Graceland Wo der Rock'n'Roll-König zu Hause war

Graceland ist immer noch das millionenschwere Epizentrum des Elvis-Tourismus. Doch in Tupelo und Memphis stößt man bis heute auch auf unbekanntere Spuren in der Biografie des King.

 Mit dem Ruhm kam das Haus: 1957 kaufte der junge Elvis Presley Graceland. Das Anwesen in Memphis kann heute besichtigt werden.

Mit dem Ruhm kam das Haus: 1957 kaufte der junge Elvis Presley Graceland. Das Anwesen in Memphis kann heute besichtigt werden.

Foto: dpa, war

Die beliebteste Stelle im Hardware Store im Städtchen Tupelo ist markiert durch ein schwarzes Kreuz auf dem Fußboden. Sichtbar abgewetzt ist es, weil so viele Besucher in den Laden kommen und auf diesem einen Punkt vor einem der Tresen stehen wollen - ganz so wie der zehnjährige Elvis Aaron Presley an einem Nachmittag im Jahr 1946. Wie der damalige Verkäufer Forrest L. Bobo über 33 Jahre später in einem Brief an seinen ehemaligen Arbeitgeber bestätigte, wollte der Junge damals am liebsten ein Gewehr haben. Da seine Mutter das aber nicht erlaubte, drückte Bobo Elvis ihm eine einfache Kay Guitar für 7,75 Dollar plus Steuern in die Hand. Nachdem der Junge ein bisschen an den Saiten herumgezupft hatte, war er mit dem Tausch einverstanden. "Wir machen gern den Witz, das Elvis gesagt hat: 'That's alright, mama'", sagt Connie Tullos vom Hardware Store und lacht. Der Rest sei Geschichte.

Dieser Satz fällt nicht nur in Tupelo im Nordosten Mississippis gern, wo Elvis vor 80 Jahren geboren wurde, sondern auch im zwei Autostunden entfernten Memphis, wo er als Teenager mit seinen Eltern hinzog und später die Villa Graceland kaufte. Obwohl er bereits 1977 starb, stößt man bis heute in beiden Städten auf unzählige Spuren des späteren King of Rock'n'Roll, der mit Tolle, Hüftschwung und Schmelz in der Stimme die Musikwelt auf den Kopf stellte. Mal handelt es sich nur um Fußnoten, mal um so entscheidende Orte wie das Sun Studio, den Geburtsort des Rock'n'Roll. Seit den 1980er Jahren ist es eine Mischung aus Museum und funktionierendem Studio, in dem unter anderem U2 Songs aufgenommen haben. Jerry Lee Lewis, Roy Orbison, Johnny Cash und Carl Perkins standen hier in den 50ern am Mikro - und eben auch der damalige LKW-Fahrer Elvis, der 1953 ein paar Dollar in seine ersten, privaten Aufnahmen investierte. Erst Monate später holte der Labelbesitzer und Produzent Sam Phillips Elvis aber zurück ins Studio, um die erste Single einzusingen: "That's All Right (Mama)". "Als der den Song dann im Radio gespielt wurde, schlug er sofort ein", sagt Guide Jason. Die Telefone standen nicht still, der Song lief in Dauerrotation.

An den Sun Studios zieht auch Tad Pierson mit seinem Cadillac rechts ran. In der roten Neonlichtschrift schimmert sein zart rosafarbenes Modell fast schon so pink wie der Cadillac, den Elvis einst seiner geliebten Mutter Gladys schenkte. Allein deshalb ist der formschöne Wagen, Jahrgang 55 und mit 400 000 Meilen auf dem Tacho, perfekt für eine Cruising-Tour durch die Straßen, durch die einst der junge Elvis lief. Ende der 40er zogen die Presleys aus Tupelo hier in die Sozialwohnung in den Lauderdale Courts, in der man heutzutage übernachten kann. "Es gibt Fans, die sich dort auf die Couch setzen, schweigen und einfach nur Elvis fühlen wollen", sagt Pierson. Zwischen dem Leben in den Lauderdale Courts und in Graceland lagen nur vier Jahre. "Dann hatte er bereits so viel Geld, dass er die Villa bar abbezahlen konnte", fügt er hinzu.

Das einst rund 100 000 Dollar teure Anwesen ist bis heute das Epizentrum der rock'n'roll-royalen Pilgerströme und eines Millionengeschäfts. Mehr als eine halbe Million Fans werden dort jährlich mit moderner Tablet-Selbstführung durch ein Gedenkmuseum mit einem halben Dutzend Shops geschleust und verdrücken nicht selten ein Tränchen am Grab im Meditationsgarten. Es gibt Flugzeuge und Wände voll goldener Schallplatten, private Memorabilia, Exponate zu den 33 Elvis-Filmen und viele Outfits wie die glitzernden Bühnen-Jumpsuits. Herzstück ist aber die Villa mit ihren 23 Zimmern. Der erste Stock mit dem Bad, in dem Elvis 1977 an einer Überdosis starb, ist bis heute Sperrzone. Stattdessen wird der Strom durch Erd- und Kellergeschoss und einige recht exzentrische Räume geleitet: wie den Billardraum mit seiner in unzählige Falten gelegten Stoffwandverkleidung oder das Dschungelzimmer, eine dunkle Wohnhöhle mit massiven Möbeln, grünem Teppich und Holzschnitzereien.

 Hier entspannte der King of Rock 'n' Roll: Elvis' Wohnzimmer in Graceland.

Hier entspannte der King of Rock 'n' Roll: Elvis' Wohnzimmer in Graceland.

Foto: dpa, war

Graceland gibt zwar auch einen großen Einblick in Elvis' Leben, lenkt den Fokus aber vor allem aufs glanzvolle Gedenken und die Erfolge. Tad Pierson hingegen erweitert dieses Bild auf seiner Cadillac-Tour mit anderen Anekdoten. Er steuert die Humes High School an, wo Elvis zur Schule ging. Er berichtet vom Teenager Elvis, von dessen Lebensverhältnissen hier und, wie er sagt, der fast schon krankhaften Schüchternheit. "Jimmy Denson, der früher hier mit Elvis aufwuchs, hat mir erzählt, dass Elvis nach der Schule verprügelt wurde. Er wollte aber einfach nicht zurückschlagen und lief stattdessen weinend nach Hause", sagt Pierson. "Wenn man nur ein wenig tiefer gräbt, dann kommt der Mensch zum Vorschein."

Das passiert auch beim Treffen mit Sam Bell und Guy Harris in Tupelo. Die beiden Herren - einer schwarz, einer weiß, beide Ende 70 und mit Elvis aufgewachsen - sitzen nebeneinander im Park des "Elvis Presley Birthplace" und kramen in ihren Erinnerungen. Ihre rührigen Erzählungen um sommerliche Badeausflüge, erste schüchterne Mädchengeschichten und die Vorlieben für überreife Bananen und Latzhosen lassen den Mythos zur persönlichen Kindheitserinnerung schrumpfen.

"Die Hautfarbe spielte für ihn keine Rolle. Und wenn wir ins Kino gingen, schlich er sich trotz Rassentrennung auf die schwarze Seite", erzählt Bell nur wenige Meter vom Ort entfernt, wo Elvis einst geboren wurde. Die originale, winzige Zwei-Zimmer-Holzhütte, eingerichtet wie früher und mit typischer Veranda und einer kleinen Schaukel davor, steht noch immer. Weil die aber nach einem Wimpernschlag besichtigt ist, wurde das Elvis-Paket um einen Park mit Gedenk-Springbrunnen, Museum und einer kleinen Kirche erweitert. "In so einer Kirche hat er gelernt zu singen", sagt Harris. Und der Rest? Der ist auch hier wieder Geschichte.

Die Reise wurde unterstützt von dem Verkehrsbüro Memphis & Mississippi.

(RP)
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