Urlaub in Ungarn Safari durch die Puszta

In der Puszta ist die uralte Hirtenkultur noch lebendig. Obendrein leben dort Auerochsen und die weltweit größte Herde der seltenen Przewalski-Wildpferde.

So schön ist Budapest
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Der Fahrtwind bläst heiß wie aus einem Fön über die Haut, während der Jeep durch die Steppe rumpelt. Die Puszta ist erbarmungslos. Kein Baum, kein Busch in Sicht. Dafür stehen am Himmel unschuldige Schäfchenwolken wie Wattebäusche. Je länger man auf den Horizont schaut, desto mehr verschwimmt er. Irgendwann meint man, dort Bäume ohne Stämme in der Luft schweben zu sehen. Das Phänomen der Fata Morgana ist sogar in manchen Karten eingezeichnet.

"Dort hinten grasen sie", ruft Biologin Kristin Brabender und zeigt auf eine Reihe schwarzer Flecken im hellen Gras. "Das sind rückgezüchtete Auerochsen." Jeder einzelne mit einem Hals so dick wie fünf Männeroberschenkel und der Kraft einer Fußballmannschaft. Vor einiger Zeit hatte Brabender so ein Exemplar noch in ihrer Garage beherbergt. "Als 'Tihamér' anfing, von innen gegen die Tür zu donnern und sie nicht mehr hielt, war es Zeit für einen Umzug in die Wildnis", sagt die deutsche Biologin. Sie ist Mutter einer ganzen Reihe verwaister Jungtiere: aus dem Nest gefallene Storchenkinder, Steinkäuze und zwei verlassene Rehkitze.

Aber Brabenders Herz schlägt besonders für die seltenen Przewalski-Pferde, die in unmittelbarer Nachbarschaft der Ur-Stiere grasen. Sie hat ihre Diplomarbeit über die Wildpferde geschrieben und war überglücklich, als man ihr gleich nach dem Studium die Leitung des Wildtierparks Hortobágy und des Wildpferd-Reservats Pentezug anbot.

Man könnte die Pferde mit ihrem gedrungenen Körperbau und der Irokesenmähne fast für Zebras halten, nur fehlen die Streifen. Einst besiedelten sie die gesamte eurasische Steppe. Weil der Mensch die Weideflächen für sein Vieh immer mehr ausdehnte und damit dem scheuen Tier auf den Leib rückte, zog es sich in immer futter- und wasserärmere Gebiete zurück.

In den 1950er Jahren galt die Art praktisch als ausgestorben. Nur durch vereinzelte Züchtungen in Tierparks konnte sie gerettet werden. "Die ersten wieder angesiedelten Pferde stammen aus dem Kölner Zoo", sagt Brabender, die aus dem Oberbergischen kommt. Mit 350 Tieren ist es nun die größte Herde von Przewalski-Pferden weltweit.

Das Reservat Pentezug umfasst nur einen kleinen Landstrich in der Puszta - Europas größter natürlicher, zusammenhängender Grasheide. Ein Teil ist durch Ungarns ältesten Nationalpark Hortobágy geschützt. Trotzdem wird hier wie seit Jahrhunderten Tierhaltung betrieben, denn die Hirten haben eine ganz eigene Kultur entwickelt, die bis heute lebendig und ein Weltkulturerbe ist.

Das Gestüt Máta züchtet seit 300 Jahren die ungarische Pferderasse Nonius und gehört zur Puszta wie Paprika ins Gulasch. Hier starten im Sommer täglich Safaris in die Hirtenlandschaft. An diesem Nachmittag zuckelt nur eine einzige Kutsche hinaus in die Weite. Dort grasen Zackelschafe mit gedrehten Hörnern und Wollschweine mit Fell. Eine Gruppe Büffel badet in einem Sumpf, die anderen stehen unter dem Schatten des einzigen Baumes weit und breit. Dem Kutscher brennt die Sonne im Nacken. Er lenkt sein Gefährt vorbei an einem Ziehbrunnen, an reetgedeckten Ställen, deren Dächer bis auf den Boden reichen, direkt vor eine Herde Graurinder. Die Tiere wirken wie aus der Zeit gefallen - mit weißem Fell und Hörnern, die denen der Auerochsen weit überlegen sind.

Plötzlich galoppieren drei Pferdehirten herbei, sie wedeln mit Kreiselpeitschen und zeigen den Besuchern ihre Kunststücke. Was oft als reine Touristenattraktion abgetan wird, ist eine alte Tradition, die auf die Zeit der Puszta-Räuber zurückgeht. Damals hat man die Pferde gelehrt, sich auf Befehl hinzulegen, damit sie von weitem nicht gesehen werden. Dann stellte man sich auf deren Bauch und knallte mit der Peitsche, um die Tiere "schusssicher" zu machen. Die drei "Csikós" üben für das Pfingstfest. Die höchste Dressur ist die "ungarische Post". Dabei galoppiert ein Mann stehend auf einem Fünfer-Gespann. Früher durfte der Sieger ein Jahr lang kostenfrei in den Dorfschänken essen und trinken. Daraus entstand die noch heute übliche Redewendung "Pfingstkönigreich" für etwas das viel bringt, aber von begrenzter Dauer ist. Pferdehirt Ernö Ticz trägt die typische Tracht eines Pferdehirten. Neun Meter Stoff stecken in der Pluderhose, drei Meter im Hemd. Der Umgang mit Tieren liegt Ticz' Familie im Blut: Der Vater ist Rinderhirte, der Großvater war ein Husar. Seine Frau arbeitet in der Pferdezucht im Máta Gestüt, auch sein Sohn will "was mit Pferden machen" - schließlich steht der Csikó in der Hirtenhierarchie an oberster Stelle.

Wenn am Abend die Sonne langsam als glühender Ball hinter den Horizont sinkt und endlich ein kühler Luftzug über die Steppe haucht, hat Tiermutter Kristin Brabender Feierabend. Das heißt, so richtig noch nicht. Erst muss sie noch den elf Monate alten Otter Luttra einfangen. Jeden Abend nimmt sie ihn mit nach Hause. "Er ist bei Hochwasser in den See gefallen und konnte sich gerade noch an einem Ast festhalten, als ihn Fischer mit ihrem Netz gerettet haben", erzählt Brabender. "Besonders gern spielt er auch mit meinen dreckigen T-shirts", erzählt sie und lacht. Dennoch muss er sich langsam an Fischnahrung gewöhnen. Schließlich muss sie ihn eines Tages wieder in die Wildnis entlassen.

Die Redaktion wurde vom Ungarischen Tourismusamt zu der Reise eingeladen.

(RP)
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