Nationalpark in Kanada Waterton Lakes - die vergessene Ecke der Rockies

Waterton · Waterton Lakes ist ein eher unbekannter Nationalpark in Nordamerika. Viele haben noch nie von ihm gehört. Doch Wanderer und Ruhesuchende finden kaum ein besseres Fleckchen Erde als dort an der Grenze zwischen Kanada und den USA.

So schön ist Kanadas National Waterton Lakes
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Eindrücke von Kanadas National Waterton Lakes

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Der Prince of Wales hat den Nationalpark Waterton Lakes nie gesehen. Dabei hat man 1926 extra ein schickes Hotel nach seiner Hoheit benannt. Doch der Monarch kam nicht. Das kleine Naturschutzgebiet in der kanadischen Provinz Alberta mag sich als Stiefkind in der weit verzweigten Familie nordamerikanischer Nationalparks fühlen. Viele kennen seine prominenten Geschwister Banff und Jasper, drei Autostunden weiter nördlich. Oder den großen Bruder Glacier auf der Südseite der Grenze im US-Bundesstaat Montana. Von Waterton Lakes hat nicht mal jeder Kanadier gehört.

In dieser fast vergessenen Ecke der kanadischen Rockies spiegeln tiefe Bergseen einen hohen Himmel wider, der Wind zerzaust die Prärie und trifft auf zerklüftete Gipfel. Wölfe, Grizzlybären und Büffel leben hier, und mehr als 800 seltene Wildblumen-Arten duften.

Also, bitte keine Komplexe! Waterton Lakes gilt als "Crown of the Continent". Mit 505 Quadratkilometern ist der Park zwar eher klein, beherbergt aber ein weitgehend intaktes Ökosystem. Verschiedene Naturlandschaften treffen hier am schmalsten Punkt der Rockies aufeinander. Kein anderer Park in Kanada schützt eine vergleichbare Artenvielfalt auf so kleinem Raum. Waterton Lakes ist damit zurecht Unesco-Weltnaturerbe - und schon seit 1932 weltweit erster Internationaler Friedenspark gemeinsam mit dem Glacier-Nationalpark.

"Bären haben keinen Pass", sagt Catherine Reynolds von Watertons Verwaltung, "Waldbrände scheren sich nicht um Barrieren." Die Parks Waterton und Glacier sind selbstständig, kassieren separat Eintritt, doch arbeiten im Naturschutz eng zusammen. Heimische Wildsamen werden zum Beispiel diesseits der Grenze gesammelt, auf der anderen Seite ausgesät und als junge Pflanzen zurückgebracht. Das sei ein "big deal", versichert Reynolds, eine große Sache. Denn die Amerikaner sind sehr vorsichtig mit dem, was über ihre Grenzen gebracht wird.

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Foto: Shutterstock/Karamysh

Waterton Lakes ist vor allem eines: erholsam. In der Hochsaison tuckert die MV "International" gleich mehrmals täglich über den Waterton Lake. Wie das Hotel "Prince of Wales" wurde auch der seit 1927 betriebene Ausflugsdampfer von der Great Northern Railroad zur Ankurbelung von Tourismus und Passagierverkehr gebaut. Heimathafen ist Waterton Village, gleich unterhalb des Hotels.

Als 1904 ganz in der Nähe das erste Öl an der kanadischen Westküste gefunden wurde, baute eine Bergbaugesellschaft genau hier erste Unterkünfte. Das ehemalige Minenstädtchen ist heute ein Ferienresort für Familien, mit Wasserturm und Tankstelle, Supermarkt, kleinen Hotels, großem Campingplatz und einem guten Dutzend Restaurants. Etwa 50 Menschen wohnen das ganze Jahr über in den kleinen Cottages. Im Sommer sind es 2500. Einer davon ist Touristenführer Keith Robinson. Er steht mit dem Mikrofon an Deck des Dieseldampfers und zeigt auf eine Schneise im Fichtenwald, die schnurgerade vom Seeufer den Hang hinaufläuft. Es ist der 49. Breitengrad, der Kanada von den USA trennt.

Die "International" legt am sogenannten Peace Pavillion an, einem offenen Holzgebäude mit einer Ausstellung über diesen und andere Friedensparks. Es gibt keine Souvenirshops, keinen Touri-Trubel. Wer den Pass mitgebracht hat, kann zum Händeschütteln die kurze Meile zum Grenzposten Goat Haunt laufen, gleichzeitig US-Parkranger-Station und nördlicher Eingang zum Glacier. Auf dem letzten Schiff zurück fahren auch die US-amerikanischen Ranger mit.

Mehr als 200 Kilometer Wanderwege gibt es in Waterton Lakes, erzählt Reynolds. Avion Ridge, die halboffizielle und nur teils ausgeschilderte lange Tagestour hoch oben auf dem Grat der kontinentalen Wasserscheide, ist ihr Favorit. Von kobaltblauen Gletscherseen und schneebedeckten Spitzen schwärmt Reynolds und "goldenen Teppichen" im Herbst, wenn die Lärchen ihre Nadeln verlieren und man wie durch ein Märchen geht.

Im "Prince of Wales" können Wanderer zur Ruhe kommen. Jagdszenen sind auf die Polstersessel gedruckt, die Wände dunkel vertäfelt. Ein dreistöckiger Laternenleuchter hängt von der 20 Meter hohen Decke des Atriums. Hoch zu den geschnitzten Holzbalkonen ruckelt einer der ältesten noch manuell bedienten Aufzüge Nordamerikas. Hotelpage Bronson Albano schließt das Türgitter, drückt auf Knöpfe und erzählt von den starken Winden, die die Bauarbeiten damals mühsam machten.

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Foto: shutterstock/ Richard Cavalleri

Bei Sturmböen neige sich der alte Kasten noch immer bedenklich zur Seite, ächzend und stöhnend. "Oder es sind unsere Gespenster", sagt Bronson augenzwinkernd. Schottenrock trägt er, Kniestrümpfe und karierte Krawatte. Offiziell soll das Hotel mit Türmchen und steilen Giebeln an ein Schweizer Alpen-Chalet erinnern. Innen sieht es erstaunlich nach Balmoral aus, dem Ferienschloss der britischen Königsfamilie. Und doch hat es den Prince of Wales nie an diesen Ort verschlagen. Er hat etwas verpasst, denkt der Urlauber heute.

(dpa)
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