Große Partys auf der Wiesn So feiern Schwule das Oktoberfest

München (RPO). Lederhosen und stramme Waden - das gehört zum traditionellen Outfit des männlichen Oktoberfest-Besuchers unbedingt dazu. Doch auch die schwule Community hat die Tracht für sich entdeckt und feiert auf der Wiesn gigantische Partys.

Schwule Partys auf der Wiesn
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Der inzwischen traditionelle GaySunday auf dem Oktoberfest begann mit einem Missverständnis. "Als ich Münchner Löwenclub hörte, dachte ich zuerst an die Fußballer von 1860 München", erinnert sich der Gastronom Georg Heide, Wiesnwirt des Bräurosl-Zeltes. "Ich war nicht schlecht überrascht, als dann Männer in schwarzem Leder kamen." Die "Männer in schwarzem Leder" waren Mitglieder des schwulen Fetischvereins MLC, die in der Bräurosl ihr traditionelles Oktoberfesttreffen abhalten wollten.

Zuerst besetzten die Schwulen nur den "Balkon" im hinteren Teil des Zeltes. Doch seit den Anfängen in den 1970er-Jahren hat sich das Treffen zu einem Mega-Event der Szene gemausert, der in Europa seinesgleichen sucht. Immer am ersten Oktoberfest-Sonntag ist die Bräurosl von 9 Uhr früh bis 23 Uhr abends brechend voll.

Tausende schwuler Männer geben sich, auf den Bänken schunkelnd und tanzend, unter ihresgleichen dem bierseligen Frohsinn hin und genießen es, einmal im Jahr nicht in der Minderheit zu sein. Frauen sind beim GaySunday zwar nicht offiziell ausgeschlossen, aber meist nur in Gestalt der in fesche Dirndl gekleideten Bedienungen anzutreffen.

Der Andrang ist so groß, dass viele Gäste, die nicht reserviert haben, schon am frühen Vormittag vom Zelt eigenen Ordnungsdienst abgewiesen werden müssen. Für Heide ist der schwule Sonntag ein Bomben-Geschäft. "Es ist ungewöhnlich, dass das Zelt an diesem Tag so voll ist wie sonst nur an einem Samstag. Darauf müssen sich alle einstellen", sagte Heide dem Münchner Homo-Magazin "Leo". "Das Personal arbeitet übrigens sehr gerne an diesem Tag, weil es immer ein Super-Trinkgeld gibt."

Sex-Orgien sind Vergangenheit

Dabei sind die eingefleischten Fetisch-Freunde in martialischem Leder oder anderen Testosteron-gesättigten Outfits mittlerweile deutlich in der Minderheit. "Der Trend zur Tracht hat an diesem Tag auch die Fetischszene voll erfasst", sagt Bernd Müller, Pressesprecher des MLC und Herausgeber der vierteljährlichen Vereinspostille "Löwenspiegel". Manch einer bedauere, dass die "wilden Zeiten" auf der Wiesn vorbei seien, als man sich im Bierzelt auch manch nicht-jugendfreien Vergnügungen hingegeben habe. "Da gab es richtige Orgien", erinnert sich Müller.

Als der MLC noch nicht in der Bräurosl feierte, sondern in einem anderen Zelt, sei es sogar zu einem schweren Konflikt mit dem Wirt gekommen, berichtet Müller. Der habe sexuelle Lustbarkeiten nicht mehr dulden wollen und den schwulen Fetisch-Freunden im Jahr darauf die Reservierung verweigert. Nach dem Umzug in die Bräurosl wird streng darauf geachtet, dass die Männer nicht mehr allzu sehr über die Stränge schlagen. "Unsere Bedienungen klopfen den Jungs schon mal auf die Schulter, wenn es zu wild wird", sagt Heide. "In den Anfangsjahren sind ja noch viele oben ohne rumgelaufen. Das ist mittlerweile besser geworden und das ist auch gut so, denn es passt einfach nicht ins Bild eines Festzeltes."

Dass Homos und Heteros auf der Münchner Wiesn, dem traditionellsten aller bayerischen Volksfeste, im Allgemeinen recht gut miteinander auskommen, kann Müller nur bestätigen. Diskriminierende Bemerkungen oder sogar Übergriffe gegen schwule Gäste auf dem Oktoberfest seien die Ausnahme. "Wir warnen allerdings davor, am späteren Abend auf dem Heimweg allzu offensiv herumzuknutschen oder Heteros anzumachen. Wenn bei fast allen der Alkoholspiegel hoch ist, kann das nicht ganz ungefährlich sein."

Bürgermeister mit Herz für Homos

Die gedeihliche Koexistenz der konträren sexuellen Vorlieben auf der Wiesn ist sicher auch ein Verdienst von Münchens Oberbürgermeister Christian Ude. Der SPD-Politiker mit Herz für die Homos lässt es sich nicht nehmen, den in der Bräurosl versammelten Männern seine Aufwartung zu machen. Wenn Ude den Taktstock ergreift und höchstselbst die Festzelt-Kapelle dirigiert, erreicht die Stimmung regelmäßig den Siedepunkt. "Am Anfang kam Ude, um der Szene seine Unterstützung zu signalisieren", sagt Müller. "Heute ist das ein fester Brauch wie das Anzapfen am Tag zuvor."

Neben dem GaySunday in der Bräurosl am 20. September gibt es auf der Wiesn seit einiger Zeit auch andere Homosexuellen-Treffen. Für alle, die am Sonntag keinen Einlass ins Zelt gefunden haben, bietet sich der "Rosl-Montag" am 21. September an. Eine Woche später, am 28. September, trifft sich die schwule und lesbische Szene im Zelt der Fischer-Vroni, wo es sogar eine Travestie-Einlage gibt. Eher "inoffiziell" ist der Wiesn-Ausklang der Community im Schottenhamel-Zelt am 4. Oktober. Die rosa-lila Wiesn strahlt sogar in andere Städte aus: Auf dem Cannstatter Wasen, dem größten Stuttgarter Volksfest, steigt am 8. Oktober die "Gaydelightparty" im neuen Wasenwirtzelt.

(mais)
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