Ein Stadtbummel durch Rio de Janeiro Nicht alles glänzt am Zuckerhut

Rio de Janeiro · "Es gibt keine schönere Stadt auf Erden", schrieb Stefan Zweig einmal über Rio de Janeiro. Und es stimmt: Die Stadt am Zuckerhut kann wunderbar sein. Doch längst nicht alles glänzt.

Rio de Janeiro - nicht alles glänzt am Zuckerhut
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Sanft und summend entschwebt die Seilbahn nach oben. Die Dämmerung taucht Rio in ein weiches Abendlicht. Je höher die Gondel steigt, desto ruhiger werden die Passagiere. Der Stadtlärm der Millionenmetropole verebbt.

Dafür wird der Blick frei auf den Strand von Botafogo, die schaukelnden Segelschiffe, die angestrahlte Christus-Statue auf dem Corcovado-Berg gegenüber und die Copacabana, wo unaufhörlich Atlantikwellen in ruhigem Rhythmus an den Strand branden. Cidade Maravilhosa - wunderbare Stadt, so heißt Rio. Auf dem Zuckerhut begreift man am besten warum.

Über 40 Millionen Menschen haben die Seilbahn zu Rios Wahrzeichen bislang benutzt. Vor 102 Jahren ging die von den Brasilianern Bondinho genannte Seilbahn an der Guanabara-Bucht in Betrieb.

Startpunkt ist am Praia Vermelha, dem Roten Strand, im Stadtteil Urca. Die Gondeln nehmen zuerst Kurs auf den 220 Meter hohen Morro da Urca, den Hügel von Urca. Bewaldete und befestigte Wege führen bis zur nächsten Station, wo die zweite Teilstrecke zum 395 Meter hohen Pão de Açúcar beginnt, der wörtlich übersetzt eigentlich Zuckerbrot und nicht Zuckerhut heißt.

Eine Tour durch Rios Favelas
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Zur Fußball-WM rechnen die Betreiber der Bondinho mit einem Touristen-Ansturm. Allein aus dem Ausland werden in den zwölf WM-Städten im Juni und Juli 600 000 Fans erwartet. Und Rio, die mit über sechs Millionen Einwohner zweitgrößte Stadt Brasiliens, wird eine der Hauptdestinationen sein.

Am Zuckerhut wird das Endspiel ausgetragen, wie schon 1950 bei der ersten Brasilien-WM. Und auch dieses Mal ist das legendäre Maracanã-Stadion Schauplatz der WM-Entscheidung. Für jeden Rio-Besucher und Fußball-Fan ist das komplett renovierte Rundstadion ein absolutes Muss.

Die U-Bahn der grünen Linie 2 führt vom Stadtzentrum und den betuchteren Vierteln der Zona Sul (Südzone) direkt zum Maracanã. Das von den Einheimischen oft kurz Maraca genannte majestätische Stadion ist beim Einfahren in die Estácio Maracanã schon auf der linken Seite zu sehen.

Wer je ein Spiel, etwa den Klassiker der Erzrivalen Flamengo und Fluminense hier erlebt hat, der hat einen kleinen Blick in Brasiliens Fußballseele geworfen. Zehntausende Fans fahren in der völlig überfüllten U-Bahn mit Fahnen, Pauken, Trompeten und Trikots zum Stadion. Nichts für Menschen mit Platzangst. Da ist Tuchfühlung angesagt.

Mit der millionenschweren Komplettsanierung des Fußballtempels sind nicht alle Cariocas glücklich. Das neue Maracanã hat für viele seinen Charme eingebüßt. "Es gibt kein neues Maracanã", sagt Francisco Moraes, einer der treuesten Flamengo-Fans. "Es gibt das alte Maracanã und eine Arena Maracanã, die nur noch den Namen trägt. Das alte Maracanã war ein Treffpunkt, wo sich alle kannten. Heute, in der neuen Arena, sind die Zuschauer aufgeteilt in Sektoren A, B, C und das zu superteuren Preisen."

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Foto: afp, GUALTER NAVES

Zurück mit der U-Bahn ins Zentrum. Station Carioca. Zehn Minuten von dort liegt der Praça XV de Novembro mit seinen historischen Gebäuden und dem Schiffsterminal, wo Großstadtmüde jedes Wochenende die etwas mehr als einstündige Fahrt mit der alten Fähre "Itapuca" zur Insel Paquetá antreten. Es geht über die Guanabara-Bucht, die zu den Olympischen Spielen 2016 als Segelrevier genutzt werden soll.

Allerdings lässt die Sauberkeit des Wassers noch mehr als zu wünschen übrig. Doch die Fahrt und der Aufenthalt auf der kleinen Insel lässt den Stress der Metropole für einige Stunden vergessen.

Paquetá scheint wie aus der Zeit gefallen. Autos sind nicht erlaubt. Ausnahmen gibt es nur für Feuerwehr und Müllabfuhr. "Es gibt hier 5000 Einwohner, aber zur Hochsaison oder an Feiertagen sind es dann dreimal so viele", erzählt Rafael, der die Ausflügler mit seiner Pferdekutsche für 70 Reais (rund 25 Euro) 40 Minuten lang über die Insel schaukelt.

Paquetá ist fast ein Stadtteil Rios. "Viele pendeln hin und her und das jeden Tag. Die Schnellfähre von Montag bis Freitag braucht ja nur 40 Minuten", sagt Rafael. Das kann in der Stadt Rio mit dem eigenen Auto, dem Taxi oder dem Bus bis zum Arbeitsplatz oft viel länger dauern.

Gigantische Staus lähmen in der Stadt am Zuckerhut das Alltagsleben. In den Stoßzeiten rollen unendliche Blechlawinen im Schneckentempo über völlig verstopfte Straßen. Wer dann in Richtung Norden unterwegs ist, wo auch der Internationale Flughafen Galeão liegt, der muss viel Geduld mitbringen.

Bei Abflugzeiten am Abend sollten allein für die rund 25 Kilometer von der Copacabana bis zum Airport schon mal zwei Stunden Taxifahrt eingerechnet werden. Zum Zeitvertreib haben viele Taxi-Fahrer kleine Fernsehbildschirme am Armaturenbrett installiert, wo sie die beliebten Telenovelas verfolgen.

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Foto: Embratur, Beto Garavello/LUME

Taxis sind ohnehin neben der U-Bahn das beste Fortbewegungsmittel für Touristen in Rio. Man sollte aber wissen, dass es unterschiedliche Tarife gibt: Nachts und sonntags gilt der etwas teurere "Tarif 2", ansonsten "Tarif 1". Gerne schalten die "Taxistas" aber auch schon mal auf "Tarif 2", wenn es bergauf geht. Auch Gepäckstücke werden extra berechnet. Dafür ist Trinkgeld eher unüblich.

Das gilt übrigens auch in Restaurants. Der Service von 10 Prozent wird meist auf die Rechnung aufgeschlagen. "Serviço incluído", heißt das Stichwort. Wer sehr zufrieden mit Essen und Bedienung ist, kann auch zwei, fünf oder gar zehn Reais extra geben.

Rios Glamourviertel sind Ipanema, Leblon, Copacabana und auch Leme, die sich alle in der Zona Sul befinden. Aber auch dort liegen Arm und Reich dicht beieinander und die Favelas, die Armenviertel, oft nur zwei, drei Straßenzüge entfernt von sündhaft teuren Appartementgebäuden und Hotels. Auf eigene Faust sollten sich Rio-Besucher nicht in Favelas vorwagen. Es gibt aber Angebote für geführte Favela-Touren inklusive Übernachtung.

Vorsicht ist auch nach Einbruch der Dunkelheit geboten. Zwar hat sich die Sicherheitslage in Rio in den vergangenen Jahren verbessert. Aber Diebstähle und Überfälle sind dennoch an der Tagesordnung. Ein nächtlicher Strandspaziergang an der Copacabana ist für Orts- und Sprachunkundige keine wirklich gute Idee. Auch tagsüber sollte man auf das Tragen von auffälligem Schmuck, Uhren und Ringen verzichten.

Die Armut ist auf Rios Straßen präsent und nicht zu übersehen. Kinder und Jugendliche schlafen am Straßenrand, Obdachlose liegen oft nur mit einem Pappkarton als Unterlage auf dem Bürgersteig. In einigen berüchtigten Favelas kommt es immer wieder zu Schießereien mit Toten und Verletzten. Auch das ist Alltag in Rio de Janeiro.

(dpa)
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