Reise-Apps auf der ITB Sofort ist das neue Last Minute

Berlin · Ein Hotel per Mausklick am PC buchen? Wie altmodisch! Der moderne Urlauber sucht sich sein Zimmer unterwegs auf dem Smartphone aus. So kann er sich spontaner entscheiden und eventuell sogar noch Geld sparen. Die neue Technik steht aber noch vor einigen Hürden.

Das kosten Last-Minute-Angebote
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Last minute buchen? Das war gestern. Wer wirklich spontan reisen will, bucht heute "very last minute". Das Smartphone macht es möglich: Im Reisebüro to go suchen sich Urlauber ein Hotelzimmer unterwegs aus statt vorher zu Hause. Das neue last minute heißt daher: jetzt und hier. Denn wer vor Ort über das mobile Internet ein Zimmer oder ein Mietauto sucht, will es in der Regel nicht erst in ein paar Tagen haben, sondern sofort. Durch die neue Technik können Urlauber sich Papierkram und eventuell sogar Geld sparen. Noch ist das Ganze aber eine kleine Nische.

Die entdecken vor allem Hotelvermittler zunehmend für sich, wie auf der Internationalen Tourismus-Börse (ITB) in Berlin zu sehen ist. Inzwischen gibt es eine ganze Reihe von Apps, die sich unter den Begriffen "very last minute" oder "same day booking" versammeln. "Das ist im Trend", sagt Stefan Wagner von der Entwicklerfirma mvolution, die auf der ITB den "Mobil Travel App Guide" vorgestellt hat.

Nicht gebuchte Zimmer zu Schnäppchenpreisen

Das Prinzip dabei: Zimmer, die in der Nacht sonst leer blieben, werden im Tagesverlauf zum Schnäppchenpreis unters Volk gebracht. Der Vorreiter Hotel Tonight verspricht dabei bis zu 70 Prozent Ersparnis gegenüber dem Normalpreis. In Deutschland hat er aber erst drei Städte im Angebot. Inzwischen gebe es viele Ableger, die auf den Zug aufgesprungen sind, erklärt Wagner. Sie heißen etwa Very Last Room, Hotel Same Day oder Reallylatebooking. Auch große Hotelportale wie HRS und Booking.com haben nachgezogen und mit Hotels Now und Tonight spezielle Apps zum Buchen in allerletzter Minute herausgebracht.

Der Praxistest zeigt: Ein bisschen lässt sich mit diesen Apps in der Tat sparen. Ein preiswertes Hotelzimmer in Berlin während einer Messe wie der ITB finden? Das ist normalerweise schwierig. Am Donnerstagmittag findet sich per Handy aber immerhin ein Zimmer in einem Vier-Sterne-Hotel für 118 Euro - im Internet kostet es auf mehreren großen Buchungsportalen 138 Euro. Aber auch in anderen Bereichen wächst das Angebot für Handynutzer, wie der "Mobil Travel App Guide" zeigt. Demnach gibt es inzwischen mehr als 36 000 Reise-Apps - die Zahl ist damit binnen eines Jahres um rund 10 000 gestiegen, erklärt Wagner.

Tickets ohne Schlangestehen

Praktisch ist das Smartphone ebenfalls beim Buchen von Tickets, sagt Martin Eckart von der App-Entwicklerfirma MAD. Das betreffe zum einen Flüge und Zugfahrten, aber auch Veranstaltungen vor Ort. Die Vorteile liegen dabei auf der Hand: Das Schlangestehen beim Kauf eines Bahn- oder Museumstickets erübrigt sich, und der Papierkram hat sich ebenfalls endgültig erledigt.

Maurice Shahd vom Hightech-Verband Bitkom gibt ein Beispiel: Ein Urlauber fliegt nach Florenz und will von dort aus einen Ausflug nach Bologna machen. Das passende Bahnticket bucht er auf dem Weg zum Bahnhof übers Smartphone und spart sich so das Anstellen am Schalter. Selbst das Ausdrucken wie bei der Online-Buchung per PC fällt weg. Nützlich sind dabei Apps wie Passbook für iOS oder Passwallet für Android: Sie bündeln Bord-, Eintritts-, Kundenkarten und Rabattcoupons. Das verhindert digitales Zettelchaos.

Das Smartphone bietet Urlaubern aber noch mehr neue Möglichkeiten am Urlaubsort. Die Zauberformel heißt: Location Based Services. Dank der Standortbestimmung des Handys zeigen Apps sofort Angebote in der Nähe an. Das ist nicht nur hilfreich bei der Suche nach Hotels vor Ort.

Standortservices helfen bei der Taxisuche

"Es hat auch die Taxibranche revolutioniert", sagt Michael Buller vom Verband Internet Reisevertrieb (VIR), der die deutschen Online-Reiseportale vertritt. "Stellen Sie sich vor: Sie stehen im Urlaub vor einer Disco und haben keine Ahnung, wie die Straße heißt, und keine Nummer von einem Taxiservice." Apps wie Mytaxi machen dann alles automatisch: Auf Knopfdruck zeigen sie Taxen in der Umgebung an und rufen eins herbei. Ebenso finden Urlauber auf diese Weise schnell einen Skiverleih in der Nähe, ergänzt Eckart.

Die Entwicklung steckt aber noch in den Kinderschuhen, wie die aktuelle Reiseanalyse der Forschungsgemeinschaft Urlaub und Reisen (FUR) zeigt. Die Zahlen darin zu Urlaubern mit mobilem Internetzugang klingen ernüchternd: Erst vier Prozent haben in den zwölf Monaten vor der Befragung unterwegs ein Hotelzimmer oder Ähnliches per Smartphone gebucht. Vor der Reise haben dies immerhin zwölf Prozent getan.

Deutlich mehr (15 Prozent) nutzen das Smartphone, um sich auf Reisen übers Internet zu informieren. Vor der Reise macht das sogar schon jeder Dritte (32 Prozent). Derzeit gilt für viele davon aber offenbar noch die Devise: Nur gucken - nicht anfassen.

Große Hürde: Handykosten im Ausland

Eine Hürde seien immer noch die Kosten für das Surfen im Ausland, sagt Buller. Außerdem ist ein Handydisplay eben doch recht klein. Um etwa eine komplette Pauschalreise online auszusuchen, dürften viele daher einen richtigen Rechner oder ein Tablet verwenden.

Die Entwicklung dürfte allerdings ähnlich wie beim stationären Internet verlaufen, schätzt Ulf Sonntag vom NIT in Kiel, der die Reiseanalyse wissenschaftlich mitbetreut. Auch hierbei hätten die Nutzer sich online zuerst vor allem informiert. Das Buchen per Mausklick wurde erst im zweiten Schritt populärer. Potenzial sieht Sonntag daher durchaus für das Smartphone als Buchungsmaschine. "Das wird rasant wachsen."

Nische für Geschäftsreisende und Abenteurer

Allerdings dürften die Buchungen unterwegs auf Reisen insgesamt gesehen eine kleinere Nische bleiben. Denn das Smartphone sei eher als Ergänzung zum Buchen am PC oder im Reisebüro. "Ich glaube nicht, dass wir jetzt anfangen, alles on the road zu buchen." Das Smartphone mache einen zwar flexibler, wenn sich zum Beispiel bei einer Rundreise unterwegs die Pläne ändern. Ins Blaue drauflos zu fahren und die komplette Reise samt Hotels erst auf dem Weg zu organisieren, sei aber vorerst nichts für die breite Masse. "Das eignet sich eher für Geschäftsreisende und Abenteuerlustige."

Buller sieht das ähnlich: "Da sind die Deutschen noch nicht." Er glaubt aber, dass die heutige Jugend in dieser Hinsicht schon weiter ist. "Die tickt da anders und geht mit dem Smartphone ganz natürlich um." Das werde auch das Reisen verändern. Der Teenager von heute wird daher künftig womöglich nur milde darüber lächeln, was seine Eltern einmal unter spontanem Buchen in letzter Minute verstanden haben.

(dpa/anch)
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