Ägypten Nilkreuzfahrt: Viel Platz auf dem Sonnendeck

Luxor/Assuan · Aus Angst kehren viele Urlauber Ägypten den Rücken. Für eine Kreuzfahrt auf dem Nil ist deshalb gerade jetzt die beste Zeit: Die Preise sind günstig, und die Tempel ebenso leer wie die Schiffe. Doch die Krise des Landes lässt sich nicht ignorieren.

Mit dem Schiff auf dem Nil: Eine Kreuzfahrt über den längsten Fluß der Welt
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Foto: dpa, zeh

Hesham Khattab ist ein humorvoller Mann. "Das Instrument kostet einen Euro", sagt er über die schrille Zither, die überall von den Souvenirverkäufern angepriesen wird. Kunstpause. "Bitte kaufen Sie es nicht. "Die Reisegruppe lacht.

Khattab hat nicht viel zu lachen in diesen Zeiten. "Ich will mir keine Hoffnung machen, wo keine ist, aber ich will auch nicht schwarzmalen", sagt der Ägypter und schaut resigniert durch die Lounge der "Nile Smart". Das Urlaubsschiff klappert in einer Woche die kulturellen Höhepunkte des oberen Niltals ab, Khattab hat den Job als Reiseleiter bekommen. Das passiert ihm nicht mehr oft.

Weniger Buchungen

Sharm el Sheikh - Ägyptens beliebtester Urlaubsort
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Foto: Studio Flash / Shutterstock.com

"Wir reden von zehn Wochen Arbeit in den vergangenen vier Jahren", erzählt der studierte Ägyptologe. Durch die Revolution und ihre Unruhen sind die Buchungen von Nilkreuzfahrtendrastisch eingebrochen. Von den insgesamt 300 Schiffen zwischen Luxor und Assuan fuhren vor dem politischen Umbruch ständig um die 150 -heute sind es keine 30 mehr. Für die Ägypter ist diese Flauteeine wirtschaftliche Katastrophe. Für die Touristen bringt sie fast nur Vorteile. Die großen Kulturstätten aus der Pharaonenzeit sind so wenig überlaufen wie selten zuvor.

Die "Nile Smart"fährt von Luxor nach Assuan und wieder zurück. Erste Station ist der Horus-Tempel in Edfu. Der mächtige Eingangspylon lässt sich mühelos ohne andere Touristen ins Bild nehmen. Das gleiche gilt für die Säulenkolonnade des Isis-Tempels bei Assuan am nächsten Tag.Und der mächtige Tempel von Abu Simbel an der Grenze zum Sudan, den Kreuzfahrerper Buskonvoi erreichen, wird derzeit oft nur von rund 100 Reisenden am Tag besucht. "Früher waren es 1000", sagt Sabri Okasha. Er ist einer der Aufpasser und gibt sich gegenüber Urlaubern stets als Mustafah aus. Das könne man sich leichter merken.

Mehr Platz am Buffet

Selbst die wenigen verbliebenen Schiffe sind oft nur zur Hälfte ausgelastet. An Bord haben die Gäste dadurch mehr Platz am Buffet und auf dem Sonnendeck. Ansonsten hat sich am Kreuzfahrt-Mikrokosmos wenig verändert. Die eine stimmt vor jedem Essen die Bluse auf das Halstuch ab, der andere setzt sich stets mit Schlappen und Badeshorts an den Tisch. Einer kann über jeden Tempel dozieren, ein anderer wünscht sich "nicht schon wieder Steine".

Dabei sind die Landausflüge mit den eng getakteten Besichtigungen meist schon am Nachmittag vorbei, dann ist Teezeit. Die Farben des Ufers leuchten kräftigin der tiefstehenden Sonne. Der Eindruck eines Flusstals verstärkt sich, wenn die trockene Landschaft hinter dem fruchtbaren Grünstreifen schroffe Hänge bildet. Idylle pur.

Nein, Angst habe sie vor Antritt der Reise nicht gehabt, sagt Brigitte Pömmerl aus Augsburg und macht es sich auf einer Liege bequem. Ihr täten die Ägypter leid. "Die sorgen sich hier wirklich um die Sicherheit." Tatsächlich hat man abends auf Deck nicht das Gefühl, als habe es in dem Land am Nil je eine Krise gegeben.

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Hesham Khattab gibt sich viel Mühe mit den Gästen. Die Geschichten der Droschkenfahrer rückt er ins rechte Licht: "Die Kutscher erzählen gerne Märchen."Geduldig erklärt er den Urlaubern den Wert ihrer Souvenirs. "Eine Frau hat ein Tuch für 17 Euro gekauft, es kostet aber eigentlich nur 2 Euro."Wegen so etwas solle man aber nicht aus Trotz nichts kaufen.Schwarze Schafe gebe es überall.Khattab kommt auf dieser Reise auch die Aufgabe zu, zwischen der Lebenswelt seiner bedürftigen Landsleute und dem Erwartungshorizont der deutschen Gäste zu vermitteln. "Leben und leben lassen", das ist sein Motto.

Die Kreuzfahrer nehmen die kulturellen Besonderheiten im besten Fall ebenfalls mit Humor. "Er sagt, er hat zwei Frauen. Da sag ich: Eine kannste mir abgeben", scherzt ein Rentner nach einem Plausch mit einem Ägypter. Doch die Aufdringlichkeit der Händler führt manchmal auch zu Abwehr, zu Furcht: "Ich gehe nicht noch einmal in so ein Ding rein", sagt eine Urlauberinnach dem dritten Basarbesuch. Sie meint das ernst, auch wenn der Plan aussichtslos ist: Die Zugänge zu den Tempeln führen meist zwangsläufig an Verkaufsständen vorbei.

Kultur kompakt in Luxor

Die "Nile Smart"erreicht am vierten Tag schon wieder Luxor. Am Nachmittag geht es zum Karnak-Tempel des Gottkönigs Amun-Re mit seinem übermächtig wirkenden Säulensaal und einem 320 Tonnen schweren Rosengranit-Obelisken. Hier wird es ausnahmsweise etwas voller, weil viele Tagestouristen aus Hurghada durch die Wüste herüberfahren: ein Tag Kultur kompakt in Luxor.

Am nächsten Morgen steht Theben-West mit dem Tal der Könige auf dem Programm, ebenso wie der Totentempel der mächtigen Pharaonin Hatschepsut.Im Jahr 1997 ermordeten hier Anhänger der islamischen Terrorgruppe Gamaa Islamiya 58 ausländische Urlauber und 4 Einheimische. Unter den Opfern waren auch 4 Deutsche. Der Tourismus in Ägypten brach damals ein und erholte sich nur langsam. Heute ist es zwischen Luxor und Assuan friedlich. Dafür wurden im Februar dieses Jahres Touristen bei einem Anschlag in Taba auf dem Sinai getötet.

Auf der Rückfahrt von Theben-West steht Hesham Khattab ein letztes Mal vorne im Bus und spricht zur Reisegruppe. "Das war meine Arbeit für dieses Jahr", sagt er. Er hat sich nach anderen Jobs umgesehen. Es gab keine. Seinen Doktor hat er nicht gemacht, vielleicht wäre er sonst ins Ausland gegangen. "Aber meine Wurzeln sind hier."Die Familie wartet in Kairo. "Dein Land ist wie deine Mutter, wenn sie krank ist, sorgt man sich", sagt Khattab.

(dpa)
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