Männer lassen sich kreuzigen Der blutige Karfreitag auf den Philippinen

San Pedro Cutud · Viele Philippiner nehmen ihren Glauben sehr ernst. So ernst, dass sie sich am Karfreitag ans Kreuz nageln lassen. Die Kirche sieht dies nicht gern. Das Leiden Christi verkomme so zum Touristenzirkus.

 Auf den Philippinen lassen sich noch heute Menschen ans Kreuz nageln, um ihren Glauben zu ehren.

Auf den Philippinen lassen sich noch heute Menschen ans Kreuz nageln, um ihren Glauben zu ehren.

Foto: dpa

Beim ersten Nagel zittern ihm immer die Hände: Audi Gabriel ist der letzte Kreuziger von San Pedro Cutud. Jedes Jahr am Karfreitag nagelt er in dem philippinischen Dorf Büßer ans Kreuz. Andere Dorfbewohner wollten dies nicht mehr machen, nachdem einige der Kreuziger plötzlichen gestorben oder schwer erkrankt seien, erzählt der 57-jährige Ladenbesitzer. "Sie hatten Angst. Ich habe den Job übernommen, damit die Tradition weiterlebt", erklärt Gabriel. "Ob es mir gefällt oder nicht, ich werde sowieso irgendwann sterben. Wie wir alle. So tue ich Buße."

Insgesamt wollten sich nach Angaben der Organisatoren am Karfreitag mindestens neun Männer dem blutigen Ritual unterwerfen. Zwei der ersten Freiwilligen wurden nach der Kreuzigung auf Tragen abtransportiert. Ein weiterer Mann ging selbst davon und reckte dabei stolz seine Hände in die Höhe.

Tausende besuchen jedes Jahr das Karfreitags-Spektakel in dem Dorf etwa 70 Kilometer nördlich der Hauptstadt Manila. Barfüßige Büßer in Kapuzen wandern, sich selbst geißelnd, einen Hügel hinauf und wie Jesus gekleidete Männer - genannt Kristos - werden gekreuzigt. Er sei immer noch nervös, sagt Gabriel: "Zu Beginn zittern mir die Hände, aber ich bitte Gott um Hilfe."

Die Gekreuzigten stehen auf einem kleinen Brett, das am Kreuz befestigt ist. Dort werden auch ihre Füße angenagelt, und zwar im Zwischenraum zwischen großem Zeh und dem nächsten Zeh. Außerdem werden sie mit den Armen am Querbalken festgebunden, dadurch lastet weniger Gewicht auf den festgenagelten Händen. Hier wird darauf geachtet, dass keine Knochen oder große Blutgefäße verletzt werden, erklärt der Kreuziger Audi Gabriel.

Das Treiben wird von den Gesundheitsbehörden akzeptiert. Warnungen, dass es gefährlich sei, sich kreuzigen zu lassen, gibt es keine. Es wird nur vor Wundinfektion gewarnt. Die Büßer sollen darauf achten, ihre Wunden sauber zu halten und Antibiotika zu nehmen.

Ihren Anfang nahm die blutige Tradition in den 50ern, doch erst 1962 gab es die erste Kreuzigung. Ein Wunderheiler versprach sich davon eine Stärkung seiner Kräfte. Heute nehmen jedes Jahr etwa zehn Freiwillige - Männer und manchmal sogar Frauen - diese Tortur auf sich. Die örtlichen Behörden fördern das Spektakel und stellen sogar bessere Kostüme und Requisiten zur Verfügung, damit das dramatische Nachempfinden vom Leiden und Sterben von Jesus Christus bei den Touristen besser ankommt.

Die katholische Kirche sieht dies nicht so gern - solcher Fanatismus lenke von der wahren Bedeutung Osterns ab. Die Einheimischen lässt die Kritik kalt: "Karfreitag ist der wichtigste Tag für unser Dorf", sagt June Canlas David vom Gemeinderat. "Wir erfüllen dann unsere Gelöbnisse, die wir von unseren Vorfahren geerbt haben." Mit 17 hatte der heute 48-jährige Familienvater begonnen, sich während der Karwoche zu geißeln, wie dies bereits sein Vater vor ihm getan hatte.
"Wir nehmen diese Traditionen sehr ernst."

Nach 24 Jahren Selbstgeißelung hörte er auf und wurde zu einem der Helfer, die Büßern Schnitte zufügen, damit das Blut beim Geißeln auch richtig fließt. Ohne diese gäbe es keine richtige Buße betont er und zeigt sein Werkzeug: Ein mit Glassplittern besetztes Holzpaddel. Er hoffe, dass die Erfahrung für Touristen religiös erhebend sei, fügt er hinzu. "Wir wollen unseren tiefen Glauben mit ihnen teilen."

Die Inszenierung beginnt mit der Verhaftung des Haupt-Kristo durch römische Soldaten. Diese bringen ihn vor Pontius Pilatus. Der Kristo wird ausgepeitscht und muss sein Kreuz 500 Meter weit in einer Prozession in der sengenden Hitze schleppen. Ihm folgen andere Büßer mit Kreuzen, ihre Rücken geißelnd oder am Boden kriechend.

Ruben Enaje Jr. ist seit 27 Jahren der Haupt-Kristo. Es begann als Dank für einen glimpflich abgelaufenen Sturz von einem Baugerüst. Die Schmerzen würden von Jahr zu Jahr schlimmer, sagt er, während er T-Shirts für die Teilnehmer mit Jesus-Porträts bemalt. Aber die Qual sei es wert. Er werde weitermachen, bis ein neuer Kristo seine Rolle übernehmen könne. Der 53 Jahre alte Maler reibt seine Handflächen, die jedes Jahr aufs Neue von Stahlnägeln durchbohrt werden. Sein Leben habe sich verbessert, seitdem er sich kreuzigen lässt, sagt er.Er habe nun seinen eigenen Betrieb und ein Auto.

Sein Leiden könne auch anderen helfen: "Als ich vor ein paar Tagen Farbe gekauft habe, hat mich ein Mann erkannt. Er bat mich, ihn in meine Gebete mit einzuschließen." Auch auf seinem Kreuzweg gebe es immer wieder Bitten um Hilfe. "Ich merke mir die Gesichter dieser Menschen. Wenn ich dann am Kreuz hänge, bitte ich Gott, ihnen zu helfen", sagt Ruben Enaje.

(dpa AFP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort