Smog in Harbin Wenn man wegen Ruß und Schmutz nichts sieht

Peking · Wenn man wegen Ruß und Schmutz nur 50 Meter sehen kann, ist das für Touristen nicht gerade einladend. Und die Luftverschmutzung ist nur eines von mehreren Problemen der Reisebranche in China.

Oktober 2013: Dichter Smog legt China lahm
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Schon wieder macht die Umweltverschmutzung in China weltweit Schlagzeilen. In der Metropole Harbin ist der Smog so dicht, dass zuletzt am internationalen Flughafen Dutzende Flüge gestrichen werden mussten. Die Hauptstadt Peking verkündet neue Richtlinien, um die enorme Belastung mit Feinstaub und Schadstoffen irgendwie in den Griff zu bekommen. Doch die chinesische Tourismuswerbung gibt sich von solcher Unbill unverdrossen.

"Wunderschönes China" - der im Februar vorgestellte offizielle Werbeslogan des Reichs der Mitte - prangt derzeit in Englisch und Chinesisch nicht nur auf Londoner Bussen und Zügen. Diese Woche wollen die chinesischen Tourismusmanager damit auch auf der internationalen Reisemesse in Südchina punkten. Darüber hinaus haben sie sich ein eigenwilliges Jahresmotto ausgedacht: das Jahr des chinesischen Ozean-Tourismus.

Für die Kampagne mitten in der internationalen Debatte über die chinesischen Umweltlasten hagelt es nun Spott. "Schönheit kann man sicher auf unterschiedliche Weise sehen, aber wenn man überall Artikel über Verschmutzung liest und dabei vor allem über Luftverschmutzung, dann werden die Menschen wohl kaum glauben, dass China zu 100 Prozent schön ist", sagt Alastair Morrison, ein in Peking tätiger Tourismus-Marketing-Experte. Und die etwas plumpe Kampagne ist nach Einschätzung von Beobachtern auch nicht die größte Schwierigkeit, die China immer noch mit dem Tourismus hat.

Zwar ist die Branche mit der marktwirtschaftlichen Öffnung der Volksrepublik in den vergangenen 30 Jahren stark gewachsen. 2011 lag der Umsatz nach Angaben des Welttourismusrats bei umgerechnet 470 Milliarden Euro - mehr als neun Prozent des chinesischen Bruttoinlandsprodukts. Inzwischen liegt China auf Rang drei der am meisten besuchten Länder weltweit - nach Frankreich und den USA.

Dennoch sind die Zahlen ausländischer Touristen im Vergleich zu den Reisen der 1,1 Milliarden Chinesen im eigenen Land wirtschaftlich nachrangig, und sie sind auch nicht so stark gewachsen wie der Binnentourismus.

Mit einem Wachstum von 2,1 Prozent pro Jahr bei der Zahl ausländischer Übernachtungsgäste lag China nach Daten der Welttourismusorganisation schon zwischen 2008 und 2012 unter dem internationalen Durchschnitt von 2,8 Prozent. Dieses Jahr kam nun angesichts der Smog-Debatte ein regelrechter Einbruch: Die Zahl der Übernachtungsgäste aus dem Ausland ging in den ersten neun Monaten dieses Jahres um sieben Prozent auf 15 Millionen zurück.

"Man muss hinterfragen, was hier los ist"

Experten schließen daraus, dass China sein Potenzial nicht ausschöpft. "Bei einem Reiseziel wie China, einem großen Land, wo viele Ausländer noch nicht waren, hätte man eigentlich überdurchschnittliches Wachstum erwartet", sagt Morrison. "Man muss hinterfragen, was hier los ist."

Einige verweisen auf veraltetes Tourismusmarketing, das im Zeitalter von Facebook, Twitter und Co noch vorwiegend auf Reisemessen und Magazinanzeigen vertraut. Damit sei man nicht nah genug am potenziellen Kunden, sagt Wang Sheng von der Agentur D & J Global Communications. Einige chinesische Regionen versuchen inzwischen den Schwenk zu moderneren Kommunikationsmitteln, etwa die Provinz Shandong, die den Internetriesen Google als Werbeberater eingespannt hat. Die Stadt Hangzhou betreibt immerhin ihre eigene Facebook-Seite und eine Internetplattform, unter anderem auf Deutsch.

Dennoch tun sich die Tourismuswerber schwer, unter anderem wegen Organisationsproblemen. Internationale Anbieter klagen, die chinesischen Tourismusbehörden wollten Ausländer mit eigener Werbung direkt ansprechen, statt mit Partnern zusammenzuarbeiten und Tourpläne mit kulturellen und geschichtlichen Sehenswürdigkeiten aufzustellen, wie es international üblich ist.

Chinas Nationale Reiseagentur lehnte ein Interview zum Thema ab.
Geäußert hat sich hingegen jüngst der Präsident der Vereinigung der US-Reiseveranstalter, Terry Dale, wenn auch nicht ganz schmeichelhaft. Die Zusammenarbeit mit den Chinesen sei ein "mühsamer Prozess", stöhnte Dale.

(ap)
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