Zürich Gotthard: Reisende schauen in die Röhre

Zürich · Der neue Gotthard-Basistunnel ist mit 57 Kilometern der längste Eisenbahntunnel der Welt. Bahnreisende aus Deutschland gewinnen mit der Abkürzung durch die Alpen nichts. Die Anschlüsse in Basel und Zürich sind zu schlecht.

Das Projekt Gotthard-Basistunnel reiht einen Superlativ an den anderen. Rund 28 Millionen Tonnen Fels- und Gesteinsmassen sind seit 1999 aus dem Alpenmassiv zwischen Erstfeld nahe dem Vierwaldstätter See und Bodio im Tessin gebohrt, gebrochen, gesprengt und zu Tage gefördert worden. Damit wurde Platz für die zwei parallel verlaufenden 57 Kilometer langen Tunnelröhren des neuen Gotthard-Basistunnels geschaffen. Am 1. Juni wird die Schweiz die Eröffnung des längsten Eisenbahntunnels der Welt feiern. Das Jahrhundertbauwerk hat sich die Schweizerische Bundesbahn rund 12,2 Milliarden Schweizer Franken kosten lassen. Nach sechsmonatigem Testbetrieb wird zum Fahrplanwechsel 2016/2017 im Dezember der Regelbetrieb aufgenommen. Die Schweiz jubelt ob des deutlichen Zeitgewinns bei Zugfahrten von Zürich nach Luzern und Lugano nach Mailand. Doch Bahnreisende aus Deutschland werden in punkto Fahrtzeitverkürzung im wahrsten Sinne des Wortes in die Röhre schauen.

Täglich werden künftig 65 Schnellzüge mit Tempo 200 durch den neuen Tunnel rauschen. Nach Fertigstellung des 15 Kilometer langen Ceneri-Basistunnels zwischen Bellinzona und Lugano im Jahr 2020 sollen es sogar 250 km/h sein. Die Zugfahrt zwischen Zürich und Lugano wird sich dann um etwa 45 Minuten auf rund zwei Stunden verkürzen, Mailand rückt um eine Stunde näher an Zürich (künftige Fahrtzeit 160 Minuten) heran.

Allerdings wird weder die Fahrtzeit mit dem Eurocity von Stuttgart über Singen nach Zürich mit Umsteigen nach Mailand beschleunigt noch die Reise mit dem ICE von Frankfurt über Basel, Zürich oder Luzern nach Mailand. Reisende aus Deutschland müssen in Basel oder in Zürich beim Umsteigen mindestens eine halbe Stunde auf den Anschlusszug warten.

"Uns ist bewusst, dass Reisende zwischen Deutschland und Italien in der bestehenden Taktsystematik eine Umsteigezeit von rund einer halben Stunde einrechnen müssen", teilt DB-Pressesprecher Werner Graf mit. "Die DB prüft aber derzeit gemeinsam mit den Schweizerischen Bundesbahnen (SBB), wie Passagiere zwischen Mailand und Deutschland von den Reisezeitvorteilen des Gotthard-Basistunnels profitieren können."

Die SBB bestätigt das Problem. Der Grund: Das Takt-Knoten-System der SBB nördlich des Gotthard ändere sich durch den Gotthard-Basistunnel nicht. Zum Fahrplanwechsel am 11. Dezember werden die Eurocity Zürich - Mailand - Zürich in der schweizerischen Finanzmetropole keinen direkten Anschluss nach Deutschland haben. Tatsächlich rücken nur das Tessin und Mailand zeitlich näher an Zürich und die Deutschschweiz.

Für 2018 plant die SBB einen direkten EC von Basel nach Mailand über Luzern durch den Gotthard-Basistunnel. Durch einen guten Anschluss der ICE aus Frankfurt in Basel wird die Reise mit dieser Verbindung nach SBB-Angaben dann rund siebeneinhalb Stunden - statt bislang 8:45 Stunden - dauern. Aktuell bleibt aber die Zugverbindung über Basel, Bern und die Lötschberg/Simplon-Strecke nach Mailand die deutlich kürzere. "Die SBB baut mit Partner TrenItalia das Angebot Basel-Milano über die Lötschberg-Simplon-Strecke kontinuierlich aus: Bis 2016 sind drei Zugpaare vorgesehen. Ab 2017 sind es vier und ab 2020 dann fünf Zugpaare", teilt SBB-Sprecherin Franziska Frey mit. "Die schnellste Verbindung über Bern und den Lötschberg/Simplon dauert schon heute siebeneinhalb Stunden."

(RP)
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