Tourismus Welche Folgen der Brexit für Urlauber hat

Kehl · London gehört zu den beliebtesten Zielen für einen Kurzurlaub innerhalb Europas. Nun hat die Mehrheit der Engländer für einen Ausstieg aus der EU gestimmt. Was verändert sich dadurch für Touristen? Und wird der England-Urlaub nun teurer oder günstiger?

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Die Mehrheit der Engländer ist für den Brexit, das ist nun klar. Nicht ganz greifbar bleibt vorerst allerdings, welche genauen Auswirkungen dies auf politischer und ökonomischer Ebene haben wird. Anders ist das bei der Umstellung für Touristen. Worauf sich Urlauber und Geschäftsreisende nun einstellen müssen:

Dass eine Visumspflicht in England eingeführt wird, ist unwahrscheinlich. Da dies mit extremen bürokratischen Hürden und viel Aufwand verbunden wäre. Möglich ist es jedoch, da mit dem Austritt auch die "Europäischen Grundfreiheiten" enden. Das bedeutet, dass EU-Bürger kein Recht mehr haben, ohne Kontrollen nach Großbritannien zu reisen oder dort zu leben und zu arbeiten.

Urlauber müssen also in Zukunft wenigstens ihren Personalausweis vorzeigen. "Und daran wird sich auch künftig erst mal nichts ändern", erklärt Bernd Krieger, Leiter des Zentrums für Europäischen Verbraucherschutz Deutschland.

Denkbar wären auch andere Modelle. So könnte es nach dem Scheidungsprozess, für den der Vertrag von Lissabon zunächst bis zu zwei Jahre vorsieht, zum Beispiel weitergehen wie in der Schweiz, die ebenfalls kein EU-Mitglied ist: Dort dürfen sich EU-Bürger bis zu 90 Tage visumfrei in dem Land aufhalten.

Das gilt auch für Norwegen. Es ist ebenfalls kein EU-Mitglied, allerdings hat sich das Land dem Schengener Abkommen angeschlossen. Aber: Laut Auswärtigem Amt erkennen viele Behörden und Banken den EU-Personalausweis in Norwegen nicht an. Hier empfiehlt das Ministerium daher bei einem längeren Aufenthalt einen Reisepass.

Schon in den ersten Stunden nach dem englischen Wahlergebnis fiel der Kurs des englischen Pfunds ab. Das führt dazu, dass Reisende vorerst deutlich günstiger Urlaub im Vereinigten Königreich machen können. Vor allem beim Shoppen dürften sich die Währungsschwankungen des englischen Pfunds bemerkbar machen. Touristen, die Kleidung, Lebensmittel oder Accessoires in England kaufen wollen, sollten den günstigen Wechelkurs in den kommenden Wochen ausnutzen.

Anders sieht das für die Briten aus. Für sie verteuert sich der Urlaub in europäischen Ländern wie Spanien oder Italien in Zukunft deutlich. Ein Umstand, der sich in der Tourismusbranche deutlich bemerkbar machen dürfte. Auf den Balearen beispielsweise machen die Briten einen großen Teil der Gäste aus.

Teurer werden könnten allerdings Flüge nach Großbritannien. Als EU-Mitglied waren die Briten automatisch in der European Common Aviation Area: Jede Airline mit Sitz in Europa kann demnach in jedes EU-Land fliegen. Durch den Brexit wird England daraus ausscheiden und muss seine Flugverkehrsregeln neu verhandeln.

Für Reisende ist das nicht nur wegen des Preises wichtig, sondern auch wegen der Fluggastrechte. Die EU-Leitlinien sprechen Reisenden zum Beispiel bei Verspätung oder Annullierung eine Entschädigung zu, wenn sie mit dem Zug oder Flugzeug innerhalb sowie aus der oder in die EU reisen. Was wird daraus? "Das kann man im Moment gar nicht sagen", sagt Verbraucherschützer Krieger.

Möglich ist, dass Großbritannien solche Regelungen auch weiterhin einhält. So garantieren laut Krieger etwa auch Island und Norwegen als Nicht-EU-Mitglieder die gleichen Fluggastrechte wie die Staatengemeinschaft, denn sie gehören dem Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) an.

Krieger rechnet sogar mit einem britischen Abkommen mit der EU. Denn: "Ich kann mir nicht vorstellen, dass das Vereinigte Königreich seinen Bürgern nicht mehr die Verbraucherrechte geben möchte wie bisher", sagt der Verbraucherschützer. Das würde den Briten selbst auch schaden.

Außerdem hätte das Auswirkungen auf den Tourismus: "Diese Regelungen sind ein Wettbewerbsvorteil", erklärt Krieger. Würden britische Fluggesellschaften diese nicht mehr garantieren, könnte das dazu führen, dass Reisende eher darauf verzichten.

Wenn es aber doch so kommt? Ansprüche hat man nur, wenn man von einem Flughafen in der EU abfliegt oder mit einer EU-Fluglinie in einem Mitgliedsland ankommt. Das heißt zum Beispiel: Fliegt man mit einer Nicht-EU-Fluglinie wie künftig British Airways von Großbritannien in die USA und verspätet sich stark, gebe es künftig keine gesetzlich zugesicherten Ersatzleistungen mehr.

Etwas anders sieht es aus, wenn es sich dabei um einen Anschlussflug handelt. Verpasst man etwa den Flieger, weil ein im Zusammenhang mit dem USA-Flug gebuchter Zubringer aus Deutschland nach Großbritannien zu spät ankommt, gibt es weiterhin eine Entschädigung. Denn man kommt aus einem EU-Land. Weiterhin Leistungen bekommt man auch, wenn man aus den USA nach London mit einer Airline fliegt, die ihren Sitz in der EU hat.

Die EU hat in Sachen Roaminggebühren viele positive Veränderungen für die Verbraucher eingeführt. Seit Jahren werden die Gebühren bereits schrittweise gesenkt, im Sommer 2017 sollen sie dann abgeschafft werden.

Ob diese Regelung nach dem Brexit weiterhin für Urlauber in England gilt, ist unklar. Möglich ist es jedoch, da bereits jetzt auch andere nicht EU-Länder in die europäischen Verträge integriert sind.

Nicht geregelt ist in Zukunft — jedenfalls vorerst — die Hygiene an britischen Stränden. Während die EU für die Instandhaltung der Küsten klare Regeln vorschreibt, wird man im unabhängigen Vereinigten Königreich dafür neue Leitlinien finden müssen.

Urlauber, die in den kommenden Wochen oder Monaten eine Reise nach England oder Schottland geplant haben, müssen sich keine Sorge machen. Laut dem Vertrag von Lissabon, erfolgt ein Ausstieg aus der EU schrittweise, der Prozess kann bis zu zwei Jahre dauern.

(ham)
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