Zentralamerika Bei den Mayas am Atitlán in Guatemala

Panajachel · Vergöttert und verehrt: Der Lago Atitlán in Guatemala lockt Dichter, Denker und Touristen an. An dem berühmten See werden aus vielen Urlaubern Einwanderer.

Urlaub in Guatemala
12 Bilder

Urlaub in Guatemala

12 Bilder

Der fast 1600 Meter hoch gelegene Atitlán-See in Guatemala ist eine der größten Attraktionen Lateinamerikas. Seit Jahrhunderten zieht er auch Menschen aus anderen Kontinenten an. Über tausend eingewanderte Ausländer leben hier, darunter einige Dutzend Deutsche. Das Mystische zieht auch Forscher an: Sie erkunden unter Wasser versunkene Dörfer und Pilgerstätten.

Das Miteinander zwischen Ureinwohnern und Gringos funktioniert meist. In der "Posada Jaibalito" von Hans Schäfer aus Schwaben passen sogar Tortilla und Spätzle zusammen. Fast alle der zehn Mitarbeiterinnen - Mayas aus dem Dorf - können beides frisch zubereiten. Zwei Fischer teilen sich am langen Holztisch zwischen Kaffeestauden und Mangobäumen ein großes Bier. Eine Auswanderin aus Belgien bestellt Käsespätzle für weniger als drei Euro. Ein Urlauberpaar aus Hamburg probiert Maisfladen mit Käse und Bohnenmus und nickt zufrieden.

Knapp die Hälfte der 15 Millionen Guatemaltecos sind Mayas. Die meisten haben ihre Jahrhunderte alten Traditionen bewahrt. Auch Maria Pecher trägt die vielfarbige, selbst genähte und bestickte Kleidung.
Sie zeigt die schlichten, sauberen Zimmer und den üppigen Garten. "Je schöner die Posada und unser Dorf Jaibalito, desto mehr Gäste kommen, und wir haben alle etwas mehr Geld in der Tasche", sagt die 32-Jährige Maya. Auf dem kurzen Weg zum Bootssteg schildert der 52-jährige Schäfer, warum er hier glücklich ist: "Die Herzlichkeit und Gelassenheit der Mayas, die Ruhe, die der See ausstrahlt, das Majestätische der Vulkane."

Der Schwabe mit dem Rauschebart winkt, eine kleine Fähre steuert auf den Steg zu. Sie ist fast voll. Dicht an dicht sitzen Einheimische mit Körben voller Zitronen, Avocados und Tomaten, dazwischen ein Ehepaar aus den USA und zwei deutsche Studentinnen mit Rucksäcken. Heute ist Markttag in Panajachel, wo das Boot 20 Minuten später angelegt. Es ist der Hauptort am See mit vielen Hotels, Restaurants, Bars und Galerien. Auch hier ist es wie im ganzen Land aus Sicht von Ausländern sehr preisgünstig - über den Daumen: Deutschland minus 30 Prozent. Von hier steuern die Fähren fast jedes Dorf am See an.

Zu den schönsten gehört San Juan La Laguna. Es litt wie andere in den vergangenen Jahren nicht selten unter verdrecktem Wasser, Unwettern und Überschwemmungen. Kinder sammeln Flaschen. Straßen und Gassen sind hier sauberer, viele Wände mit naiven Mensch-, Tier- und Markt-Malereien verziert. Schilder an einigen schmucken Häusern künden in Spanisch und Englisch von Frauen-, Fischer- und Selbsthilfe-Initiativen. Galerien, Webereien, kleine Restaurants, Pensionen und Anbauer organischen Kaffees werben um Besucher.

"Wir lassen uns nicht unterkriegen und wollen den nachhaltigen Tourismus im Dorf fördern", sagt Juana Mendoza. Die 59-Jährige gehört zu den Gründerinnen des Projekts "Lema" in San Juan. Hier weben Maya-Frauen Stoffe, Blusen, Schals. Ob Ocker, Rot oder Gelb: Farbspender sind Pflanzen und Rinden. "Wir arbeiten ohne Chemie", sagt die Señora.

Nicht glücklich sind die Dörfler über die häufige Verschmutzung an vielen Ufern, wo ungeklärt dreckige Brühe ins Wasser lauft. Etliche Kläranlagen wurden durch Unwetter zerstört. Auch eine Algenpest an manchen Seeabschnitten bereitete schon Sorgen. Das ärgert auch den Fischer Miguel Toc. "Dann leiden auch die Fische und natürlich unsere Familien." Besonders während der Algenplage kaufen Hotels und Restaurants weniger aus dem See. Zum Glück sei es in den vergangenen zwei Jahren wieder besser geworden, sagt Toc.

Lebhaft geht es in San Pedro Laguna zu: Hier sind vor allem Backpacker und Langzeiturlauber anzutreffen. Zum lockeren Programm zählen Ausreiten, Faulenzen, Mahlzeiten wie Müsli und Grillfisch, Spanisch lernen in einer der kleinen, sehr preiswerten Schulen, Sonnenbaden und Disco-Nächte unterm Sternenzelt - mit und ohne Joint.

Spektakulär ist der Blick von einer der Villen, die an Hängen und Kliffs gebaut wurden. Clemens Luhmann aus Osnabrück genießt mit seiner Familie das Panorama von einer Terrasse am Berg. "Vom Hobbymaler wurde ich am Atitlán zum Künstler, verkaufe Bilder, habe zahlreiche Ausstellungen. Der See inspiriert mich, gibt mir Kraft und Ideen. Wir sind hier glücklich", sagt der Arzt. Er schaut auf seine Frau Jenny, die aus Nicaragua stammt, seine beiden Söhne, dann auf die mächtigen Vulkane auf der anderen Seite des 18 Kilometer langen Kratersees. Dort grüßen Tolimán, San Pedro und Atitlán. Auch der Forscher Alexander von Humboldt, später der Revolutionär Che Guevara, Regisseur Werner Herzog und Schauspieler Klaus Kinski haben diesen Blick schon genossen. Der britische Schriftsteller Aldous Huxley schrieb vom "schönsten See der Welt".

Auch nahe der Kolonialstadt Antigua ist ein Vulkan der Höhepunkt. Die Spitze des 3760 Meter hohen Volcán de Agua zeigt sich gerade ohne Wolken, der Himmel strahlt blau. Touristen zücken ihre Kameras. Der breite Santa Catalina Steinbogen über einer Gasse ist der perfekte Bilderrahmen.

Ein gewaltiges Erdbeben zerstörte 1773 die einstige Hauptstadt von Guatemala. Etliche Palast- und Kirchenruinen sind durch schwere Stützbalken gesichert, manche Stadtteile wiederaufgebaut. Einstöckige Kolonialhäuser sind mit Holzportalen und Schmiedeeisen verziert.
In Innenhöfen plätschern Brunnen, gedeihen exotische Blüten. "Ich bin immer tief bewegt, wenn ich durch die Gassen schlendere", sagt Christa Methmann aus Flensburg. Sie ist Geschäftsfrau und gelegentlich Reiseführerin und lebt seit sieben Jahren hier. "Es ist schön. Ich bleibe."

In einer Seitenstraße in Antigua drängt ein Bus hupend zur Abfahrt.
Auf dem Dach türmen sich Pakete, Reifen, Maissäcke. Drinnen drängen sich die Fahrgäste. In einem Korb gackern Hühner. Das betagte Fahrzeug ist mit Jesusbildern und Bibelsprüchen bemalt. Solche Vehikel - auch "Chickenbus" genannt, halten überall. Sie sind das wichtigste Transportmittel auf dem Lande, wo die meisten der Mayas leben. Gut 40 Prozent der knapp 13 Millionen Guatemalteken gehören laut Regierung zu den Maya-Völkern. Die schätzen ihren Anteil deutlich höher ein.

Ein Muss ist auch Chichicastenango, kurz Chichi genannt. Am Portal der Santo Tomás Kirche flackern im Dunkeln kleine Feuer aus Holzkohle. Hier vor den zerklüfteten Stufen des Gotteshauses erstreckt sich einer der größten Märkte Zentralamerikas durch die Gassen der 2000 Meter hoch gelegenen Stadt. Gegen 6.00 Uhr wird es lebhaft. Maya-Frauen vom Volk der Quiché mit bunten Umhängen stellen Körbe mit Margeriten, Nelken, Papayas auf die Stufen. Gemüse, Gewürze, Geflochtenes, Handgewebtes wird aus Kisten und Körben gepackt. Später treffen die Busse vom Atitlán See und von Antigua ein. Diese Besucher haben das Schönste schon verpasst. Eine Übernachtung vor Markttagen in Chichi lohnt sich.

Wer die architektonischen Meisterwerke der Mayas bewundern will, muss vom kühlen Hochland in die heißen Regenwälder des Petén in die Parks des antiken Tikal fahren. Besonders schön ist es am frühen Morgen. In der Ferne röhrt ein Brüllaffe. Ein Tukan schaut von einem Baum auf die ersten Besucher vor dem Tempel der zweiköpfigen Schlange. Mit 70 Metern überragt das höchste Bauwerk der Maya locker die nahen Urwaldbäume und ist den Göttern am nächsten. Vor über 1000 Jahren sollen hier 50 000 Priester, Gelehrte und Bauern gelebt haben.

Georg Roling kam als Student das erste Mal 1987 nach Tikal. "Ich war überwältigt. Es war ergreifend, Flora und Fauna noch ursprünglicher als heute." Der Biologe aus Issum am Niederrhein sammelte Material für seine Diplomarbeit, unterstützte später als Entwicklungshelfer Forstgemeinden in der Tikal-Region. Heute betreibt der 54-Jährige mit seiner brasilianischen Frau und drei Kindern das Ökohotel "Posada del Cerro". Es liegt zwischen Tikal und dem Touristenort Flores am Petén-Itzá See und Urwaldrand. "Das ist nun unsere neue Heimat", betont der Deutsche.

(dpa)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort