Nach Anschlägen auf Touristenziele Experten prognostizieren weniger Reisen in muslimische Länder

Berlin/Istanbul · Reiseveranstalter und Tourismusforscher rechnen nach dem verheerenden Terroranschlag in Istanbul, bei dem zehn Deutsche ums Leben kamen, mit einem spürbaren Rückgang von Reisen in muslimische Länder.

Türkei: Terroristen zielten auf Touristen
Foto: dpa, sdt lb

"Reisende werden jetzt generell Länder meiden, in denen IS-Anschläge wahrscheinlicher sind", sagte der Münchner Tourismusforscher Jürgen Schmude. Der Winter sei die Zeit, in der die meisten Familien ihren Sommerurlaub in der Türkei buchen, sagte Tui-Konzernchef Fritz Joussen. "Nun werden wohl viele erst einmal abwarten."

Am Dienstag hatte sich ein Selbstmordattentäter inmitten einer deutschen Reisegruppe in Istanbuls historischer Innenstadt in die Luft gesprengt und dabei zehn Deutsche mit in den Tod gerissen. Sieben weitere Bundesbürger lägen in Krankenhäusern in Istanbul, fünf von ihnen auf der Intensivstation, teilte das Auswärtige Amt mit. Zudem gebe es drei Leichtverletzte. Alle Todesopfer hatten eine Reise des Berliner Veranstalters Lebenslust Touristik gebucht.

Er habe keine Hinweise, "dass der Anschlag gezielt gegen Deutsche gerichtet war", sagte Innenminister Thomas de Maizière (CDU) bei einem Besuch in Istanbul. Der syrische Attentäter, den die türkische Regierung dem Islamischen Staat (IS) zuordnete, sei sieben Tage vor dem Anschlag als Flüchtling registriert worden, sagte der türkische Innenminister Efkan Ala. Behörden hätten Fingerabdrücke von ihm genommen. Er habe aber auf keiner Liste von Terrorverdächtigen gestanden. Die Nachrichtenagentur DHA meldete unter Berufung auf die Polizei, der 27-jährige Nabil Fadli sei am 5. Januar bei der Registrierung von vier Menschen begleitet worden, nach denen gefahndet werde. Bisher nahm die türkische Polizei einen Verdächtigen fest.

Die Gefahr für Touristen nimmt derweil zu. "Touristen sind ein bevorzugtes Anschlagsziel für Terroristen geworden, weil solche Anschläge weltweit besonders viel Aufsehen erregen", sagte Tourismusexperte Schmude. "Je öfter Anschläge passieren, desto stärker geht der Tourismus im betroffenen Reiseland zurück. Ob die Türkei bei den Deutschen als Reiseziel so beliebt bleibt, hängt davon ab, ob sich noch ein Anschlag ereignet." Die Türkei rangiert bei den Auslandsreisezielen der Deutschen nach Spanien und Italien bisher auf Rang drei.

Die Nachfrage nach Türkei-Reisen stieg 2015 laut Deutschem Reiseverband (DRV) weiter um vier Prozent gegenüber 2014. Für das vergangene Jahr schätzt der Verband einen Rekord von 5,5 Millionen deutschen Türkei-Reisenden. DRV-Präsident Norbert Fiebig meint, dass der Terror an den großen Reiseströmen der Deutschen bisher "nichts Grundlegendes geändert hat". Tui-Chef Joussen erkennt aber bereits mehr Vorsicht gegenüber Reisen nach Nordafrika. Das Ziel Tunesien sei nach dem Anschlag auf ein Hotel mit 38 Toten "nachhaltig geschwächt". Auch Ägypten würden zurzeit viele Deutsche eher meiden.

(mar)
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