Partner gekauft. "Ich wollte nicht, dass hier ausländische Investoren ein Heididorf errichten", sagt er.

Viel Geld steckt der Mittsechziger jedes Jahr in das Hotel und in die Skianlagen, allein der Hotelbetrieb rechnet sich nicht. Daher hatten die beiden Geschäftsmänner die Idee, ein weiteres Gebäude auf den Berg zu bauen und darin neben Hotelzimmern der Luxuskategorie auch Appartements zu verkaufen. Der Entwurf eines mehr als 100 Meter hohen Turms, den die Schweizer Star-Architekten Herzog und de Meuron gezeichnet haben, scheidet allerdings die Gemüter, seit er vor fast zehn Jahren veröffentlicht wurde. "Aber wir haben die Zustimmung der Davoser bei einer Abstimmung erhalten, die Pläne liegen fertig in der Schublade", sagt App. Doch: Die bürokratischen Mühlen mahlen auch bei den Eidgenossen langsam, und so sind noch lange nicht alle Genehmigungen erteilt.

Ein Skigebiet für Fans der Langsamkeit

So lange positioniert er seinen Berg als Slow Mountain. Als Skigebiet für all jene, die die Langsamkeit genießen und nicht daran interessiert sind, an einem Tag möglichst viele Höhenmeter zu schaffen. Für die hat Davos wahrlich genug Skigebiete. 320 Pistenkilometer bietet die Region. Und dazu die 11 auf der Schatzalp. Die haben allerdings für viele Davoser eine ganz besondere Bedeutung, haben sie doch auf den eher sanften Hängen die ersten Schwünge im Schnee gewagt. Apps Skigebiet allerdings darf nicht Mitglied im Verbund der Skipässe werden, so sagt er. Denn er macht keinen Kunstschnee. "Wir wollen ein Naturschneegebiet bleiben, auch wenn das die Zahl der Skitage einschränkt."

Für Pistenchef Bruno Frank macht das die Arbeit mitunter schwierig.
Er rangiert mit dem Pistenbully Schneehaufen über den Berg. "Hier oben kann der Wind recht heftig wehen, und dann verbläst es uns den Schnee", sagt er. So kann es kommen, dass sich in mancher Mulde einige Meter Schnee sammeln, während auf den Höhen nur ein paar Zentimeter liegen. "Und wenn darauf die Sonne scheint, wird es schwierig." Den Gästen der Schatzalp allerdings scheint es nicht allzu viel auszumachen, wenn die Pisten direkt vor der Tür nicht geöffnet sind. Schließlich können sie auf viele andere Arten langsam sein: Beim Wandern auf die Stelaalp, beim Schlittenfahren, beim Bummeln im Dorf. Oder beim Nichtstun auf der sonnenüberfluteten Terrasse.

(dpa)
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