Winter-Report aus Lech Warum Schnee nicht alles ist

Lech · Der vorweihnachtliche Kurztrip in die Alpen ist für uns seit Jahren Ritual: Die weiße Pracht der winterlichen Berge, die ersten Schwünge auf den jetzt noch nicht überfüllten Skipisten und ein paar gemütliche Abende am Hütten-Kamin – besser kann man sich gar nicht auf Weihnachten einstimmen. Eigentlich.

 Unser Autor Thomas Reisener hatte sich das alles irgendwie anders vorgestellt.

Unser Autor Thomas Reisener hatte sich das alles irgendwie anders vorgestellt.

Foto: Thomas Reisener

Der vorweihnachtliche Kurztrip in die Alpen ist für uns seit Jahren Ritual: Die weiße Pracht der winterlichen Berge, die ersten Schwünge auf den jetzt noch nicht überfüllten Skipisten und ein paar gemütliche Abende am Hütten-Kamin — besser kann man sich gar nicht auf Weihnachten einstimmen. Eigentlich.

In diesem Jahr ist es nämlich mit der adventlichen Winterstimmung in den üblichen Destinationen nicht allzu weit her: Österreich hatte in diesem Jahr den wärmsten Oktober seit Beginn der Wetteraufzeichnungen. Entsprechend sieht es derzeit dort in den meisten Skigebieten auch aus. Bei vielerorts zweistelligen Temperaturen kommen auch die Schneekanonen nicht mehr gegen die grünen Hänge an. In Frankreich waren zum Saisonstart vor wenigen Tagen nur 40 von 200 Skigebieten offen. In den deutschen und schweizerischen Skigebieten sieht es abseits der Gletscher-Skigebiete nicht viel besser aus.

Stornieren? Oder einfach mal hinfahren und sehen, was geht? Wir entscheiden uns für unseren adventlichen Lieblings-Klassiker und fahren ins österreichische Lech am Arlberg. Und lernen, dass der Schnee selbst im Skiurlaub nicht alles ist. Bei der Ankunft erst einmal lange Gesichter. Unsere Stamm-Pension am Rande von Ober-Lech, wegen der günstigen Lage mitten auf einer Skipiste sonst innig geliebt, steht in diesem Jahr auf einem grün-weißen Matsch-Haufen. "Für die Schneekanonen ist es zu warm", entschuldigt sich unsere Wirtin - fünf Grad Plus zeigt das Thermometer im Fensterwinkel an. Guten Kunstschnee können auch die besten Maschinen erst bei Minustemperaturen produzieren - und damit er liegen bleibt, braucht die Piste vorher ein paar Zentimeter Grundlagenschnee. Aber wo soll der in diesem Jahr herkommen? "Anfang Dezember hatten wir hier noch Gänseblümchen", stöhnt die Wirtin, "letztes Jahr war's schon schlimm. Aber so wenig Schnee wie heuer hatten wir im Dezember noch nie." Immerhin: Die Bahnbetreiber geben alles.

Die Liftpass-Preise sind wegen des schlechten Wetters ermäßigt. Rund ein Dutzend der knapp 50 Lifte im erst kürzlich um das Nachbargebiet Warth erweiterteten Skizirkus Zürs/Lech waren in der vergangenen Woche in Betrieb. Eine Handvoll Pisten, darunter die Talabfahrt vom Kriegerhorn (2173 Meter), konnten wir Dank aufwändigster Präparierung befahren. Aber die legendären 200 Tiefschnee-Kilometer jenseits der Pisten, die der wahre Schatz des Arlbergs sind, sucht man in der diesjährigen Vorsaison vergebens. Was sich so schnell auch nicht ändert: Selbst Heiligabend werden in Lech noch acht Grad Celsius erwartet, erst danach kommt der erste echte Kälteeinbruch des Jahres.

Entsprechend frustriert war am vergangenen Wochenende noch das Personal in der Rüfikopf-Seilbahn. "Wir wollen ja arbeiten", mault einer der beiden Seilbahnführer durch die fast leere Gondel, "aber gegen diese Temperaturen kommst Du nicht an." Er nimmt uns mit — ohne Skier, weil die Pisten oben noch gesperrt sind. Die geschlossene Schneedecke auf dem Rüfikopf (2362 Meter) täuscht: Wir wandern die Piste entlang, und schon nach wenigen Höhenmetern wird die weiße Bahn zum braunen Wanderweg. Nicht nur wir, auch die Skilehrer improvisieren in dieser Saison. Für rund 30 Euro je Teilnehmer bieten einige geführte Winterwanderungen an — teilweise spektakuläre Höhenwege, mal inklusive Aufstieg, mal mit ein paar eingebauten Sesselliften. Für uns als leidenschaftliche Skifahrer eröffnet sich dabei ein ganz neuer Blick auf die Berge: Die Landschaft zieht langsamer vorbei als beim Skifahren, der Blick bleibt öfter an den Details hängen. Wenn man sich die Berge zu Fuß erkämpft, wächst anders als im Skilift auch mit jedem Höhenmeter der Respekt. Und die Leberknödel-Suppe auf der Kriegeralpe schmeckt mindestens genauso gut.

(tor)
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