Bretagne Wandern an Asterix' Küste

Der bretonische Küstenwanderweg bietet auf 1600 Kilometern viele großartige Momente. Die Allgegenwart des Meeres und seiner Gezeiten sorgt für imposante Naturschauspiele. Nach den Touren verwöhnt den Wanderer die französische Küche.

 Spektakuläres Schauspiel: Bei starker Flut spritzt die Gischt in Saint-Malo über die Ufermauer.

Spektakuläres Schauspiel: Bei starker Flut spritzt die Gischt in Saint-Malo über die Ufermauer.

Foto: Christiane Keller

Die Gelehrten streiten sich bis heute, wo genau das gallische Widerstandsnest von Asterix, Obelix & Co. zu lokalisieren ist. Laut lateinischer Quellenlage befindet es sich an der Küste von Armorica; das kommt aus dem Keltischen und heißt: "vor dem Meer". Damit ist zweifellos die Küste der Côtes d'Armor der Bretagne gemeint, aber es bieten sich mehrere Orte an, auf die die Beschreibungen in den Asterix-Heften zutreffen. Wer diesen Möglichkeiten mit geografischer Gründlichkeit und sogar per pedes auf die Fährte gehen will, der kann den bretonischen Küstenwanderweg beschreiten. Bekannt ist er als der "Zöllnerweg".

Die Zollbehörden hatten ihn während der Französischen Revolution eingerichtet; zahllose Zöllner patrouillierten dort Tag und Nacht, um die Küste vor Schmugglern und Strandräubern zu schützen. Die war wegen ihrer zerklüfteten Gestalt bestens geeignet, dass Halunken nachts verbotene Geschäfte machten. Unsereiner ist als Bretagne-Tourist natürlich tagsüber unterwegs und kommt aus dem Staunen nicht heraus, wie sich dieser Weg wie ein kolossaler Lindwurm etwa an die legendäre rosa Granitküste anschmiegt.

Wer viel Zeit und noch mehr Energie hat, kann in 75 Tagen die 1600 Kilometer vom Mont Saint-Michel (Normandie) bis zum Golf von Morbihan (fast schon bei Nantes an der Loire-Mündung) absolvieren. 1600 Kilometer? Ja, kein Druckfehler, die bretonische Küste hat etwas Norwegisches mit ihren Fjorden und tief ins Land ragenden Flussmündungen.

Jeder Teilabschnitt hat seinen individuellen Zauber. Man erlebt Wildheit, sprühende Gischt, die Urgewalt der Natur, malerische Buchten und kleine Fischerdörfer. Anderswo begegnet man einer fast mediterranen Gelassenheit, die Sonnenanbeter einlädt, den Rucksack fallen zu lassen und die Sonne in vollen Zügen zu genießen. Wer je Gerüchte über das launische bretonische Wetter gehört hat: Sie stimmen. Doch gerade an der Küste reißt der Himmel immer wieder auf, und kaum erlebt man eine schönere Harmonie von Mensch und Natur als in den Momenten, da man über schmale Pfade, über Klippen, mitten durchs Gestrüpp, an Herrenhäusern, Burgen und Seeräuber-Forts vorbei pilgert und dabei die Sonne im Gesicht oder im Rücken spürt.

Wir sind zwei Teilabschnitte gegangen: den einen von der Austern-Metropole Cancale bis ins fast mondäne Saint-Malo, der Korsarenstadt mit der verwinkelten Altstadt "Intra muros", den zweiten hinter dem Seestädtchen Dinard bis zum Cap Fréhel, wobei man das majestätische Fort la Latte sieht, auf dem mehrfach die Geschichte von Tristan und Isolde verfilmt wurde. Man braucht festes, rutschsicheres Schuhwerk und sollte lange Hosen tragen. Schwindelfrei muss man allerdings nur an wenigen Stellen sein; die Wege sind gut geführt und auch bestens ausgeschildert. Es empfiehlt sich freilich, sich mit den teilweise heftigen bretonischen Gezeiten anzufreunden. Es kann sein, dass ein Weg durch eine Bucht führt, die dann plötzlich wegen der Flut nicht zu passieren ist. Belohnt wird man spätestens in Saint-Malo, wenn dort eine Springflut über die Strandmauer auf die Häuser an der Promenade klatscht.

Wir haben auf dieser Tour unsere Lieblingsbucht entdeckt, sie liegt in Höhe der Ortschaft Saint Coulomb, ist nach dem Herrenhaus "Roz Ven" benannt und von einer geradezu gottverlassenen Einsamkeit. Wer hier nicht gerade im Hochsommer durch den feinen Sandstrand spaziert, hat die Bucht meist für sich allein. Gleich nebenan liegt die erhabene Bucht des Forts du Guesclin, das eine wechselhafte Geschichte erlebte: Erst diente es als Schutz vor den Engländern, dann nach der Besatzung als deutscher Wehrpunkt innerhalb des Atlantik-Walls. Später befand sich das Gemäuer unter anderem im Besitz des berühmten französischen Chansonniers Léo Ferré.

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Und wer sich abends für die Wanderei belohnen will, kehrt in Saint-Malo in einem der vielen kleinen Restaurants ein und bestellt sich Crêpes, Galettes, eine Portion fangfrische Muscheln mit Pommes frites und einen leckeren Cidre oder einen trockenen Muscadet. Auf dem Weg zur Verwöhnstation bekommt man von der Promenade aus am riesigen Strand von Saint-Malo bei frischem Wind aufregende Darbietungen von Surfern, Segel- und Strand-Katamaranen geboten. Dies ist als Theater am Wasser spektakulärer als der überschätzte Mont Saint-Michel - der ist längst zur Neppfalle verkommen.

(w.g.)
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