Yoga in Indien Eine schweißtreibende Selbstfindungsreise

Indien ist die Geburtsstätte des Yoga. Wo also sonst könnte man besser seine erste Stunde absolvieren? Die Übungen für Körper und Geist verlangen einem bei tropischer Hitze aber einiges ab. Ayurveda ist dagegen entspannter - und heilsam.

 Yogalehrer Mathew Malayil macht die "Kobra" vor - und seine Schüler heben auf Kommando den Kopf.

Yogalehrer Mathew Malayil macht die "Kobra" vor - und seine Schüler heben auf Kommando den Kopf.

Foto: Maja Kolonic

Tropf, tropf, tropf. Schweiß rinnt von meiner Stirn auf die rote Matte. Ich liege auf dem Bauch. Meine Brille ist beschlagen, mein T-Shirt schweißnass. Ich hebe den Kopf - wie eine Kobra. So heißt zumindest die Yogaübung, bei der ich mich gerade abmühe. "Eight, nine, ten", zählt vor mir Yogalehrer Mathew Malayil. Bei "zehn" lasse ich erschöpft den Kopf auf die Unterlage sinken. Es ist erst 7.30 Uhr morgens, doch schon gefühlt 30 Grad warm und eine derart hohe Luftfeuchtigkeit, wie ich sie noch nie erlebt habe. Mein erschöpfter Blick wandert nach links. Von seiner blauen Matte neben mir grinst mich Werner an: euphorisch, voller Tatendrang und kein bisschen geschafft. Irgendwie hatte ich mir meine erste Yogastunde entspannter vorgestellt.

Zu meiner Verteidigung: Werner Hummel, der 72-jährige Stuttgarter, hat schon zwei Wochen Vorsprung. Täglich macht der Rentner seine morgendlichen Yogaübungen. Das gehört zu seiner Ayurveda-Kur, die er vier Wochen lang im Gästehaus von "Basis Reisen" im Süden Indiens absolviert. Hummel hat Polyneuropathie, eine Nervenkrankheit. "Ich kann meine Nerven nicht kontrollieren, laufe schief, obwohl ich eigentlich gerade gehen will. Irgendwann werde ich einen Stock oder Krücken brauchen, weil es nicht mehr geht", begründet er seinen Aufenthalt bei Basis in Sreekandamangalam im Bundesstaat Kerala. "Ich war vergangenes Jahr schon hier. D4a haben sie mich so fantastisch hinbekommen, dass ich unbedingt wiederkommen wollte."

Zur Ayurveda-Kur gehört zu Beginn der Besuch bei einem speziellen Arzt. "Er untersucht die Augen, die Haut und die Aura des Patienten und findet heraus, welche Unausgeglichenheit vorhanden ist", sagt Mathew Moozhiyil, der mit seiner Familie die Unterkunft eröffnet hat und betreibt. Diese Untersuchung erfolgt beinahe ohne körperlichen Kontakt. Trotzdem erstellt der Arzt anschließend eine genau Liste, welche Kräuter der Patient während der Kur zu sich nehmen muss. "Die Kräuter werden zum Beispiel in Honig oder Alkohol eingelegt", erklärt Moozhiyil, "und jeweils beim Essen eingenommen". Viele wachsen auf dem Gelände der Familie.

Zurück in der Yogastunde: Einen Großteil der Zeit machen Atem- und Entspannungsübungen aus. Sie sind ein wichtiger Teil des hier unterrichteten Ashtanga-Yoga-Systems und bieten eine willkommene Gelegenheit, den Ort auf sich wirken zu lassen. Beim Blick aus dem ersten Stock des Hauses, das im traditionellen keralesischen Baustil errichtet wurde, sieht man nur Grün. Kokospalmen und Papayabäume wachsen rundherum. Zikaden und Vögel sorgen für eine tropische Geräuschkulisse, von unten plätschert ein Wasserlauf, nur selten ist ein Tuk-Tuk zu hören.

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Aber auch die Körperhaltung gehört zum Yoga. Und die ist bei mir, wohlwollend ausgedrückt, wackelig. Ich versuche, mich auf einem Bein zu halten, während ich die Hände wie zum Gebet vor dem Körper halte. Was sich Yogalehrer Malayil - der das bereits seit 30 Jahren macht - über den ungelenken Deutschen denkt, möchte ich mir gar nicht vorstellen. Zumindest lässt er sich nichts anmerken, lächelt freundlich, kommt zu mir und korrigiert meinen Stand.

Ein weiterer Teil des Ayurveda-Programms sind Massagen. "Sie beschleunigen die Wirkung der Kur und wirken positiv auf Knochen und Muskeln", sagt Moozhiyil. Der Arzt entscheidet zu Beginn, welche Öle dafür verwendet werden sollen. Die Patienten werden auch mit heißem Reis, der mit Kräutern vermischt wird, behandelt. Kurgast Hummel schwört auf die Massagen. "Im vergangenen Jahr konnte ich danach erstmals meinen Finger wieder gerade machen."

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Die letzte Yogaübung für diesen Morgen steht an. Die Sonne fällt schwach durch die Lücken des braunen Daches. Im Schneidersitz, die Augen geschlossen, singt Yogalehrer Malayil das Mantra "Om Shaanti, Shaanti, Shaanti". Ich stimme ebenfalls in den Sprechgesang mit ein, anfangs noch etwas zaghaft, dann immer lauter - auch, um ein wenig das Knurren meines Magens zu übertönen. Ich habe Hunger. Die Ernährung spielt bei der Ayurveda-Kur eine wichtige Rolle. "Ich bekomme hier weder Fisch noch Fleisch, ich ernähre mich nur vegan und trinke Tee oder Wasser", berichtet Kurgast Hummel. Und trotz aller wohltuenden Einflüsse freut er sich doch auf eins in der Heimat Stuttgart: "Mein Viertele Wein".

(RP)
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