Naturschützer sind entsetzt Bagger zerstören Bergidylle im Kaisertal

München/Kufstein · Im Kaisertal wird gebaut. Mit Sprengstoff und schwerem Gerät hat eine Baufirma, etwa auf halber Strecke zwischen dem Ausflugslokal Pfandlhof und Hinterbärenbad, eine Forststraße in den Bergwald geschlagen. Der Anblick der zerstörten Bergidylle nahe Kufstein entsetzt viele Wanderer, die Ruhe und Erholung suchen.

Bagger im Kaisertal
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"Dass so etwas in einem Naturschutzgebiet möglich ist", erregt sich ein junger Mann aus Rosenheim. Auch Umweltschützer kritisieren die Eingriffe in die Hochgebirgslandschaft, die schon 1963 unter Naturschutz gestellt und später nach EU-Recht zum Natura-2000-Gebiet erklärt wurde.

Das Kaisertal ist aus seinem Dornröschenschlaf erwacht. Bis vor zwei Jahren war die bekannte Ausflugsregion von Kufstein aus nur über einen steilen Anstieg mit 280 Treppenstufen erreichbar. Wenn man den Lärm des zersiedelten Inntals hinter sich gelassen hatte, fand man sich unversehens in einer anderen Welt wieder.

Dort oben schien die Zeit stehen geblieben zu sein. Ein weites Hochtal, eingebettet zwischen den schroffen Kalkfelsen von Wildem und Zahmem Kaiser, präsentierte sich dem Wanderer, eine abwechslungsreiche Landschaft mit grünen Almen zwischen dunklen Wäldern, alten Bauernhöfen und dem Sparchenbach tief unten im Talgrund. Autos gab es nur wenige; schwere Lasten wurden mit einer Seilbahn hinauf befördert. Das Kaisertal war das letzte ständig bewohnte Tal in Österreich, in das noch keine öffentliche Straße führte.

Doch im Sommer 2008 wurde nach zweijähriger Bauzeit eine zwei Kilometer lange Zufahrtsstraße mit einem 800 Meter langer Tunnel eröffnet, der von der Inntalgemeinde Ebbs hinauf ins Kaisertal führt. Sechs Millionen Euro ließ sich das Land Tirol dieses Projekt kosten, das den vierzig ständigen Bewohnern des Kaisertales den lang ersehnten Anschluss ans öffentliche Straßennetz bescheren sollte.

Die Gemeinde Ebbs erhoffte sich von dem Bau, die befürchtete Abwanderung der Talbewohner stoppen zu können. Umweltschützer aus Österreich und Deutschland wehrten sich vehement, wenn auch vergeblich, gegen den Tunnel. Sie befürchteten, dass dem abgeschiedenen Tal eine Erschließungswelle droht.

"Der böse Fluch der guten Tat"

Diese Befürchtung scheint sich zu bestätigen. "Eigentlich war diese Entwicklung zu erwarten", sagt Peter Haslacher, Referatsleiter für Raumplanung und Naturschutz beim Österreichischen Alpenverein (ÖAV) in Innsbruck. Der neue, bequeme Zugang zum Tal habe zwangsläufig "Begehrlichkeiten" geweckt, etwa die nach einer Ausbeutung der dortigen Holzressourcen. "Das ist jetzt der böse Fluch der guten Tat."

Veranlasst wurde der Bau der Forststraße von der Stadt Kufstein, der das Waldstück im Kaisertal gehört. Helmut Schwentner, Stadtförster von Kufstein, will jedoch nicht mit Vertretern der Presse sprechen. "Ich habe zur Zeit genug Arbeit", wehrt er ab.

Überall im Tal sind derzeit Bauarbeiter und Handwerker unterwegs.
Ein lange Zeit leer stehender Bauernhof wird renoviert; auch im Berghof Enzian sind Renovierungsarbeiten im Gange. Schon vergangenes Jahr war damit begonnen worden, die Fahrstraße nach Hinterbärenbad zu verbreitern, damit sie von großen Holztransportern genutzt werden kann. Die Forststraße durch den Bödenwald ist zur Zeit das augenfälligste Projekt. "Das tut schon weh, wenn man das sieht", sagt Rudi Tengler vom Österreichischen Alpenverein in Kufstein. Er wirbt aber auch um Verständnis für die Bevölkerung, der man die wirtschaftliche Nutzung von Wald und Flur nicht verbieten könne.

Rechtlich sei beim Bau der Forststraße alles korrekt abgelaufen, sagt Johannes Kostenzer, Umweltanwalt des Landes Tirol. "Der Naturschutzbehörde kann man nichts vorwerfen, die hat gute Arbeit geleistet." So habe ein Gutachter zwar festgestellt, dass die Straße das Landschaftsbild und, in geringerem Maße, auch den Erholungswert des Kaisertales beeinträchtige. Dennoch sei das Projekt unter Auflagen genehmigt worden. Außerdem sei eine ökologische Bauaufsicht bestellt worden. Die forstwirtschaftliche Nutzung der Bergwälder im Kaisertal will Kostenzer nicht grundsätzlich infrage stellen.
Schließlich biete sie auch die Chance, den Wald nach ökologischen Kriterien standortgerecht umzubauen.

Bewohner sehen Entwicklung gelassen

Christine Markgraf vom Bund Naturschutz (BN) in Bayern kennt das Argument, mit dem die Nutzung der Bergwälder auch im Freistaat intensiviert wird. "Man spricht immer von Waldumbau, wobei der Klimawandel als Grund dafür herhalten muss." In Wirklichkeit gehe es vor allem darum, vom hohen Holzpreis zu profitieren. "Der Waldumbau könnte auch auf andere, schonendere Weise realisiert werden", sagt sie. Etwa, indem man den Wildbestand verringere oder nur einzelne Stämme entnehme. "Dafür braucht es keine großen Forststraßen."

Die Bewohner des Kaisertales sehen die aktuellen Entwicklungen in ihrem Tal gelassen. "Eine gewisse wirtschaftliche Entwicklung ist doch nötig", sagt der Wirt vom Pfandlhof, der in seiner Küche gerade große Stücke Topfenstrudel für seine Gäste auf Teller verteilt. Doch mit dem Qualitätssiegel "Naturschutzgebiet" und der angeblich immer noch so unverfälschten Natur des Kaisertales wollen die Gastronomen auch weiterhin werben.

(APD)
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