Okavango-Delta in Botswana Im Einbaum auf dem Hippo-Highway

Kasane · Botswana ist berühmt für seinen Tierreichtum. Vor allem in den abgelegenen Naturreservaten des Okavango-Deltas, dem größten Binnendelta der Welt, können Besucher im Entdeckerzeiten-Stil die vielleicht exklusivsten Safaris in ganz Afrika erleben.

Auf Safari durch das Okavango-Delta in Botswana
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Auf Safari durch das Okavango-Delta in Botswana

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Foto: dpa, pla

Patrick will gerade zur Landung auf der schmalen Sandpiste ansetzen, als er die Giraffenherde sieht. "Wir müssen noch mal eine Runde drehen, bis die Tiere verschwunden sind", sagt der Buschpilot und zieht die kleine Cessna-Propellermaschine wieder hoch. Die Safari-Gäste freuen sich, kleben an den Fensterscheiben. Allen ist bei dem Ausblick sofort klar, an einem wirklich speziellen Ort zu sein: Umgeben von der Kalahari-Halbwüste gehört das Okavango-Delta in Botswana zweifellos zu den erstaunlichsten Landschaften Afrikas.

Die Sumpflandschaft ist ein schier endloses Labyrinth aus kleinen Inseln, Lagunen und Feuchtgebieten. Der aus dem Hochland Angolas kommende Okavango-Fluss bildet hier mit 15 000 Quadratkilometern das größte Binnendelta der Welt, wobei die Ausdehnung des Deltas enormen jahreszeitlichen Schwankungen unterliegt. Mit der Flut weitet sich die Schwemmlandschaft auf mehr als die doppelte Größe aus.

Der Wasserreichtum in der sonst recht kargen Region im Norden Botswanas macht das Delta zu einem der wichtigsten Rückzugsgebiete für Tiere im südlichen Afrika. Das wird schon beim Landeanflug klar:
Büffel, Zebras, Elefanten und riesige Antilopenherden grasen direkt neben der Sandpiste. Fast glaubt man, im Garten Eden zu landen, weit weg von der menschlichen Zivilisation.

Wie abgeschieden die Region ist, führt bereits der Flug von Kasane ins Delta anschaulich vor Augen. Straßen oder Dörfer? Fehlanzeige! Das Delta gehört zu den sehr wahrscheinlich unzugänglichsten Regionen Afrikas. In der Trockenzeit erreicht man zwar einige Lodges im Geländewagen. Doch zu den meisten kommt man nur mit kleinen Buschfliegern oder per Boot. Patrick landet sicher auf dem Busch-Flughafen. Er gehört zur "Xigera"-Lodge. Sie liegt idyllisch auf der kleinen Paradise-Insel mitten im Moremi-Wildreservat im Herzen des Okavango-Deltas. Botswana setzt seit Jahren auf exklusiven Individualtourismus und vergibt innerhalb seiner Naturparks private Wildreservat-Konzessionen, die von luxuriösen Lodge- und Safari-Betreibern geführt werden. Wer also im Okavango-Delta auf Safari geht, muss sich die Tierwelt nicht wie in Kenia mit Touristen verschiedenster Safari-Unternehmen teilen. Hier hat man die Tiere wie zu Entdeckerzeiten fast für sich alleine. Die meisten Lodges beherbergen maximal 20 Gäste, die auf den täglichen Pirschfahrten sogar noch auf mehrere Gruppen aufgeteilt werden.

Die Exklusivität und der Luxus der Camps haben aber natürlich auch ihren Preis - und zwar gut und gerne 400 Euro pro Nacht und Person. Und dabei handelt es sich nicht einmal um die teuersten Lodges. Die Fahrt vom Busch-Flughafen zum Camp lässt schon erahnen, was die Gäste hier jenseits ausgetretener Safari-Routen erwartet: Kudus, Antilopen, Zebras und Giraffen stehen wie ein Begrüßungskomitee Spalier.

Unterwegs in der Savanne von Kenia
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Unterwegs in der Savanne von Kenia

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Foto: shutterstock/ Andrzej Kubik

Safari-Lodge-Guide Rider bittet die Gäste, unter den neugierigen Blicken einer Affenhorde vom Jeep aufs Motorboot umzusteigen, da das Camp auf einem anderen Inselchen liegt. Und schon folgt der erste Adrenalinkick: 20 Meter vor der Lodge kommt plötzlich ein junger Elefantenbulle aus dem Schilf, um den vielleicht fünf Meter breiten Wasserkanal direkt vor dem Boot zu durchqueren. Das gewaltige Tier ist fast genauso erschrocken wie die Gäste, klappt die riesigen Ohren auf und trompetet, dass man kurz ängstlich wird. Rider hält sofort den Motor an und legt den Rückwärtsgang ein. "Keine Sorge. Er zieht schon weiter", beruhigt er die verschreckten Gäste. Da sind die warmen Erfrischungshandtücher und der alkoholische Willkommensdrink genau richtig. Das Begrüßungslied der Camp-Crew ist allerdings wohl ebenso für Angestellte wie für Touristen etwas peinlich. Aber das gehört dazu.

Über die langen Holzstege werden die Gäste in ihre Zelte gebracht. Wobei man die Luxushütten aus Holz und Stoff im Stil des Films "Jenseits von Afrika" kaum Zelte nennen kann. Die Möbel sind aus edlen Hölzern, die an Afrika-Safaris aus den Zeiten eines David Livingstone erinnern, die Waschbecken sind aus Kupfer. Alles vom Feinsten. Die Zelt-Hütten stehen am Uferrand. Direkt vor der Terrasse zieht gemütlich eine riesige Elefantenherde entlang. Willkommen in Botswana, dem Land mit der höchsten Elefantenpopulation Afrikas.

Die Unterkünfte - wie das gesamte Camp - stehen auf der kleinen Insel auf fast zwei Meter hohen Stelzen. Das kann Löwen, Hyänen, Leoparden und vor allem Affen aber natürlich kaum davon abhalten, ins Camp zu kommen, wie die "Lodge-Zeitung" jeden morgen verrät. Im Gegenteil: Sie nutzen häufig die Holzbrücke zum Camp, um nicht durchs Wasser schwimmen zu müssen. "Lodge-Zeitung"? So bezeichnen die Angestellten einen Teil des Stegs am Eingang zum Camp, der mit Sand ausgefüllt ist - die nächtlichen Besucher hinterlassen dort ihre Pfotenabdrücke.

Die Luxus-Camps sind sehr umweltbewusst, der Service ist perfekt, das Essen erstklassig. Von zartem Antilopen- und Zebrafleisch über internationale Delikatessen bis zu exzellenten chilenischen und südafrikanischen Weinen wird man hier mit allerlei Spezialitäten und Leckereien verwöhnt. Die Auswahl der Drinks ist großartig. Am Abend sitzt man in kleiner Runde am Lagerfeuer, schaut in den klaren Sternenhimmel und hört der Wildnis zu. Das Konzert der Frösche in diesem unendlichen Sumpfgebiet ist unglaublich. Das Schnaufen, Pusten und Tröten der Elefanten und Flusspferde würde man aber lieber in weiter Ferne vermuten und nicht zehn Meter neben der Feuerstelle.

Dreimal täglich geht man auf Pirsch - mal im offenen Safari-Jeep, mal im Motorboot. Einige Lodges bieten mehrtägige Ausflüge mit Pferden an. Im "Abu Camp" geht es sogar auf dem Rücken dressierter Elefanten auf Pirsch. Das vielleicht luxuriöseste Camp im Delta ist legendär für seine Interaktion mit Elefanten, kostet aber auch 1783 US-Dollar pro Person und Tag. Das sind gut 1600 Euro.

Nationalparks in der Provinz KwaZulu-Natal
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Nationalparks in der Provinz KwaZulu-Natal

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Foto: dpa, zeh

Rider erzählt am Lagerfeuer schon mal ein wenig von der Flora und Fauna im Delta, das mit 450 Vogelarten ein wahres Paradies für Ornithologen ist. Episch berichtet er von ungewollten Kämpfen mit Krokodilen, während die Gäste genüsslich an ihrem Amarula auf Eis schlürfen, einer afrikanischen Baileys-Sorte. Die schneeweißen Laken der Kingsize-Betten sind bereits aufgeschlagen, eine Wärmflasche soll das Rundum-Wohlgefühl perfekt machen, wenn die Gäste sich in ihre Zelte zurückziehen. So viel Luxus mitten in der afrikanischen Wildnis erinnert einen manchmal unangenehm an alte Entdeckerzeiten, in denen sich weiße Kolonialherren und reiche Abenteurer aus Europa von schwarzen Einheimischen von vorne bis hinten bedienen ließen.

Einbaumkanus werden aus Leberwurstbäumen geschnitzt

Der nächste Tag wird allerdings zu einer äußerst angenehmen Zeitreise in Entdeckerzeiten: Vorbei an unzähligen Seerosen gleiten wir lautlos im Mokoro durch die schmalen, von Papyrus gesäumten Wasserkanäle, welche die Flusspferde auf ihren Wanderungen hinterlassen. "Deshalb nennen wir sie auch gerne Hippo-Highways", sagt Rider.

Mokoros sind schmale Einbaumkanus. Früher wurden sie aus den Stämmen der Leberwurstbäume geschnitzt. Heute sind sie meist aus Fiberglas, um das Abholzen der Bäume zu vermeiden. "Außerdem bieten sie mehr Schutz, sollte uns ein Krokodil oder Flusspferd angreifen", sagt Rider und flüstert: "Wir müssen nun aber ganz still sein. Wir kommen jetzt auf einen See und möchten kein Flusspferd erschrecken. Das kann gefährlich werden."

Der Guide stößt das Mokoro mit seiner Stocherstange so sanft an, dass selbst die scheuen Königsfischer und seltenen Moor-Antilopen erst in letzter Sekunde aufschrecken. Im Schilf sonnen sich Krokodile. Auf einer kleinen Insel grasen friedlich Wasserbüffel, Impalas und Giraffen. Die Ruhe ist unbeschreiblich, ohne vom Menschen produzierte Geräusche. Nur das Singen der Vögel und der Wind sind zu hören. Plötzlich tritt ein mächtiger Elefantenbulle aus dem hohen Schilf heraus ins Wasser und weist mit einem heftigen Trompeten darauf hin, dass hier Elefanten beim Kreuzen Vorfahrt haben. Ihm folgen mehrere Weibchen und eine ganze Horde von Elefantenbabys und Jungtiere. In den flachen Mokoros kommen einem die Kolosse aus dieser Nähe noch imposanter vor.

"Die Elefanten sind sehr wichtig für das Ökosystem des Okavango-Deltas. Sie halten die Wasserkanäle frei", erklärt Rider. Er taucht die Holzstange wieder ins hüfttiefe, kristallklare Wasser und gibt dem Kanu einen kräftigen Stoß. So dürften auch die ersten Europäer das Okavango-Delta entdeckt haben. Unweigerlich erinnert man sich an den Werbeslogan des Fremdenverkehrsamtes: "Botswana, Afrikas bestgehütetes Geheimnis". Hier ist man mitten drin und fast alleine.

(dpa)
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