Jubiläum 100 Jahre Rocky Mountain National Park

Denver · Die Pionierzeit Nordamerikas zeichnete sich nicht gerade durch eine nachhaltige Entwicklung aus. Doch etwas später entstanden hier die ersten Nationalparks der Welt. Einer davon, der Rocky Mountain National Park, feiert in diesem Jahr seinen 100. Geburtstag.

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Foto: bjul / Shutterstock.com

Man kann einfach nicht anders: Der Blick schweift über Bergketten und Täler, klammert sich an den "König der Rocky Mountains", den 4346 Meter hohen Longs Peak, oder die anderen 71 Viertausender. Er gleitet von den schneebedeckten Berggipfeln hinunter zu den gelb und blau getupften Wiesen, auf denen Hirsche und Rehe weiden. Weiter unten ziehen vom Schmelzwasser angeschwollene Flüsse ausufernde braune Streifen durch das satte Grün. Jeden noch so entlegenen Winkel dieser grandiosen Landschaft will man in sich aufsaugen. So sind die "Rockies".

Mehr als drei Millionen Besucher aus dem In- und Ausland berauschen sich jährlich an der natürlichen Pracht des 1076 Quadratkilometer großen und höchsten Nationalparks der USA. Sie genießen das angenehme Klima, füllen ihre Lungen mit sauberer Höhenluft und bringen beim Wandern ihren Kreislauf in Schwung.

Dass sich dieses beeindruckende Naturerlebnis heute noch immer so genießen lässt wie vor 100 Jahren, ist vor allem Enos Mills zu verdanken. Er gilt als Vater des Rocky Mountain National Parks. Die Suche nach ihm führt nach Estes Park, etwa anderthalb Autostunden nordwestlich von Denver. Nur wenige Kilometer von dem kleinen Ort entfernt führt Enos' Urenkelin Eryn Mills Besucher durch die in ein Minimuseum umgewandelte kleine Blockhütte ihres Urgroßvaters.

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Foto: Bertl123/ Shutterstock.com

"Das muss der schönste Tag in seinem Leben gewesen sein", sagt Eryn und deutet auf ein leicht vergilbtes Foto, auf dem ihr Ur-Großvater Honoratioren der Region am 5. September 1915 um sich schart, um den Rocky Mountain National Park offiziell einzuweihen.

Eigentlich wollte Enos als 14-Jähriger hier oben nur einige Monate die klare Bergluft genießen, um sich von Tuberkulose zu erholen, erzählt Eryn. "Doch die Schönheit der Landschaft überwältigte ihn, und nachdem er 1889 mit dem bekannten Naturschützer John Muir zusammengetroffen war, ließ ihn die Idee der Schaffung eines Nationalparks nicht mehr los." Glücklicherweise fand man im Gebiet des heutigen Nationalparks kaum Gold oder andere Bodenschätze, und der lange Winter auf über 3000 Höhenmetern bot der Landwirtschaft keine günstigen Bedingungen. So konnte Mills die Ortsansässigen von den Vorteilen einer touristischen Nutzung der Region überzeugen.

Von 1909 bis 1915 tourte Mills durch Vortragssäle der USA, schrieb Zeitungsartikel sowie Bücher und erreichte schließlich mit finanzieller Unterstützung von Unternehmern, dass der amerikanische Kongress 1915 der Errichtung des Nationalparks zustimmte. Mit dem Ersten Weltkrieg in Europa und der Verbreitung des Automobils in den USA besannen sich die Amerikaner zusehends auf touristische Attraktionen im eigenen Land.

Enos Mills und seine Frau Esther führten fortan viele Touristen durch die alpine Tundra des Parks und auf den Gipfel des Longs Peak. Heute setzen professionelle Bergführer wie Andy Barkley diese Tradition fort. Eine seiner Lieblingstouren führt 600 Höhenmeter hinauf an den "Fern Lake". Riesige Gesteinsbrocken, die einst von den gewaltigen Felswänden in das von Gletschern herausgefräste Tal herabstürzten, säumen den Weg. Entlang rauschender Bäche geht es durch Feuchtgebiete mit Espen, weißer und blauer Akelei, Gänseblümchen und kleinen Asternarten, Lilien und Vergissmeinnicht. Langsam wechselt der Baumbestand zu Pinien und Douglasien, und neben dem Fern Wasserfall tummeln sich Rotkehlchen, Zaunkönige und Elstern, ja selbst Kolibris fühlen sich in dieser Höhenlage wohl.

Am See angekommen, warten bereits Eich- und Streifenhörnchen darauf, dass Wanderer ihr Picknick aus dem Rucksack holen. Fliegenangler haben die besten Uferplätze besetzt, um Forellen zu fangen und anschließend wieder ins Wasser zu setzen. Am späten Nachmittag breitet sich eine wohltuende Ruhe über dem See aus. Die Nacht gehört den gerade einmal fünf Campern, die auf zwei kleinen Plätzen ihre Zelte aufgebaut haben. Bald versteckt sich die Sonne hinter den mächtigen Felswänden und färbt zum Abschied die Wolken lila. Bevor es in die Schlafsäcke geht, beruhigt Andy: "Die einst hier lebenden Schwarzbären und Wölfe hat man in der Pionierzeit erbarmungslos ausgerottet, nur Pumas werden dann und wann noch gesichtet."

Erik Stensland bestätigt das am nächsten Tag. Der Landschaftsfotograf kennt jeden Winkel des Parks und durchstreifte das über 560 Kilometer lange Wanderwegenetz unzählige Male. Oft beginnt er seine Touren um Mitternacht, um die schönsten Motive im Licht der aufgehenden Sonne festzuhalten. "Einmal traf ich bei einer solchen Nachttour auf ein Pumapaar, das sich erst nach heftigem Gestikulieren und Rufen meinerseits entschloss, ins Gebüsch auszuweichen."

Für Stensland sind die Rockies ein einziges Wunderland. "Wenn am Morgen das Leben im Park erwacht, legt sich ein Zauber über die Landschaft, der jeden Naturliebhaber fasziniert", schwärmt er. "Die ersten Sonnenstrahlen spielen mit dem Nebel über dem See, kitzeln die Berggipfel, tauchen Wiesen, Bäche und Blumen in ein weiches Licht und wecken im Menschen eine Sehnsucht, die sonst im Inneren verborgen bleibt." Er hat seine Gefühle in Fotos eingefangen und zum 100.
Geburtstag des Parks in dem Band "Wild Light" veröffentlicht.

Doch auch Aktivurlauber kommen auf ihre Kosten. Am südwestlichen Zipfel des Parks hat der Colorado River mit dem Grand Lake ein Wasserparadies erster Güte entstehen lassen. Von den Adams-Wasserfällen im Norden bis zum Rafting-Dorado Kremmling im Süden finden Wassersportfreunde alles, was ihr Herz begehrt.

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Foto: Shutterstock.com/ Doug Lemke

In Breckenridge wird man mit einer anderen Seite der Geschichte der Rockies konfrontiert. Mit Guide Ronnie Picariello geht es durch eine verwüstete Landschaft von Geröllhalden. "Nachdem zwei Goldgräber 1887 hier im French Gulch einen 13 Pfund schweren Goldklumpen gefunden hatten, begann ein rücksichtsloser Raubzug durch die Bäche und Flüsse des Swan- und Blue River rund um Breckenridge", erzählt Picariello. "Nach und nach beseitigen wir die Geröllhalden, doch das zur Goldgewinnung genutzte Arsen, Quecksilber und Natriumcyanid wird noch lange Zeit unseren Boden belasten." Ganze Berghänge wurden bei der hydraulischen Goldsuche weggespült. Geblieben sind verwitterte Minen und Maschinen sowie Geisterstädte, in denen einst die Goldsucher, später Hippies hausten.

Ganz anders präsentiert sich der nur 343 Quadratkilometer große und erst zehn Jahre alte Great Sand Dunes National Park. Hier haben der in den Rockies entspringende Rio Grande und seine Nebenflüsse die mit bis zu 230 Metern höchsten Dünen Nordamerikas entstehen lassen. Der am Fuße der Dünen rauschende Medano-Creek und die im Hintergrund glitzernden, schneebedeckten Gipfel der Rockies bilden ein spektakuläres Landschaftsensemble.

Sandboarder tauchen zwischen ihren halsbrecherischen Stunts im Wüstensand ins erfrischende Nass des Medano, Familien mit Kleinkindern haben ihre Strandmuscheln aufgeschlagen und lassen ihre Sprösslinge in einem der größten Sandkästen Nordamerikas buddeln. Wanderer und Fotografen zieht es in die entlegeneren Teile des Nationalparks.

Nur einen Steinwurf entfernt kommen Western-Fans auf ihre Kosten. Auf Pferden geht es durch das Gras- und Bergland, durch Flüsse und vorbei an alten Ranches sowie riesigen Bisonherden. Allein auf den Flächen der Zapata-Ranch grasen mehr als 2500 der Giganten. Doch wer auf der Ranch von Sonne und Wind gegerbte, Whisky trinkende und Bohnen essende Cowboys erwartet, täuscht sich: Hier üben in erster Linie junge Frauen und Mädchen den kräftezehrenden Job als Wrangler aus. Früh um fünf steigen sie in den Sattel, um die Herden auf frische Weiden zu treiben oder junge Kälber zu kennzeichnen.

Auch auf dem Pferderücken - oder alternativ zu Fuß - lässt sich der in Colorado Springs gelegene "Garden of the Gods" erkunden. Dieser von bizarren roten Sandsteinformationen dominierte Landschaftspark feierte seinen 100. Geburtstag bereits vor sechs Jahren und gehört neben dem Rocky Mountain National Park zu den beliebtesten Ausflugzielen der Einwohner von Denver und Colorado Springs - ein Mekka für Reiter, Wanderer, Mountain Biker und Kletterer.

(dpa)
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