Rio, Paraty, Salvador da Bahia Brasilien - Das Land der Gelassenheit

Rio de Janeiro · Vier Fünftel aller Brasilianer leben in den Küstenregionen. Die Städte dort bieten daher einen abwechslungsreichen Einblick in die vielschichtige Kultur des Landes. Drei Beispiele: Rio de Janeiro, Salvador da Bahia und Paraty.

Rio de Janeiro: Die schöne Stadt am Zuckerhut
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Die schöne Stadt am Zuckerhut

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Foto: Riotur - Images Supply, Rio Postais Digitais Ricardo Azoury

Die Suche nach der richtigen Bushaltestelle wird für Touristen in der brasilianischen Großstadt schnell zum Abenteuer. Pläne gibt es keine, jedenfalls finden wir sie nicht. Und so irren wir durch Hochhausschluchten in der Küstenstadt Salvador da Bahia, bis wir einfach eine Passantin nach einem Bus zum Strand ansprechen.

Freundlichkeit in Salvador da Bahia

Sie überlegt einen Moment, dann erklärt sie charmant, es sei besser, sie zeige uns den Weg. Eine gute Viertelstunde lang begleitet sie uns bis zum richtigen Bus. Mehrfach erleben wir Ähnliches in dieser Drei-Millionen-Stadt, der drittgrößten Brasiliens. Vielleicht liegt's an der Gelassenheit der Menschen, dass sie so freundlich sind. Niemand hetzt - und bei 35 Grad und schwülwarmer Luft vergeht auch uns jeder deutsche Drang zur Hast.

Obwohl wir ein großes Programm vorhaben: Denn diese Stadt fasziniert mit den architektonischen Spuren kolonialer Vergangenheit ebenso wie mit dem Flair afrikanischer Einflüsse. Zum ersten Mal besuchen wir, allesamt Spanisch-Lernende, Brasilien, obwohl wir hier mit unseren Sprachkenntnissen nicht weit kommen. Doch wer sich für Lateinamerika interessiert, sollte - so unsere Überzeugung - auch das größte Land der Region kennen.

"Brasilien ist wie ein eigener Kontinent", der Riese unterscheide sich sehr von den übrigen lateinamerikanischen Ländern, erklärt unser Reiseleiter Claudio Lo Fiego. Der in Düsseldorf lebende Argentinier hat als Sprachlehrer bereits einige Reisen nach Südamerika organisiert. Auch Salvador da Bahia, bis 1763 Hauptstadt der portugiesischen Kolonie in Südamerika, offenbart uns seine besonderen Reize. Häufig hören wir Trommelklänge, Verkäuferinnen tragen Trachten der Region.

Bereits im 16. Jahrhundert wurden Sklaven aus Afrika hierhin verschleppt. Deren Nachfahren bestimmen heute Ausstrahlung und Kultur der Stadt. Die andere, die koloniale Vergangenheit, bestaunen wir im Altstadtviertel Pelourinho, das als Weltkulturerbe gilt.

Bunte Türen in Paraty

In kolonialem Ambiente, wenngleich beschaulicher, präsentiert sich auch die kleine Stadt Paraty südlich von Rio de Janeiro. Das 37.000-Einwohner-Städtchen, ebenfalls Weltkulturerbe, ist ein beliebtes Ziel der Großstädter, vor allem aus São Paulo.

Auch Argentinier und Europäer haben den Charme der meist ein-, gelegentlich zweistöckigen Hausreihen aus dem 18. Jahrhundert entdeckt. Farbige Türen, Fenster und Einfassungen zieren die Häuser, die Straßen sind mit groben Steinen gepflastert, so wie seit Jahrhunderten üblich. Auf dem Caminho do Ouro, dem früheren hunderte Kilometer langen Transportweg des Goldes von den Minen durch den Regenwald zum Hafen in Paraty, gibt uns Reiseführer Harry verblüffende Einblicke: dass der Kaffee später viel wichtiger war als das Gold; dass die Bananen gar nicht aus Amerika stammen, sondern aus Afrika oder Asien; dass die Ameisen, die gerade unseren Weg kreuzen, uns böse beißen können.

Wir machen schnell, dass wir weiterkommen und genießen gegen Ende der Tour einen Cachaça. Der Zuckerrohrschnaps, bei uns als Grundlage für Caipirinha-Cocktails bekannt, schmeckt mit verschiedenen Aromen auch pur sehr lecker. Früher gab es viele Alambiquen (Destillerien) in Paraty, heute nur noch sieben, bedauert Harry.

Rio de Janeiro - die Königin

Und dann ist da noch Rio de Janeiro: die Königin, Ausgangs- und Zielpunkt vieler Brasilienreisen, quirlige Weltstadt und Sammelsurium unterschiedlicher Stadtkulturen. Selbstverständlich steht die Seilbahnfahrt zum Zuckerhut auf dem Programm, und von der Christusstatue auf dem Corcovado genießen wir einen Rundblick über die Stadt, wie sie sich um die Strände Copacabana und Ipanema, um Hügel und Lagunen schlängelt.

Das alte Zentrum beeindruckt mit historischen Fassaden, nett ist es im Viertel Santa Teresa. Vor einer Stadtteilkneipe feiern Anwohner und Freunde den Auftritt einer Samba-Band, deren Trommelwirbel sicher auch den letzten Früh-Schläfer auf den Platz locken. In einem anderen Stadtteil sorgt die Krönung von Samba-Königinnen und -Prinzessinnen für einen Auflauf. Leicht bekleidet, aber mit ausladendem Blumen- und Federschmuck auf dem Kopf, haben die Kandidatinnen zuvor tänzelnd ihre schwindelerregenden Hüftschwünge vorgeführt.

Jede Tänzerin hat offenbar ihre Fangruppe mitgebracht: Mal sind hinten aufmunternde Jubelrufe zu hören, mal auf der anderen Seite. Als "Rios schönstes Jugendstil-Café" preist der Reiseführer die Confeitaria Colombo in einer Seitengasse im Zentrum an. Die Beschreibung trifft zu: Hohe, in Verzierungen eingerahmte Spiegel an allen Wänden, die Decke gibt den Blick in die zweite Etage frei, die als Galerie über dem Gastraum schwebt.

Den krassen Gegensatz dazu treffen wir in der Favela Santa Marta an: Häuser aus rohem Stein, mit Wellblech bedeckt. Ein paar Hühner streifen durch die engen Gassen. Es riecht öfter mal streng. Müllhalden füllen manche Ecken. Die Favela hat Weltruhm durch Michael Jackson erlangt. Der Musiker drehte in den 90ern dort ein Video. Seitdem die Favela von der Polizei "befriedet", also von Drogenbanden befreit wurde, hat sie sich zum Touristenziel gemausert.

Agenturen bieten Führungen an. "Die Menschen sehen, wie wir hier leben, und wir können so auch ein wenig Geld verdienen", erklärt Thiago Firmino, der in der Favela aufwuchs, dort mit seiner Familie lebt und nun Touristen durchs am Hang gelegene Viertel führt. Rio - die Stadt der Gegensätze, die dicht beieinanderliegen. Wie so oft in diesem riesigen Land.

(anch)
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