Urteil des Bundesgerichtshofes Mehr Verbraucherrechte bei Anzahlungen für Pauschalreisen

Karlsruhe · Reiseveranstalter können nur in Ausnahmefällen mehr als ein Fünftel des Preises einer Pauschalreise als Anzahlung verlangen. Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) am Dienstag entschieden.

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Foto: shutterstock/ My Good Images

"Bei 20 Prozent sollte Schluss ein", sagte der Vorsitzende Richter Peter Meier-Beck in Karlsruhe. Die Unternehmen können von ihren Kunden demnach zwar unter Umständen höhere Anzahlungen verlangen. Sie müssten das dann aber sachlich rechtfertigen können, hieß es. (Az.: X ZR 85/12 u.a.)

Die Richter des zehnten Zivilsenats gaben damit überwiegend Verbraucherschützern recht. Diese waren unter anderem dagegen vorgegangen, dass Reisende in bestimmten Fällen zwischen 25 und 40 Prozent auf den Gesamtpreis ihrer Reise anzahlen sollten. Die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen und der Bundesverband der Verbraucherzentralen hatten mehrere Touristikunternehmen verklagt.

Die Verbraucherschützer gingen außerdem erfolgreich gegen Stornokosten von Reisveranstaltern vor. Die Kosten waren in den Geschäftsbedingungen geregelt und richten sich schrittweise nach der Anzahl der verbleibenden Tage bis zum eigentlichen Reisebeginn. Dem Urteil zufolge müssen die Unternehmen die Stornokosten rechtfertigen können.

Bereits die Vorinstanzen hatten den Verbraucherschützern recht gegeben. Sie beurteilten die Klauseln in den Geschäftsbedingungen der verklagten Reiseveranstalter als unangemessene Benachteiligung der Kunden.

Der BGH wies die Revisionen von zwei Unternehmen gegen diese Urteile als unbegründet zurück. In einem dritten Fall muss das Oberlandesgericht Celle jetzt neu überprüfen, ob es eine Rechtfertigung für dort infrage stehenden Anzahlungspauschalen in Höhe von 25 und 40 Prozent für bestimmte Angebote gibt. Dabei ging es um eine Klage gegen den Reisekonzern Tui.

Die wichtigsten Punkte im Überblick.

Was hat der BGH entschieden?

Es ging es um die Höhe der Anzahlungen bei Pauschalreisen und um die Stornokosten. Ein weiterer Punkt drehte sich um die Frage, wann Kunden vor Reiseantritt den gesamten Preis entrichten müssen. Die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen und der Verbraucherzentrale Bundesverband hatten mehrere Touristikunternehmen verklagt.

Um welche Arten von Pauschalreisen ging es dabei?

Es handelte sich um ganz verschiedene Angebote: In einem Fall konnte der Kunde im Internet per "Dynamic Packaging" seine eigene Pauschalreise zusammenstellen. In einem anderen Fall ging es um Last- Minute-Angebote, um Sparreisen oder um spezielle Ticket-Pakete, also Reisen zu Veranstaltungen wie Musicals.

Was hat der BGH zu den Anzahlungen entschieden?

Dass die Reiseveranstalter für mehr als 20 Prozent Anzahlung gute Gründe haben müssen. Diese können laut BGH etwa sein, dass die Veranstalter selbst sofort nach der Buchung durch den Kunden die Airline oder das Hotel bezahlen müssen.

Hat der BGH die maximale Anzahlungshöhe festgelegt?

Nein, das hat er nicht.

Wie hat der BGH sein Urteil begründet?

Ein Fünftel bewertete das Gericht als eine "verhältnismäßig geringfügige Vorleistung des Reisenden". Diese kann demzufolge ohne extra Begründung akzeptiert werden.

Was hat der BGH außerdem entschieden?

Dass Kunden den ganzen Preis für eine Reise erst 30 Tage vor Reisebeginn zahlen müssen - und nicht vorher. Auch das war zum Teil strittig.

Was hat das Gericht zu den Stornokosten gesagt?

Die BGH-Verhandlung zeigte, dass auch Stornopauschalen keine Zahlen ins Blaue hinein sein dürfen. Die Veranstalter müssen demnach Gründe für ihre jeweiligen Pauschalen haben, etwa weil sie selber in der Regel dann auf bestimmten Kosten sitzen bleiben.

Was haben Veranstalter für die Stornierung genommen?

Ein Unternehmen etwa verlangte bei Flugreisen 40 Prozent des Reisepreises bis 30 Tage vor Reisebeginn. Ab dem 29. Tag sollten 45 Prozent fällig werden, ab dem 6. Tag 70 Prozent. In einem anderen Fall wurden bei bestimmten Pauschalreisen 30 Prozent bis 30 Tage vor Reisebeginn fällig, ab dem zweiten Tag vor Reisebeginn 95 Prozent.

Machte der BGH hier genauere Vorgaben?

Nein, auch hier gab der BGH keine Höchst-Stornierungskosten vor.

Betrifft das Urteil auch andere Reiseunternehmer?

Nach Angaben der Verbraucherzentrale NRW verlangen fast alle Reiseunternehmen mehr als 20 Prozent Anzahlung. "25 Prozent ist der Standard", sagt Beate Wagner von der NRW-Verbraucherzentrale. Demnach könnten auch andere Anbieter betroffen sein.

Was sagen die verklagten Unternehmen dazu?

In einer Stellungnahme betont der Reiseveranstalter Tui, dass über 90 Prozent seiner gesamten Angebotspalette gar nicht von der Entscheidung betroffen seien. Es handele sich nur um einige Produkte, in einigen Fällen müsse jetzt das Oberlandesgericht Celle erneut entscheiden, "weil man sich hier mit der konkreten Anzahlungshöhe bisher noch gar nicht auseinandergesetzt hatte".

(dpa)
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